Von der Coronakrise ins Coronachaos - Pflegekräfte müssen Versäumnisse der Politik ausbaden

Steigende Inzidenzen, volle Intensivstationen, strenge Regeln für alle – die Coronalage verschärft sich rapide. Die Politik hat es versäumt, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, aus Angst vor unbeliebten Entscheidungen. Nun bekommen Pflegekräfte die Rechnung dafür. Auf sie überträgt der Gesetzgeber weitreichende Kontroll- und Testpflichten, während die Politik neue, unwirksame, dafür aber aufwändige Regelwerke erlässt. Eine erneute Prämie wird das nicht wiedergutmachen können.

Ein Kommentar von Bernhard Schneider

Die Anzahl der Neuinfektionen erreicht täglich neue Höchstwerte. Die Versäumnisse, die dazu geführt haben, sind schnell genannt: Es war falsch, die Impfzentren zu schließen. Es war kurzsichtig, so spät mit dem Boostern anzufangen. Es war ein Fehler, eine Impfpflicht auszuschließen und man hätte früher mit Kontaktbeschränkungen für nichtgeimpfte Personen auf die steigenden Inzidenzen reagieren müssen. Besonders ärgerlich: Man hätte es besser wissen müssen, denn an Hinweisen und Vorschlägen hat es nicht gefehlt.

Jetzt stehen wir wieder mitten in der Coronakrise, die angesichts der völlig unübersichtlichen Rechtslage und ständig neuer Regelungen getrost als Coronachaos bezeichnet werden kann. Zur Eindämmung des Infektionsgeschehens hat der Bundesrat das „Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ verabschiedet. Es gibt auch eine neue Corona-Verordnung und in den nächsten Wochen sicher weitere, neue Auflagen.

Dieses Coronachaos müssen jetzt wieder diejenigen ausbaden, die sich haben impfen und in den letzten Monaten alles richtiggemacht haben. Was den Pflegekräften und Mitarbeitenden in Pflegeheimen und Intensivstationen zugemutet wird, weil die Bundes- und Landespolitik Fehlentscheidungen getroffen haben, ist kaum zu ertragen; genauso wenig wie das Regelungschaos zwischen Bund und Länder.

Nun müssen alle Pflegeheime binnen weniger Tage Test- und Kontrollposten aufbauen, jeden Gast einzeln kontrollieren und im besten Fall noch testen. Sie sollen Angehörigen das komplexe und sich ständig ändernde Regelwerk erklären, das sowieso keiner mehr versteht. Und sie sollen dem aufkommenden Frust vieler Menschen standhalten, die sich zurecht fragen, wann das alles endlich ein Ende hat.

Natürlich ist das alles notwendig, um die Schwächsten in unserer Gesellschaft zu schützen. Aber wie konnte es soweit kommen? Das Chaos war mit Ansage und die Ausrede, man hat es nicht besser gewusst, gilt nach 20 Monaten Pandemie und in der 4. Coronawelle nun wirklich nicht mehr.

Doch wenn uns Pflegende etwas gezeigt haben in dieser Pandemie, dann das: Jammern hilft nichts und wir werden einmal mehr alle Kraftreserven mobilisieren und gemeinsam alles tun, um alle noch so harten Maßnahmen umzusetzen und das Virus aus unseren Einrichtungen herauszuhalten. Vielleicht nimmt sich die Politik ein Beispiel daran und wagt endlich die notwendigen Schritte, um uns aus dieser Pandemie zu bringen: Impfpflicht und genügend Impfangebote für alle, so lange, bis auch die letzte Coronawelle endgültig gebrochen ist.