Die Heimstiftung erzielt mit neuer Risikobewertung Durchbruch vor der Schiedsstelle
Die SGB XI-Schiedsstelle in Baden-Württemberg hat am 6. Mai 2024 für ein Pflegeheim der Evangelischen Heimstiftung entschieden, den Risikozuschlag auf 2,75 Prozent zu erhöhen. Damit anerkennt die Schiedsstelle, dass die seit 10 Jahren geltende Risikobewertung für Pflegeheime mit 1,5 Prozent der aktuellen Situation nicht mehr gerecht wird.
Auf der Grundlage des BSG Urteils vom 19. April 2023 zum Risiko-/Gewinnzuschlag in der Pflege und dessen Auswirkungen auf Pflegesatz- und Schiedsstellenverfahren hat die Evangelische Heimstiftung in einem Musterverfahren eine Neubewertung der Risiken für Pflegeheime und damit einen höheren Gewinnaufschlag geltend gemacht. Insbesondere der Personal- und Fachkräftemangel sowie Pandemien können zu kurzfristigen Belegungsrisiken führen. Die sind ebenso wenig im Pflegesatz abgedeckt, wie Risiken, die durch Krisenlagen mit kurzfristig und sprunghaft steigenden Kosten entstehen. Hinzu kommen Risiken unter anderem durch höhere Forderungsausfälle aber auch nicht refinanzierte Kosten für Digitalisierung und Innovationen.
Die Schiedsstelle hat anerkannt, dass diese allgemeinen Unternehmerrisiken im Sinne des BSG Urteils als Wagnisse zu werten und mit einem entsprechenden Risiko-/Gewinnzuschlag auszugleichen sind.
Das Ergebnis ist ein Meilenstein für Pflegeheime in Baden-Württemberg, weil es damit im Vergleich zum Jahr 2015 eine neue Bewertung von Risiken für die Träger von Pflegeeinrichtungen gibt. Da diese Risiken aus Sicht der Schiedsstelle mit der Größe der Einrichtung variieren können und insbesondere kleine Einrichtungen einem höheren Risiko ausgesetzt sind, wurde der Risikozuschlag auf die Pflegesätze und das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung abhängig von der Größe der Einrichtung differenziert:
• 2,75 Prozent bei Einrichtungen bis einschließlich 45 Plätze
• 2,5 Prozent bei Einrichtungen mit 46 bis einschließlich 60 Plätze
• 2,25 Prozent bei Einrichtungen mit mehr als 60 Plätzen
Die Schiedsstelle hat bei ihrer Entscheidung auf das bereits bisher in Baden-Württemberg bewährte zweistufige Verfahren gesetzt.
Demnach wird bei einer Auslastungsquote von 96,5 Prozent die pauschale Betrachtung des Unternehmerrisikos mit dem Gewinnaufschlag berücksichtigt, der allein von der Einrichtungsgröße abhängig ist. Die Entscheidung, ob solch ein Zuschlag geltend gemacht wird, liegt bei der Einrichtung. Kann sie nachvollziehbar begründen, dass in der prospektiven Vergütungsperiode die Auslastung unter 96,5 Prozent liegen wird, ist ein weiterer Zuschlag in Höhe von bis zu 1 Prozent möglich.
Es handelt sich um einen Schiedsspruch, der mehrheitlich gegen die Stimmen der Kostenträger getroffen wurde. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass der Schiedsspruch beklagt wird. Für das geführte Verfahren hätte solch eine Klage allerdings keine aufschiebende Wirkung. Für die Praxis dürfte dies bedeuten, dass die Umsetzung des Schiedsspruchs bei Verhandlungen auf Ortsebene von den Kostenträgern abgelehnt werden. Dann hilft den Einrichtungen nur der Weg zu Schiedsstelle.
Für die Evangelische Heimstiftung ist die Schiedsstellenentscheidung wegweisend und kommt zum richtigen Zeitpunkt, auch wenn die ursprüngliche Forderung von 4 Prozent nicht realisiert werden konnte. „Trotzdem ist das ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider, „in Krisenzeiten müssen Unternehmen resilienter werden. Dazu braucht es eine angemessene Gewinnmöglichkeit, die wir als gemeinnütziger Träger zu 100 Prozent wieder unserem Unternehmen zukommen lassen“.