Lucha zeigt Weitsicht

Kommentar von Bernhard Schneider

Mit einem Brief an den Bundesgesundheitsminister mahnt unser Minister Lucha einen Strategiewechsel in der Coronapolitik an. Er beschreibt den Übergang von der Pandemie in die Endemie und begründet ihn ausführlich mit Daten aus den Gesundheitsämtern, die wertvolle Zeit mit sinnlosen Eingaben von überflüssigen Tests vergeuden. Lucha macht in sehr verantwortlicher Weise Vorschläge, wie dem Gesundheitsschutz in einer endmischen Lage eher Rechnung getragen werden kann, als dies momentan der Fall ist. Und er zeigt auf, dass das aktuelle „Immer mehr vom immer Gleichen“ Unmengen an Ressourcen verschlingt, die weitaus effektiver zum Einsatz kommen könnten.

Mit seinem Brief beweist der Sozialminister Weitsicht, die unserem orientierungslosen Bundesgesundheitsminister offensichtlich fehlt. Lauterbach irrlichtert zwischen der Aufhebung des Infektionsschutzgesetztes und emotionalen Appellen an die Impfpflicht, ohne jedoch eine Regierungsmehrheit dafür zu organisieren. Man mag nicht mehr viel geben auf die Botschaften aus Berlin, die ein Ende der fünften Welle für Anfang März in Aussicht gestellt haben, während wir jetzt mitten in der sechsten Welle stehen. Wer traut einer Bundesregierung, die im Dezember eine einrichtungsbezogene Impfflicht beschließt und die für März versprochene allgemeine Impfpflicht nicht auf die Reihe bekommt? Wie soll man den erzwungenen Exodus tausender nicht geimpfter Pflegekräfte verstehen, wenn gleichzeitig Bewohner, Patienten und Besucher ungeimpft und ungetestet in die Einrichtungen kommen dürfen? Wer kann volle Restaurants, Bars, Geschäfte und Stadien mit ungeimpften Menschen erklären, wenn gleichzeitig alte, pflegebedürftige Menschen in Zimmerquarantäne geschickt werden?

Es muss natürlich weiterhin alles für die allgemeine Impflicht getan werden. Gleichzeitig muss aber auch über einen Strategiewechsel mit Schritten in die endemische Lage diskutiert werden. Diesen Anstoß gibt Minister Lucha und macht konkrete Vorschläge, indem anlasslose Tests und auch die Absonderungspflichten für positiv Getestete und deren Kontaktpersonen wegfallen sollen. Gleichzeitig müssen Schutzkonzepte und Hygienekonzepte greifen, die es auch positiv getesteten Beschäftigten erlauben zu arbeiten, wenn sie sich nicht krank fühlen. Es ist also Zeit für mehr Eigenverantwortung, die allen Menschen, aber vor allem den Pflegekräften, wieder zugesprochen werden muss.

Unser Sozialminister zeigt also, wie vorausschauende Politik gehen kann, was in der Pandemie oft gefehlt hat. Was aber passiert? Er wird aus der Staatskanzlei zurückgepfiffen. Da fällt einem nur noch ein, dass es Winfried Kretschmann ist, der zurückgepfiffen werden müsste. Diesmal ist es ganz sicher nicht unser geschätzter Ministerpräsident, der mit seinen grantigen Schimpftiraden nach Berlin auf Kollisionskurs ist. Den brauchen wir in der jetzigen Zeit aber gerade nicht, sondern fundierte Lösungen und etwas mehr Mut und Weitsicht von der Luchaschen Sorte.

Zum Autor
Bernhard Schneider ist Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung.