Kostenexplosion im Pflegeheim: 4.000 Euro Eigenanteil

Heimstiftung fordert sofortiges Entlastungspaket für Heimbewohner

Gravierende, inflationsbedingte Tariferhöhungen, rasant steigende Energiekosten, deutlich höhere Lebensmittelkosten: Der Ukrainekrieg befeuert auch die Eigenanteile in den Pflegeheimen. Bald werden Heimbewohner 4.000 Euro und mehr im Monat selbst bezahlen müssen. Die Heimstiftung fordert deshalb ein sofortiges Entlastungspaket: eine Begrenzung der pflegebedingten Eigenanteile durch den Bund und ein monatliches Pflegewohngeld vom Land für jeden Heimbewohner.

„Familien, Rentner, Studierende, Geringverdiener: für alle soll es Entlastungspakete geben“, sagt Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung, „doch die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen hat niemand auf dem Schirm, auch nicht der zuständige Minister Lauterbach“. Dabei trifft es die Pflege in den kommenden Monaten besonders hart. Die Heimstiftung hat es, wie alle anderen Pflegeheime auch, derzeit mit exorbitant steigenden Kosten zu tun, vor allem für Gas, Strom und Lebensmittel. Und die Inflation treibt zusätzlich die Personalkosten ungebremst in die Höhe.

In den 100 Pflegeheimen der Evangelischen Heimstiftung in Baden-Württemberg liegt der Eigenanteil derzeit im Durchschnitt bei rund 3.300 im Monat. In der Spitze sind es bereits jetzt 3.700 Euro und mehr, weil die Heimstiftung hohe Personalschlüssel hat und Tariflöhne bezahlt. Für 2023 rechnet man mit einer Personalkostensteigerung von acht Prozent, bei den Energiekosten von 35 Prozent und bei Lebensmitteln um 15 Prozent. Dadurch erhöhen sich die Eigenanteile im Schnitt um 300 Euro auf durchschnittlich 3.600 Euro im Monat.

Viele Einrichtungen werden sogar die Schallmauer von 4.000 Euro überschreiten. „Wenn man sich vorstellt, dass darin rund 2.000 Euro pflegebedingte Kosten sind, die eigentlich die Pflegekasse zahlen müsste, wird einem ganz schwindelig“, sagt Schneider. Und: In diesen Kosten sind die Steigerungen noch nicht enthalten, die durch das neue Personalbemessungs-system ab 2023 auf alle Heime zukommen. Es besteht also dringender Handlungsbedarf.

Die Heimstiftung stemmt sich mit Einsparmaßnahmen gegen die Kostenlawine, indem Mitarbeitende zum Beispiel für das Thema Energiesparen sensibilisiert werden oder mit Lieferpartnern noch einmal verhandelt wird. Der Effekt bleibt aber überschaubar, denn bei über 70 Prozent Personalkosten kann es keine Kürzungen geben. „Gute Pflege braucht Zeit und gute Arbeit will fair entlohnt werden“, sagt Schneider.

Pflegeentlastungspaket muss Eigenanteile reduzieren und begrenzen

„Es gibt längst eine massive Pflegekrise, weil sich viele Menschen gute Pflege nicht mehr leisten können“, stellt Schneider fest. „Dramatisch finde ich es, dass es eine Krise mit Ansage ist. Denn die Entwicklung der Eigenanteile war vorhersehbar“. Auch wenn die Kosten jetzt durch den Ukrainekrieg früher explodieren als gedacht, hätte man mit wirkungsvollen Maßnahmen schon früher gegensteuern können. Vorschläge liegen etwa mit dem Rothgang-Gutachten zur Reform der Pflegeversicherung schon seit fünf Jahren auf dem Tisch.

Langfristig braucht es die darin beschriebene, grundlegende Finanz- und Strukturreform der Pflegeversicherung. Aber jetzt ist kurzfristig ein Entlastungspaket für Pflegeheimbewohner gefordert, das aus zwei Bausteinen besteht:

  • Erstens: Der Bund muss mit einem Pflegeentlastungsgesetz unverzüglich den seit Jahren geforderten Sockel-Spitze-Tausch umsetzen. Das bedeutet, dass die pflegebedingten Eigenanteile auf einen fixen Betrag begrenzt und gedeckelt werden. Damit die Pflegekassen in der Lage sind, die Mehrkosten dafür zu tragen, muss ein steuerfinanziertes Sofortprogramm aufgelegt werden.
  • Zweitens: Die Länder müssen gesetzlich verpflichtet werden, ihren Teil zur Entlastung der Heimbewohner beizutragen, indem sie im Sinne eines Investitionszuschusses pauschal an alle Heimbewohner zum Beispiel ein monatliches Pflegewohngeld auszahlen.

Mit diesen beiden Bausteinen muss es gelingen, die Eigenanteile um mindestens 1.000 Euro zu reduzieren und auf einen fixen Betrag einzufrieden. „3.000 Euro monatlich ist immer noch sehr viel Geld, das sich viele nicht leisten können, aber es entlastet die Menschen spürbar und schafft der Politik Zeit für die dringend notwendige, große Pflegereform“, sagt Schneider.