Mehrwert. — Weil sich Weitblick immer auszahlt Gute Pflege 1 | 2023 Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung
2 | Gute Pflege | 1_2023 | Pflege und Finanzierung 4 | Bezahlt. So viel kostet ein Pflegeplatz Pro-Pflegereform 10 | 5 Millionen. Warten auf die Pflegereform Pflege und Finanzierung 12 | Gefragt. Neu im Team Personalien 15 | Neue Führungskräfte EHS-Familie 16 | Zeitwertsparbuch. Geld ist Zeit Kommentar – (E)InSicht 18 | Schluss mit der Leiharbeit. Bauen 19 | Unsere aktuellen Projekte Grüne Pflege 20 | Nachhaltig & Miteinander. Gemeinsam für eine gute Zukunft Pflege im Fokus 22 | In Gemeinschaft. Das Wohngruppenkonzept der EHS 30 | Miteinander. Im Freundeskreis für die Pflege Bei uns 34 | myo-App 22 30 Impressum Verantwortlich: Bernhard Schneider Redaktion: Ann-Christin Kulick Telefon 0711 63676-125 redaktion@ev-heimstiftung.de Nicht gekennzeichnete Artikel sind von der Redaktion verfasst. Anschrift Redaktion Gute Pflege. Hackstraße 12, 70190 Stuttgart Gestaltung: AmedickSommer GmbH, Stuttgart Fotos: alle Fotos Evangelische Heimstiftung mit Ausnahme von: – Adobe Stock: S. 1, 3 Thomas Mørkeberg; S. 2 (o.l./M), 4, 6, 9, 22, 24, 27 Robert Kneschke; S. 20 Igor Stevanovic; S. 21 (o.) Marc Chesneau; S. 21 (l.) NaMong Productions; S. 25, 29 Drazen Zigic 04 – Pexels: S. 34 Andrea Piacquadio – Lutz Härer: S. 18 Produktion und Druck: Offizin Scheufele, Druck und Medien GmbH + Co.KG Nachdruck und elektronische Verwendung nur mit schriftlicher Genehmigung. „Gute Pflege. Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung“ erscheint dreimal jährlich. Auflage: 15.500 Herausgeber: Evangelische Heimstiftung GmbH www.ev-heimstiftung.de Der Bezugspreis ist durch den Beitrag abgegolten. Im Magazin werden, soweit möglich, neutrale, alle Geschlechter einschließende Begriffe verwendet – oberstes Gebot bleibt jedoch die Verständlichkeit der Sprache. Bezahlt. — So viel kostet ein Pflegeplatz
| Gute Pflege | 1_2023 | 3 Mehrwert. — Weil sich Weitblick immer auszahlt Gute Pflege 1 | 2023 Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung 34 Gute Pflege. Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung. Liebe Leserinnen, liebe Leser, gute Pflege wird immer teurer. Mehr und mehr Menschen können die steigenden Eigenanteile nicht mehr bezahlen. Warum ist das so? Woher kommen diese Preise, wieso steigen die Eigenanteile immer noch weiter und was müsste die Politik tun, um das zu verhindern? Diese Fragen beantworten wir in unserem Schwerpunkt 1 zur Finanzierung der Pflege und den Forderungen der Initiative Pro-Pflegereform. Außerdem stellen wir Florian Schaaf vor, den neuen Geschäftsbereichsleiter Wirtschaft und Finanzen. „Mehrwert – Weil sich Weitsicht immer auszahlt“ ist der Titel der Ausgabe. Weitsicht – die brauchen wir in vielerlei Hinsicht. Ob es um die Reform der Pflegeversicherung geht oder die Einführung unseres Wohngruppenkonzepts. Doch das Engagement hat sich ausgezahlt – das zeigen die Ergebnisse des Audits sieben Jahre nach der Einführung; es war die Mühe wert. Außerdem in dieser Ausgabe: Der Freundeskreis der Heimstiftung unterstützt mit Spenden Projekte, die die Gemeinschaft in den Einrichtungen fördern. Und: Wir stellen euch unser Zeitwertsparbuch vor und Ideen zum nachhaltigen Miteinander in der Pflege – aber auch im ganz persönlichen Umfeld. Viele Freude beim Lesen dieser Ausgabe. Eure Gute-Pflege-Redaktion
4 | Gute Pflege | 1_2023 | Bezahlt. — So viel kostet ein Pflegeplatz Pflege und Finanzierung
| Gute Pflege | 1_2023 | 5 „ Wir wissen darum, dass jede Pflegesatzerhöhung von unseren Bewohnern getragen wird und erachten es als ungerecht, wenn Pflegebedürftige und Angehörige alleine für die Kostensteigerungen aufkommen müssen.“ Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung Wer in einem Pflegeheim lebt, muss derzeit mehr als 3.000 Euro aus der eigenen Tasche bezahlen. Ist gute Pflege teuer? Oder bezahlt die Pflege- versicherung zu wenig? Wie entstehen diese Kosten, wer bezahlt für was – und was ist gute Pflege wirklich wert? Ein Blick hinter die Kulissen. Die Evangelische Heimstiftung ist gemeinnützig. Jeder verdiente Euro fließt ins Unternehmen zurück. Es gibt keine Investoren, deren Interessen bedient werden müssen. Dennoch sind die Preise für einen Pflegeheimplatz bei der Heimstiftung hoch. Nicht, weil gute Pflege teuer ist – sondern weil die Pflegeversicherung nur einen Teil der Rechnung übernimmt. Den Rest muss die Bewohnerin oder der Bewohner zahlen. Um diese komplizierte Rechnung zu verstehen, muss unterschieden werden: zwischen den Kosten, die für einen Pflegeplatz entstehen; den Preisen, die daraus resultieren; den Kosten, die die Kundinnen und Kunden schlussendlich bezahlen müssen und was davon die Pflegekasse übernimmt. Die Bestandteile dieser Rechnung sind im- mer die fünf gleichen: Pflegerische Versorgung, Ausbildungsumlage, Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten. Was verbirgt sich dahinter? Ein genauerer Blick auf die Leistungen: > > >
6 | Gute Pflege | 1_2023 | Pflege und Finanzierung Pflegerische Versorgung Die Pflegerische Versorgung enthält die Grund- und Behandlungspflege sowie Betreuung und hauswirtschaftliche Tätigkeiten. 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche ist damit die Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner im Pflegeheim sichergestellt. Dazu zählen unter anderem die Hilfe bei Körperpflege, Ernährung, Mobilität und persönlicher Lebensführung, aber auch soziale Betreuung und medizinische Behandlungspflege sowie anteilige Betriebs- und Verwaltungskosten. Der Landesrahmenvertrag Baden-Württemberg stellt dabei mit seinen Regelungen die Qualität und Wirtschaftlichkeit der pflegerischen Versorgung sicher. Geregelt werden neben der personellen Ausstattung auch Inhalte und Bedingungen für Pflegeleistungen. Gesetzliche Grundlage hierfür ist § 75 SGB XI. „In der Heimstiftung wollen wir die beste Pflege und Betreuung anbieten und setzen deshalb zum Beispiel auch die höchsten Personalschlüssel um. Das bedeutet, > > > dass eine Pflegekraft in Vollzeit pro zwei Bewohnerinnen und Bewohner eingestellt wird. Es gibt an dieser Stelle etwas Spielraum. Der Personalschlüssel kann variieren: Ob man den minimal notwendigen und maximal möglichen Personalschlüssel anwendet, macht einen Unterschied von fast einemDrittel an Personalmenge – und damit natürlich auch im Preis“, erklärt Thomas Malisi, Leiter des Referats Pflegesätze. Denn die Personalkosten machen etwa 85 Prozent des Preises für die pflegerische Versorgung aus. „Wir wollen aber die bestmögliche Qualität von Pflege und Betreuung und das ist unserer Ansicht nach auch nur mit den besten Personalschlüsseln möglich.“ Ausbildungsumlage Seit Einführung der generalistischen Pflegeausbildung wird außerdem die Ausbildungsumlage fällig. Alle ausbildenden und auch nicht ausbildenden Einrichtungen zahlen monatliche Beträge in diesen Fond des Landes Baden-Württemberg ein und erhalten für ihre Auszubildenden eine
| Gute Pflege | 1_2023 | 7 > > > „ Wir setzen für bestmögliche Pflege und Betreuung den höchst möglichen Personalschlüssel um.“ Thomas Malisi, Leitung Referat Pflegesätze Personalschlüssel Der Personalschlüssel legt fest, wie viele Bewoh- nerinnen und Bewohner im Durchschnitt einer Pflegekraft zugeordnet sind. * Durchschnittswerte Personalschlüssel abhängig von der jeweiligen Bewohnerstruktur und den Pflegegraden in einer Einrichtung. 5 Pflegekräfte EHS* 3,8 Pflegekräfte minimal 10 Bewohner entsprechende Zahlung zurück. Während die Ausbildungskosten im Krankenhaus von der Krankenversicherung übernommen werden, müssen Pflegebedürftige den Beitrag aus eigener Tasche zahlen. Unterkunft Ein weiterer Leistungsbereich im Pflegeheim ist die Unterkunft. Wer imPflegeheim lebt, bekommt einen Rundum-Service von Möblierung, über Reinigung, Wäsche, bis hin zu Betriebsverwaltung, Energieaufwand, Wasserver- und -entsorgung sowie Abfall, Steuern, Abgaben und Versicherungsbeiträgen. Verpflegung Auch die Verpflegung mit fünf Mahlzeiten am Tag, inklusive Menüauswahl am Mittag sowie Snacks und Getränken, ist an sieben Tagen in der Woche sichergestellt. Die Speisen sind ausgewogen und frisch zubereitet. Es entstehen dabei Kosten für den Einkauf von Lebensmitteln sowie Personalkosten für die Zubereitung und den Service. Investitionskosten Der fünfte Baustein sind die Investitionskosten: Sie dienen zur Refinanzierung der Baukosten, die durch Zinsen, Abschreibungen, Instandhaltung oder Miete für das Gebäude entstehen. Der so genannte Investitionskostensatz wird im Land Baden-Württemberg beim Bau einer Einrichtung einmalig festgelegt. Nur bei wesentlichen Änderungen, wie etwa einer Platzzahlanpassung oder einer Generalsanierung, erfolgt eine Neuberechnung. Bei Mietobjekten erfolgt auch bei Mietanpassungen eine Änderung des Investitionskostensatzes. Welche Kosten entstehen dabei? Aus diesen fünf Bestandteilen setzen sich die Kosten zusammen, die dem Pflegeheimbetreiber pro Pflegeplatz entstehen. „Diese dürfen wir jedoch nicht ohneWeiteres an die Bewohnerinnen und Bewohner weitergeben“, sagt Thomas Malisi. In der Pflegesatzverhandlung werden sie von den Pflegekassen und Sozialhilfeträgern einer umfassenden Prüfung unterzogen. „So wird sichergestellt, dass nur Kosten, die auch wirklich entstehen, refinanziert und damit später auch in Rechnung gestellt werden können. In einem aufwändigen Verfahren, das auch der Zustimmung der Heimbeiräte bedarf, wird die Kostenforderung geprüft und die jeweilige Erhöhung des Pflegesatzes für jede einzelne Einrichtung verhandelt. Der Pflegesatz ergibt sich aus der Summe der Aufwendungen für pflegerische Versorgung, Unterkunft und Verpflegung. Veranschlagt werden hier die Kosten, die bei voller Belegung der
8 | Gute Pflege | 1_2023 | Rechenbeispiel für Bewohnerinnen und Bewohner mit dem Pflegegrad 2 (gerundet) in die Weiterentwicklung unserer Pflege und Betreuungsangebote investiert“, bekräftigt Bernhard Schneider. Nur wenn die Kalkulationen nachvollziehbar und begründet und die Kosten(steigerungen) damit gerechtfertigt sind, dürfen diese auch an die Bewohnerinnen und Bewohner weitergegeben werden. Einrichtung zu erwarten sind. „Diese kalkulieren wir auf Basis der Kosten des Vorjahres und berücksichtigen dabei kommende Tarif- und sonstige Kostensteigerungen“, erklärt Thomas Malisi. Inbegriffen ist lediglich ein Risikozuschlag von 1,5 Prozent. „Jeder Euro, der am Ende übrig ist, verbleibt im Unternehmen und wird Pflege und Finanzierung > > > Pflegerische Versorgung Aufwand für Grundpflege, Behandlungspflege und Betreuung, inklusive Personalkosten Zusammensetzung der Pflegeheimkosten Pflegesatz Kosten bei Pflegegrad 2 * Im Beispiel 5% auf Pflegerische Versorgung und Ausbildungsumlage, abzüglich der Leistung der Pflegekasse Unterkunft Betriebskosten, wie z. B. Energiekosten, Wäsche und Reinigung Verpflegung Lebensmittel und Speisenversorgung 80 € Ausbildungsumlage Refinanzierung und Pflegeausbildung Investitionskosten Refinanzierung von Bau /Miete und Instandhaltung der Einrichtung 20 € 16 € 4 € 25 € Kosten die insgesamt für einen Pflegeplatz entstehen 145 € Leistung der Pflegekasse für einen Pflegeplatz Leistungszuschlag* in Abhängigkeit von Pflegegrad und Aufenthaltsdauer -88 € Eigenanteil der von Bewohnerinnen und Bewohnern selbst zu bezahlen ist 3.493 € Pro Tag Pro Monat 2.400 € 600 € 480 € 120 € 750 € 4.350 € -770 €
| Gute Pflege | 1_2023 | 9 Wer zahlt am Ende was? Sind 145 Euro pro Tag im Pflegeheim viel? „Im Vergleich zu einem Hotelaufenthalt mit Frühstück, der kaum noch günstiger zu bekommen ist, sicher nicht – wenn man alle Leistungen bedenkt, die darin enthalten sind. Das Problem entsteht, weil diese Leistung im Pflegeheim eben an 30 Tagen im Monat in Anspruch genommen werden und die Pflegeversicherung zu wenig zahlt – sie bezahlt ja nicht einmal die Hälfte der Pflegekosten“, sagt Bernhard Schneider. „Denn ein Großteil des Preises für den Pflegeplatz muss im aktuellen System der Pflegeversicherung von den Bewohnerinnen und Bewohnern oder ihren Angehörigen bezahlt werden. Und somit auch jede Preissteigerung, die sich aus den Pflegesatzverhandlungen ergibt“, erklärt Schneider. Dazu zählen beispielsweise steigende Personalkosten, aber auch höhere Betriebskosten. Die Beiträge der Pflegeversicherung sind abhängig vom Pflegegrad festgelegt. Unabhängig vom tatsächlich in Rechnung gestellten Preis des Pflegeplatzes, erhalten Pflegebedürftige aktuell im Monat Folgendes: • 770 Euro bei Pflegegrad 2 • 1.262 Euro bei Pflegegrad 3 • 1.775 Euro bei Pflegegrad 4 • 2.005 Euro bei Pflegegrad 5 „Alles, was die Politik dem bislang entgegensetzt, ist ein Leistungszuschlag in Abhängigkeit zur Aufenthaltsdauer im Pf legeheim“, sagt Schneider, „aber dieser ist bei Weitem nicht ausreichend.“ Mit steigender Aufenthaltsdauer reduziert sich der Eigenanteil in Bezug auf die pflegebedingten Kosten (und der Ausbildungsumlage) prozentual; aktuell zum Beispiel fünf Prozent bei einem Aufenthalt im Pflegeheim von bis zu zwölf Monaten. Trotz der Leistung der Pflegeversicherung verbleiben den Bewohnerinnen und Bewohnern Eigenanteile von bis zu 4.000 Euro pro Monat. „Die Pflegeversicherung erfüllt damit schon lange nicht mehr ihren ursprünglichen Zweck, nämlich die pflegebedingten Kosten für die Versicherten zu übernehmen. Daran werden auch die angekündigten Erhöhungen 2024 nicht viel ändern. Wir setzen uns für eine grundlegende Reform ein, damit gute Pflege wieder bezahlbar ist.“ Denn das System sollte umgedreht werden. Der Pflegebedürftige bezahlt für die Pflege einen festen Sockelbetrag. Alles, was darüber hinaus geht, die nach oben offene Spitze, übernimmt die Pflegeversicherung. „Dann wird die Versicherung auch endlich wieder ihrem Auftrag gerecht, nämlich das pflegebedingte finanzielle Risiko abzusichern“, sagt Schneider.
10 | Gute Pflege | 1_2023 | Pro-Pflegereform Insgesamt fünf Millionen Pflegebedürftige gibt es in Deutschland. Mit mindestens genauso vielen Angehörigen und 1,25 Millionen Beschäftigten in 31.500 Pflegeeinrichtungen warten sie seit Jahren auf die dringend notwendige Struktur- und Finanzreform der Pflegeversicherung. „Was nach 15 Monaten Regierungskoalition jetzt herausgekommen ist, sorgt für eine doppelte Enttäuschung. Zum einen verweigert der Finanzminister die Übernahme von versicherungsfremden Leistungen und für Corona-Mehrkosten, die von der Allgemeinheit und nicht von den Beitragszahlern getragen werden müssten. Lindner verweigert sich damit nicht nur den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag, sondern greift ungeniert in die Pflegekasse, um die Schuldenbremse einzuhalten. Dass er damit die Pflegeversicherung an den Rand der Zahlungsfähigkeit schiebt, kümmert ihn offensichtlich nicht“, kommentiert Bernhard Schneider. „Zum anderen werden die von Lauterbach im Referentenentwurf angekündigten Verbesserungen wieder viel Arbeit und Bürokratie verursachen, ohne das eigentliche Problem im Kern zu lösen.“ Dabei liegen die Lösungen auf dem Tisch, ausgearbeitet unter anderem von der Initiative Pro-Pflegereform zusammen mit Prof. Dr. Heinz Rothgang. „Das sind mehrere gut durchdachte Bausteine, die sich in ein Reformkonzept fügen, mit dem die Pflegeversicherung zukunftsfähig gemacht werden kann“, sagt Schneider. 5 Millionen. — Warten auf die Pflegereform Gesundheitsminister Lauterbach und Finanzminister Lindner liegen über Kreuz, was die Zukunft der Pflegeversicherung betrifft – zum Leidwesen der Pflegebedürftigen. Mit dem vorliegenden Entwurf eines Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetzes (PUEG) zeigt sich, wer am längeren Hebel sitzt.
| Gute Pflege | 1_2023 | 11 Das Wichtigste: Pflegebedürftige und Angehörige müssen schnell und spürbar finanziell entlastet werden. Das Gutachten von Prof. Rothgang beinhaltet außerdem unterschiedliche zukunftsfähige Finanzierungsbausteine, die in Kombination die Pflegeversicherung auf solide Füße stellen. Gleichzeitig eröffnen sie Spielraum für politische Kompromisse: Steuerzuschuss und Beitragserhöhung Neben dem Steuerzuschuss, der mindestens die versicherungsfremden Leistungen, wie etwa Corona-Mehrausgaben, ausgleichen muss, und einer moderaten Erhöhung des Versicherungsbeitrags gibt es drei weitere Stellschrauben, die einen spürbaren Effekt auf die Einnahmen haben. Zuschuss der Länder „Da ist zunächst ein Zuschuss, den die für die pflegerische Infrastruktur verantwortlichen Länder leisten müssen, umHeimbewohnerinnen und -bewohner bei den hohen Investitionskosten zu entlasten“, erklärt Schneider. Bürgerversicherung Eine vierte, grundlegende Stellschraube ist die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung zu einer Bürgerversicherung. Damit werden alle Bürger und alle Einkommensarten in die Solidargemeinschaft einbezogen. Das aktuelle duale System der Sozialversicherung sieht die Möglichkeit vor, ab einem bestimmten Einkommen eine private Pflegeversicherung abzuschließen und nicht mehr in die gesetzliche Sozialversicherung einzubezahlen. Die Initiative Pro-Pflegereform schlägt vor, dieses System abzuschaffen. Wenn alle, insbesondere auch Vielverdiener, in die Versicherung einbezahlen, steht der Pflegeversicherung mehr Geld zur Verfügung. Es gäbe dann darüber hinaus für alle die Möglichkeit, eine freiwillige Vollversicherung für die Pflegekosten abzuschließen – also eine private Zusatzversicherung als Ergänzung zur gesetzlichen. „Ein Herzensanliegen, das SPD und Grüne verbindet“, findet Schneider. Begrenzung des Eigenanteils Und schließlich der Sockel-Spitze-Tausch, der nicht nur die Eigenanteile der Heimbewohner verlässlich begrenzt. Nach dem Sockel-SpitzeTausch übernimmt die Pflegversicherung künftig alle pflegebedingten Kosten, die über einen fixen Eigenanteil hinausgehen. Alle Verbesserungen (Gehälter, Personalschlüssel usw.) übernimmt dann die Pflegekasse und nicht – wie im aktuellen System – der Versicherte. „Der Sockel-SpitzeTausch macht das finanzielle Risiko bei Pflegebedarf kalkulierbar und eröffnet damit dieMöglichkeit, über eine Absicherung des Eigenanteils die private Vorsorge zu stärken – einHerzensanliegen der FDP. Wenn jeder in der Ampel dem Regierungspartner sein Herzensanliegen gönnt, sind Kompromisse und eine große Pflegereform tatsächlich möglich. Nötig wäre dafür jedoch der politische Wille, die pflegepolitische Lähmung zu überwinden und gemeinsam mit den Betroffenen nach konstruktiven Lösungen zu suchen“, sagt Schneider. „ Mit dem jetzt vorliegenden Referentenentwurf bricht die Regierung ihr Koalitionsversprechen, denn die geplanten Maßnahmen kosten Geld, das die Beitragszahler auf- bringen müssen, ohne dass dadurch auch nur eines der Strukturprobleme der Pflegeversicherung gelöst wird.“ Bernhard Schneider
12 | Gute Pflege | 1_2023 | Pflege und Finanzierung Neu im Team. — Gefragt Erstmal herzlich willkommen! Als ich das Gespräch vorbereitet habe, habe ich mich gefragt: Wie macht man das eigentlich? Wie lernt man ein Unternehmen kennen, dessen Geschäftsbereichsleiter man von heute auf morgen ist? Die Frage habe ich auch vielen meiner Mitarbeitenden, Kolleginnen und Kollegen gestellt. Wie habt ihr die Heimstiftung kennengelernt? Was muss ich wissen, was muss ich sehen? Ich habe im alten Jahr zunächst die Übergangszeit mit meinemVorgänger Ludger Eilers voll ausgenutzt, um mir möglichst viel von seinem enormen Wissen über die Heimstiftung und deren Finanzen anzueignen. Seit Januar liegt mein Fokus mehr auf den mir zugeordneten Referaten, den vielen Menschen dahinter und den Prozessen. Und natürlich auf dem Produkt. Als Quereinsteiger in die Pflegebranche möchte ich unbedingt unser Kerngeschäft besser verstehen. Dazu habe ich mehrere Hospitationen in den Einrichtungen geplant, um die Pflege, die Alltagsbegleitung, den Alltag einer Hausdirektion und auch der Bewohnerinnen und Bewohner kennenzulernen, die ja unsere Kundinnen und Kunden sind. Darauf freue ich mich sehr. Bei alldem werde ich natürlich anfangs ganz viele Fragen stellen, um möglichst schnell zu verstehen, was warum wie gemacht wird. Du kommst im weitesten Sinne aus der Gesundheitsbranche, aus einem Unternehmen, das sich mit Medizintechnik beschäftigt. Jetzt hast du aus der Privatwirtschaft in ein gemeinnütziges Unternehmen gewechselt. Vom ganz greifbaren Produkt zur Dienstleistung. Wie kam es dazu? Die Frage nach meiner Wechselmotivation ist mit Abstand die Frage, die mir in der ersten Zeit am häufigsten gestellt wurde. Das verbindende Element zu meinem vorherigen Job sind natürlich die Finanzen. Die habe ich bei der Bosch Healthcare Solutions GmbH verantwortet und die verantworte ich auch bei der EHS. Darüber hinaus ist es eine aus meiner Sicht einzigartige Kombination von vier Aspekten, die mich zur Heimstiftung gebracht hat. Hätte ich davor gewusst, dass es eine solche Kombination bei einemArbeitgeber vereint gibt, hätte ich mich vielleicht schon früher bei der EHS beworben. Seit Januar hat die EHS einen neuen Geschäftsbereichsleiter Wirtschaft und Finanzen mit Gesamtprokura. Der Wirtschaftsingenieur Florian Schaaf tritt die Nachfolge von Ludger Eilers an, der nach 31 Jahren im Unternehmen in die Freistellungsphase und anschließenden in Ruhestand geht.
| Gute Pflege | 1_2023 | 13 Zum einen ist es das menschennahe Produkt beziehungsweise die Dienstleistung – das war mir schon immer wichtig. Dann die Gemeinnützigkeit: Hier stehen Dienstleistung und Kunde noch mehr im Mittelpunkt als in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen. Der Ursprung dieses Wunsches liegt schon einige Zeit zurück, als ich nach dem Abitur ein Jahr lang im Rahmen einer kirchlich organisierten Entwicklungshilfe mit Straßenkindern in Kenia gearbeitet habe. Das hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Du hast also eine klare Affinität zum sozialen Bereich, aber Finanzen waren immer dein Thema oder hätte es auch die soziale Arbeit selbst werden können? Nein, ich glaube das passt einfach nicht zu meinen Fähigkeiten, da wäre ich nicht so gut. Mir liegt das Thema Finanzen – und dabei vor allem, diese nicht nur zu verwalten, sondern eben auch zu gestalten. Aber umdie vier Aspekte noch zu vervollständigen, die mich zur EHS gebracht haben: Der dritte Punkt ist der hohe Anspruch an Professionalität und Exzellenz. Dieser ist nach meiner bisherigen Erfahrung gerade für ein gemeinnütziges Unter- nehmen außergewöhnlich stark ausgeprägt. Und viertens ist es das christliche Leitbild, das, wie ich das bisher erlebt habe, nicht nur auf dem Papier, sondern auch in Tat und Wort gelebt wird. Energiekrise, Pflegenotstand, Pandemie, steigende Eigenanteile. Es gibt bestimmt Branchen, in denen man als Finanzchef aktuell mit weniger Krisen konfrontiert ist. Suchst du die Herausforderung oder was treibt dich an? Ich muss zugegeben, in allen Details war mir das bei meiner Bewerbung nicht bewusst. Doch ich glaube tatsächlich, es gibt nur wenige Branchen, auf die die aktuellen Krisen keine Auswirkungen haben. Aber ja, ich habe schon wirklich Spaß an Herausforderung, das ist tatsächlich so. Und gerade in Krisen reicht eine reine Verwaltung meistens nicht aus, sondern es gilt, aktiv zu gestalten, um diese zu meistern. Daran habe ich Freude. Aktiv ist ein gutes Stichwort. Finanzchef zu sein ist ja manchmal auch eine unliebsame Rolle, gerade wenn es darum geht zu sparen. Was muss man für die Position mitbringen – streitest du gern? Tatsächlich im beruflichen Umfeld, ja. Ich finde der konstruktive Diskurs ist eine Kernfähigkeit, die man als Finanzchef mitbringen sollte. Ich komme ja aus demControlling, dessen Name – so zumindest eine verbreitete Erklärung – vom französischen contre-rôle, also deutsch Gegenrolle, > > > Florian Schaaf ist neuer Geschäftsbereichsleiter Wirtschaft und Finanzen
14 | Gute Pflege | 1_2023 | Pflege und Finanzierung abgeleitet ist. Diese Definition gefällt mir sehr. Ich verstehe mich als jemand, der in der Diskussion – wo notwendig – die Gegenrolle einnimmt, um zum besten Ergebnis zu kommen. Dazu gehört kritisches Hinterfragen, das Einbringen und Bewerten alternativer Lösungsoptionen und auch mal das konstruktive Streiten. Wobei der Finanzer nicht immer klischeehaft derjenige sein muss, der für das Sparen kämpft. Es kann auch mal andersherum das Werben um Investitionen sein, um Chancen für die EHS zu ergreifen. Alles immer mit dem Ziel, das Beste für die Heimstiftung und unsere Kundinnen und Kunden zu erreichen. Die großen Herausforderungen habe ich