Initiative Pro-Pflegereform wird wieder aktiv

Expertenteam um Prof. Heinz Rothgang aktualisiert Reformbausteine

Die Initiative Pro-Pflegereform hat mit ihren innovativen Reformvorschlägen zur Aufhebung der Sektoren und zum Sockel-Spitze-Tausch vor genau vier Jahren die Diskussion um eine Neuausrichtung der Pflegeversicherung bundessweit befeuert. Die enttäuschende Pflegepolitik der Ampelkoalition ruft die Initiative jetzt wieder auf den Plan.

Im April 2023 ist die Initiative Pro-Pflegereform in die Pause gegangen, weil spätestens mit dem PUEG absehbar war, dass sich in der Ampelkoalition die finanzpolitischen Vorgaben zu Lasten der pflegepolitischen Ziele immer durchsetzen werden. Während die höheren Kosten für die Leistungen des PUEG auf die Beitragszahler abgewälzt wurden, ist der im Koalitionsvertrag versprochene Steuerzuschuss für versicherungsfremde Leistungen bis heute ausgeblieben.

Seither ist pflegepolitisch auch nicht viel passiert, obwohl sich die Probleme in der Branche kumuliert haben. Mit dem Pflegekompetenzgesetz und der Ankündigungen einer weiteren Erhöhung der Versicherungsbeiträge zur Abwendung der Zahlungsunfähigkeit der Pflegeversicherung gibt es nun wirklich keine Nachrichten aus Berlin, die Zuversicht in der Pflege verbreiten könnten – im Gegenteil. Der große Bericht der Bundesregierung zur „Zukunftssicheren Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung“ kommt über eine „Darstellung von Szenarien und Stellschrauben möglicher Reformen“ nicht hinaus.

Wer von der Koalition Gestaltungskraft oder gar Mut für eine nachhaltige Reform der Pflegeversicherung erwartet hat, dürfte inzwischen ziemlich enttäuscht sein. „Obwohl auch der Bundeskanzler offensichtlich die Probleme erkennt und eine Jahrhundertreform fordert, ist davon meilenweit nichts zu sehen,“ kommentiert Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung und Initiator von Pro-Pflegereform, die aktuelle Debatte.

„Deshalb wird es Zeit, die Initiative Pro-Pflegereform zu reaktivieren“, zeigt sich Schneider entschlossen. „Wir müssen die Reset-Taste drücken und neue, kraftvolle Impulse für eine zukunftsfähige Struktur- und Finanzreform der Pflegeversicherung setzen“. Auch mit Blick auf die Bundestagswahl im nächsten Jahr ist es notwendig, den Parteien im Wahlkampf konkrete Reformvorschläge zu machen.

Vor diesem Hintergrund nimmt die Initiative Pro-Pflegereform, die seit 2017 bundesweit aktiv ist und fast 200 unterstützende Organisationen, Verbände und Unternehmen aus der Branche vereint, einen neuen Anlauf. Gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Team um Prof. Heinz Rothgang und einer Resonanzgruppe mit 12 Expertinnen und Experten aus Verbänden und Pflegeunternehmern werden konkrete Vorschläge für ein Reformkonzept erarbeitet.

Dabei soll es zunächst darum gehen, aktuell vorliegende Reformkonzepte zu sichten und deren Stoßrichtungen gegenüberzustellen, um zu prüfen, inwieweit diese gegenseitig anschlussfähig sind. In einem weiteren Schritt werden die eigenen Reformbausteine der Initiative aus dem Rothgang-Gutachten zur alternativen Ausgestaltung der Pflegeversicherung von Nov. 2019 (AAPV 2) aktualisiert und auf ihre Umsetzbarkeit geprüft.

Dazu zählen neben der Umsetzung des Prinzips „Pflege und Wohnen“ auch die Leistungserbringung in einer Welt ohne Sektoren nach einem 3-Instanzen-Modell mit Vergütung der Laienpflege. Darüber hinaus soll aufgezeigt werden, wie die Pflegeversicherung durch den Sockel-Spitze-Tausch zur einer „Sozialen Pflegeversicherung mit fixen Eigenanteil“ weiterentwickelt und finanziert werden kann. Dazu werden wieder verschiedene Finanzierungsbausteine analysiert und auf ihre Wirkung hin kalkuliert.

Prof. Rothgang und sein Team haben die Arbeit bereits wieder aufgenommen. Die Expertengruppe wird im Dezember und im Februar die Zwischenergebnisse diskutieren und voraussichtlich im März 2025 ein neues Reformkonzept AAPV 3 mit einem aktualisierten Berechnungsmodell vorlegen.

„Ein entscheidender Faktor für die Erfolgsgeschichte der Initiative Pro-Pflegereform liegt in der großen Unterstützung, die wir von sehr vielen Akteuren der Pflegebranche bis heute erfahren“ sagt Bernhard Schneider. „Dafür sind wir sehr dankbar. Wir laden alle Personen und Institutionen, die sich unserer Vision einer neuen Pflegeversicherung anschließen und durch kritische und konstruktive Beiträge bereichern wollen, herzlich ein, uns zu unterstützen“.

Das geht am besten durch Beitritt in den Unterstützerkreis der Initiative Pro-Pflegereform über die Homepage (www.pro-pflegereform.de), auf der auch die bisherigen Gutachten und Aktivitäten dokumentiert sind.

„Auch wenn derzeit Rezession und Krankenhausreform die innenpolitische Agenda beherrschen, wird auch die Pflege als wahlentscheidendes Thema wahrgenommen. Wir werden als Initiative unseren Beitrag leisten, dass die Pflegereform im Wahlkampf, den ihr gebührenden Stellenwert bekommt. Und wir wollen mit dem neuen Reformaufschlag die Leitplanken für die pflegepolitischen Diskussionen setzen – auch über die Bundestagswahl hinaus“, fasst Bernhard Schneider zusammen.

Die Initiative Pro-Pflegereform wurde Ende 2016 ins Leben gerufen und wird mittlerweile von über 120 Pflegeunternehmen mit 1.000 Pflegeheimen und 300 Pflegediensten sowie über 60 Verbände und Organisationen unterstützt. Sie setzt sich für einen Paradigmenwechsel in der Pflegeversicherung ein. In einem ersten Gutachten zeigte Prof. Dr. Heinz Rothgang im Mai 2017 auf, dass der Sockel-Spitze-Tausch machbar und finanzierbar ist. Im zweiten Reformgutachten vom November 2019 legte die Initiative ein fundiertes Reformkonzept vor. www.pro-pflegereform.de