Ausgabe 1/2018
Standpunkt Die Politik weigert sich, die Probleme wahrzunehmen In dieser dramatischen Situation legt der Landes- sozialminister Eckpunkte eines „Landespflege- strukturgesetzes“ vor, das über leere Worthülsen nicht hinauskommt: „So viel unverbindliches Wischi-Waschi habe ich bei der Ankündigung eines Gesetzes noch nicht gelesen“, zeigt sich Schneider verärgert. „Der Minister beschreibt Handlungsbedarf und formuliert wohlfeile Ziele, die so unklar sind, dass er auch nicht sagen muss, wie er sie erreichen will. Selbst bei der Analyse springt er zu kurz und deshalb wundert es nicht, wenn die Maßnahmen nicht über unverbindliche Ankündigungen wie Digitalisierung, sektorenü- bergreifende Zusammenarbeit oder Pflegekonfe- renzen und Modellkommunen hinauskommen. Dieses Gesetz verhöhnt die Pflegebedürftigen und die Pflegenden gleichermaßen, weil ihre Probleme nicht ernst genommen werden“, sagt Schneider weiter. Die Pflege braucht mehr als Absichts- erklärungen Die Evangelische Heimstiftung fordert deshalb ein „Pflegeinfrastruktur-Förderprogramm“ mit mindestens 100 Millionen Euro jährlich. Die Länder sind gesetzlich verpflichtet, für „die Vor- haltung einer zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen, pflegerischen Versorgungsstruk- tur“ zu sorgen. „Diesen Auftrag soll unser reiches Bundesland endlich ernst nehmen“, fordert Schneider. In Baden-Württemberg wurde das Pflegeheimförderprogramm 2010 abgeschafft. Seitdem engagiert sich die Sozialpolitik nicht mehr für die pflegerische Infrastruktur: „Der Sozialminister versichert zwar immer wieder, wie wichtig die Pflege angeblich ist, aber wenn es ans Geld geht, dann bleibt die Kasse der Finanzmini- sterin zu“, kritisiert Schneider. Die Verantwortung für eine ausreichende und zukunftsfähige Pflege- infrastruktur darf nicht allein den Pflegeunter- nehmen und den Pflegebedürftigen zugeschoben werden, die das alles letztlich bezahlen müssen. Das ist ungerecht und es entspricht auch in keiner Weise einer verantwortlichen Pflegepolitik. Es bedarf also endlich eines mutigen Investitions- programms, das sich zum Ziel setzt, eine quar- tiersbezogene, zukunftsfähige und moderne Pflegeinfrastruktur in Baden-Württemberg zu schaffen, die für Angehörige und Pflegebedürftige bezahlbar ist. Über ein solches Förderprogramm kann gewährleistet werden, dass neue, wohnort- nahe Einrichtungen der fünften Generation oder Betreute Wohnungen mit flexiblen Leistungsan- geboten entstehen, deren Größe und Ausgestal- tung sich am örtlichen Bedarf und den Rahmen- bedingungen des Quartiers orientieren. Auch der Ausbau von neuen Wohnformen kann über eine entsprechend hohe Förderquote beschleunigt werden. Jede Betreute Wohnung für Senioren entlastet den Wohnungsmarkt und macht Wohn- raum frei für junge Familien. Die Investitionsförderung führt zudem zu einer Reduzierung der Heimentgelte in geförderten Ein- richtungen und damit auch zu einer spürbaren Entlastung von Bewohnern und Angehörigen. „Die grün-schwarze Landesregierung ist mit dem An- spruch einer Politik des Gehörtwerdens angetreten. Es ist an der Zeit,“ fordert Schneider, „dass dieses Versprechen eingelöst wird, die Politik mit den Betroffenen spricht, die Probleme in der Pflege ernst nimmt und endlich eine Pflegepolitik gestaltet, mit der sie ihrer Verantwortung gerecht wird“. „Aus der Heimstiftung“ 1/2018 7
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