Kommentar - Der verzweifelte Minister

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will mehr Schutz für Pflegeheime und fordert von den Heimträgern, FFP2-Masken und Testpflicht per Hausrecht durchzusetzen. Offensichtlich herrscht im BMG Verzweiflung und Realitätsverlust. Der Minister kann die wichtigsten Schutzmaßnahmen politisch nicht durchsetzen und schiebt nun den Pflegeheimen die Verantwortung zu.

Ein Kommentar von Bernhard Schneider

Am Dienstag werden die kostenlosen Bürgertests abgeschafft und am Donnerstag werden die Pflegeheime aufgefordert, verpflichtende Tests per Hausrecht durchzusetzen. Die Maskenpflicht ist fast überall gefallen, ein Pflegeheim soll man aber nur mit FFP2-Maske betreten dürfen und die Pflegekräfte sollen dafür sorgen. Wie soll das gehen? Die Heime abschließen und Zutrittskontrollen einführen? Besuche ohne FFP2-Maske verbieten? Zimmerkontrollen durchführen, um zu prüfen, ob Angehörige die Maske auch aufbehalten? Das zeugt von Realitätsverlust.

Pflegeheime lassen sich nicht abschotten. Die Käseglocke funktioniert nicht. Wenn die Inzidenz in der Bevölkerung steigt, findet das Virus findet seinen Weg. Solange in der Öffentlichkeit ohne Maske gefeiert wird, hilft die FFP2-Maskenpflicht im Pflegeheim nur wenig. Solange Besucher, vom Angehörigen bis zum Arzt, vom Friseur bis zum Physiotherapeuten, nicht geimpft sein müssen, sorgt die Impfplicht für Pflegekräfte nur für Frust. Solange sich auch Heimbewohner nicht impfen lassen müssen, verpuffen die Apelle des Ministers, doch bitte für die 4. Impfung zu sorgen.

Das Infektionsschutzgesetz läuft aus und der Glaube daran, dass es mit wirkungsvollen Schutzmaßnahmen verlängert wird, scheint im Lichte des heute veröffentlichten Evaluationsberichts zu schwinden. Politische Mehrheiten für eine allgemeine Impfpflicht sind trotz Sommerwelle und angekündigter Herbstwelle nicht in Sicht. Wie groß muss im BMG die Verzweiflung sein, wenn in dieser Situation nur noch das Hausrecht der Heime helfen kann?

Kann es sein, dass ein anderer Plan dahintersteckt? Die Politik versagt beim Schutz der Pflegeheime und schiebt ihnen gleichzeitig die Verantwortung zu? Denn kommt es wieder zu Ausbrüchen und Todesfällen, dann wäre der Schuldige schnell gefunden, wenn der Heimleiter das Hausrecht nicht durchgesetzt oder den Hygienebeauftragten zu spät berufen hat.

Nein, das kann eigentlich nicht sein. Wir glauben in der Diakonie an das Gute im Menschen – und das gilt, trotz aller Verzweiflung, auch für den Bundesgesundheitsminister.