Bsirske führt Grüne in Sackgasse

Kommentar von Bernhard Schneider

Frank Bsirske kündigt in einem Gastbeitrag für den Caritas-Verdi-Infoblog an, das kirchliche Arbeitsrecht einzuschränken. Am liebsten will er es ganz abschaffen. Seiner Ansicht nach werden Mitarbeitende bei Caritas und Diakonie als Beschäftigte zweiter Klasse behandelt und er fühlt sich berufen, sie von dieser Diskriminierung zu befreien. Es scheint eine abgestimmte Strategie mit seiner ehemaligen Verdi-Kollegin Frau Welskop-Deffaa zu sein, die anlässlich ihrer Einsetzung als Caritaschefin auch die Abschaffung des Dritten Weges fordert. Welskop-Deffaa erscheint das mit Hinweis auf die „Missbrauchsfälle“ dringend nötig, während Bsirske meint, das kirchlichen Arbeitsrecht sei „absolut hinterwäldlerisch“ und hänge mit der „verstaubten katholischen Sexualmoral aus dem vorletzten Jahrhundert zusammen.“

Das ist ziemlich schräg. Als Gewerkschaftsboss mag eine solche Entgleisung ja noch durchgehen, als arbeitsmarktpolitischer Sprecher einer Regierungsfraktion sollte Herr Bsirske lernen, sich zu mäßigen. Wer über eine Million Mitarbeitende in gemeinnützigen Sozialunternehmen von Diakonie und Caritas als Beschäftigte zweiter Klasse beschimpft, weil ihnen das Streikrecht fehlt, offenbart seine eigene verstaubte Ideologie. Die scheint bei Herrn Bsirske schon so verwurzelt zu sein, dass er die Wirklichkeit nicht mehr sehen kann.

Und die ist nun mal so, dass es in diakonischen Unternehmen selbstverständlich Mitarbeitervertretungen und auch Stufenvertretungen bis auf Konzernebene gibt. Und es gibt natürlich auch ein ordentliches Verfahren in paritätisch besetzten arbeitsrechtlichen Kommissionen, in denen Arbeitsvertragsrichtlinien und Gehälter verhandelt werden, die besser sind als alles, was die bundesdeutsche Tariflandschaft zu bieten hat.

Im Gegensatz zum Zweiten Weg, auf dem Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften Tarifverträge mit Mitteln des Arbeitskampfes erstreiten, setzt der Dritte Weg auf das Konsensprinzip: Wenn sich Dienstgeber und Dienstnehmer in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen nicht einigen können, gibt es nach einem streng vorgegebenen Verfahren eine verbindliche Schlichtung, in der dann ohne Streik eine Entscheidung getroffen wird.

Das ist, was Herrn Bsirske stört. Er schafft es nicht, sein Gewerkschaftshemd abzulegen und anzuerkennen, dass die Arbeitswelt nicht mehr dieselbe ist, wie vor 100 Jahren. Es gibt längst einen Arbeitnehmermarkt, auf dem die Mitarbeitenden entscheiden, wo und zu welchen Bedingungen sie arbeiten wollen. Wir Arbeitgeber wissen längst, welch wertvolle Ressource motivierte Mitarbeitende sind und dass wir es sind, die sich bewerben und daran arbeiten müssen, gute Rahmenbedingungen zu bieten.

Mit der Forderung nach einem Streikrecht, das auf dem Rücken kranker, alter und pflegebedürftiger Menschen ausgetragen werden soll, zeigt Herr Bsirske, dass er offensichtlich immer noch in Kategorien einer Arbeitsmarkpolitik aus dem vorigen Jahrhundert denkt. Vielleicht glaubt er auch, die schwindenden Mitgliederzahlen seines früheren Arbeitgebers damit aufhalten zu können.

Die Grünenfraktion im Bundestag sollte aufpassen, dass sie ihrem neuen arbeitsmarkpolitischen Sprecher nicht in seine ideologische Sackgasse folgt. Klüger wäre es anzuerkennen, dass Diakonie und Caritas mit ihrem Dritten Weg und dem Konsensprinzip einer verbindlichen Schlichtung ein ernstzunehmendes Model für ein modernes, bundesweites und branchenübergreifendes Tarifrecht ist.

Zum Autor
Bernhard Schneider ist Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung.