Praxistest und wissenschaftliche Begleitstudie zu sozialer Robotik in der Pflege
Seit Oktober 2023 setzt die Evangelische Heimstiftung den sozialen Roboter Navel in zwei ihrer Pflegeheime ein. Navel nutzt Künstliche Intelligenz und ChatGPT um mit Menschen zu interagieren. Er kann sich unterhalten und Dinge merken und: Er lernt dazu. Die Heimstiftung begleitet das Projekt wissenschaftlich um die Frage zu klären, wie soziale Robotik die Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen beeinflussen kann. Die Vorstudie ist abgeschlossen – nun läuft der Praxistest.
„Der Nutzen von sozialen oder digitalen Innovationen bemisst sich daran, ob sie die Lebensqualität unserer Kundinnen und Kunden erhöhen: Verbessert eine App die Teilhabe? Erhöht ein Sensor die Sicherheit?“, erklärt Bernhard Schneider. Der Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung hat Navel ins Unternehmen gebracht: „Wir sind überzeugt, dass wir Social Robotik künftig auch in der Pflege und Betreuung einsetzen werden und wir wollen wissen, was Navel kann und wo es noch Nachholbedarf gibt“.
Aus diesem Grund hat die Heimstiftung zwei Navel-Roboter gekauft. Sie laufen seit einigen Wochen mit den Alltagsbegleitungen mit, im Mannheimer Seniorenzentrum Rheinauer Tor und im Haus im Wiesengrund in Albershausen. Begleitet werden sie von sogenannten Paten. Das sind Mitarbeitende, die Navel im Hintergrund bedienen, die ihn bei der Interaktion mit den Bewohnerinnen und Bewohnern begleiten. Und die auch zurückspiegeln können, wie sich der Roboter im Alltag eines Pflegeheims einsetzen lässt.
Einsatz von Navel wird wissenschaftlich begleitet
Der Einsatz von Navel ist Teil eines Pilotprojekts, das die Heimstiftung zusammen mit der Entwicklerfirma Navel Robotics durchführt. Dr. Judith Schoch, Leiterin des Instituts für Pflege und Alter, ist für die Studie verantwortlich. Sie erklärt: „Am Ende wollen wir wissen, ob soziale Robotik im Pflegeheim funktioniert und was sie den Menschen bringt – sowohl den Pflegebedürftigen als auch den Mitarbeitenden. Und dafür brauchen wir eine wissenschaftliche Begleitung“. Die Studie wurde von einer unabhängigen externen Ethikkommission geprüft, es finden regelmäßige Workshops mit Mitarbeitenden statt, die Navel nutzen. Ein interdisziplinär besetzter Projektbeirat diskutiert regelmäßig die Ergebnisse und behandelt ethische Fragen. Und es werden diejenigen Menschen regelmäßig befragt, die mit Navel interagieren.
In einer Vorstudie wurden Einstellungen zu und Erwartungen an soziale Robotik erhoben, bevor Navel in den beiden Piloteinrichtungen eingesetzt wurde. Im qualitativen Teil wurden sechs Experteninterviews durchgeführt, jeweils mit der Hausdirektion, der Pflegedienstleitung und der Leitung Alltagsbegleitung aus beiden Pflegeheimen. Es ging dabei um die Motivation und die Hoffnung, die mit dem Projekt verbunden wird, um persönliche Erwartungen an den sozialen Roboter, Chancen und Risiken und um die Einschätzung, wie Mitarbeitende, Kunden und Angehörige die Innovation akzeptieren. In der quantitativen Befragung wurden Mitarbeitende aus der Pflege und Alltagsbegleitung anhand eines Fragebogens zu ihren Erwartungen befragt. Dabei ging es um die allgemeine Technikbereitschaft, um die Akzeptanz sozialer Robotik, um Wünsche und Befürchtungen.
Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Offenheit und positive Erwartungshaltung gegenüber sozialer Robotik, sowohl bei den Führungskräften als auch bei den Mitarbeitenden. Mehr als die Hälfte der Befragten steht der Technik offen gegenüber, jede zweite Person glaubt, dass soziale Robotik in der Pflege an Bedeutung gewinnen wird und somit auch den Pflegeberuf attraktiver machen kann. Ein Drittel der Befragten ist der Überzeugung, dass Navel bei den Bewohnerinnen und Bewohner positive Gefühle auslösen wird. Unter den besonders technikbereiten Mitarbeitenden ist die Aufgeschlossenheit gegenüber Navel höher. Und auch Männer haben tendenziell eine höhere Offenheit als Frauen. Das Alter dagegen scheint keinen nennenswerten Einfluss auf die Einstellung zur Robotik zu haben.
Mitarbeitende können selbst an der Weiterentwicklung der KI mitwirken
Besonders spannend: Drei von vier Mitarbeitenden haben keine Befürchtungen, dass soziale Roboter wie Navel den Menschen in der Pflege ersetzen. Insgesamt zeigt die Studie eine hohe Neugierde und Offenheit gegenüber sozialer Robotik, auch wenn es in Detailfragen Unsicherheiten gibt. Den Nutzen erwarten die Befragten eher im Bereich Spaß und Unterhaltung und weniger in der Entlastung der Mitarbeitenden.
„Das deckt sich mit unseren Vermutungen, denn wir setzen Navel in erster Linie ein, um die Lebensqualität von Menschen zu erhöhen“, erklärt Judith Schoch. Dass er Mitarbeitende ersetzt, war nicht Ziel der Heimstiftung und auch nicht der Grund, warum Navel entwickelt worden ist. „Wir erhoffen uns aber, dass der Einsatz von Navel deutlich macht, wie innovativ und außergewöhnlich der Pflegeberuf ist“, sagt Judith Schoch, „man kann miterleben, wie soziale Robotik und KI funktioniert und man kann selbst dabei mitwirken, sie weiterzuentwickeln. Und zwar hautnah und mit anderen Menschen zusammen – da gibt es nicht so viele Berufe, in denen das möglich ist“, ist der Hauptgeschäftsführer überzeugt.
Ob sich die Ergebnisse der Vorstudie verifizieren lassen, wird der Praxistest zeigen. Seit Januar ist Navel in der Mannheimer EHS-Einrichtung täglich im Einsatz – die beiden Patinnen probieren unterschiedliche Settings aus, wann und wie Navel mit den Bewohnerinnen und Bewohnern kommunizieren und interagieren kann. Übrigens: Der Mannheimer Navel wurde von den Mitarbeitenden „Oskar“ getauft – und als neuer Kollege willkommen geheißen.
Zu Navel
Navel ist ein sozialer Roboter. Er ist innovativ und nutzt die Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz. Er kann mit Menschen interagieren, deutet Gesichter, Stimme oder Bewegungen und reagiert. Mit der Zeit kann sich Navel Menschen merken, Gespräche führen und Witze erzählen. Weitere Infos zum Einsatz von Navel bei der Heimstiftung sind hier: https://www.ev-heimstiftung.de/innovationen/navel