gerade schon angesprochen. Was meinst du – wie kommen wir (aus wirtschaftlicher Perspektive) gut durch die nächsten fünf Jahre? Das ist natürlich eine große Fragestellung, die ich hier nur auszugsweise beantworten kann. Bei der Beantwortung hilft auch hier die Frage, was unsere Kundinnen und Kunden von uns erwarten. Neben einer qualitativ hochwertigen Pflege landen wir aus wirtschaftlicher Sicht dabei schnell beim Thema der Finanzierbarkeit. Dazu gehört natürlich die politische Diskussion um unser Pflegesystem in Deutschland, in die sich die Heimstiftung ja sehr aktiv einbringt. Aber auch in der Verwaltung können wir beispielsweise unseren Beitrag zur Kostenbegrenzung und Wirtschaftlichkeit leisten, indem wir unsere Dienstleistungen und Prozesse qualitativ hochwertig, kundenorientiert und effizient gestalten. Dabei landen wir etwa schnell beim Thema IT-Systeme, wo ich in den nächsten Jahren große Chancen sehe, ausgewählte Aufgaben mit modernen Systemen zunehmend zu vereinfachen und zu automatisieren. Das würde uns erlauben, die aufgrund des Fachkräftemangels ohnehin knappe Ressource Mensch für wirklich wertschöpfende Tätigkeiten einzusetzen. Das macht aus eigener Erfahrung übrigens auch mehr Spaß. Natürlich stellen uns auch die hohe Inflation und die rapide steigenden Zinsen wirtschaftlich vor Herausforderungen, denen wir aktiv und kreativ begegnen müssen. Denn wirtschaftlich gute Ergebnisse der Heimstiftung sind Voraussetzung dafür, dass wir auch zukünftig zum Beispiel in moderne Gebäude und Innovationen investieren können, die dann wieder unseren Bewohnerinnen und Bewohnern zu Gute kommen. Weg von den Finanzen, hin zur persönlichen Perspektive: Du bist ja als Geschäftsbereichsleiter für einige Referate im Unternehmen verantwortlich. Was für eine Führungsperson möchtest du sein? Mir sind drei Grundsätze in der Führung besonders wichtig: zum einen Vertrauen. Ich begegne allen meinen Mitarbeitenden mit einem Vertrauensvorschuss. Ich möchte nicht vorrangig Arbeitsergebnisse kontrollieren, sondern meinen Mitarbeitenden größtmögl iche Freiheit für die Erledigung ihrer Aufgaben geben. Dazu gehört – das ist mein zweiter Grundsatz – dass ich als Führungskraft Hürden für meine Mitarbeitenden und meine Bereiche beseitige. Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass Dinge nicht funktionieren, weil Unternehmensprozesse außerhalb des Einflussbereichs der Mitarbeitenden, abteilungsübergreifende Zusammenarbeit oder IT-Systeme nicht passen. Das führt zu Mehraufwand und Frust. Da sehe ich mich in der Pflicht, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen. Und das Dritte ist das Thema Exzellenz. Ich habe den Anspruch an mich selbst, aber auch an meine Mitarbeitenden, dass wir in dem, was wir tun, richtig gut sind und damit unseren Beitrag zum Ziel des Unternehmens leisten, die beste Dienstleistung im Markt anzubieten. Und da, wo wir noch nicht gut (genug) sind, arbeiten wir dafür, dass wir besser werden. Jeden Tag. „ Ich habe den Anspruch an mich selbst, aber auch an meine Mitarbeitenden, dass wir in dem, was wir tun, richtig gut sind.“ > > >
| Gute Pflege | 1_2023 | 15 Personalien – 2023 Korrektur zu Ausgabe 3/2022 Wir bitten die falsche Angabe zu entschuldigen und korrigieren wie folgt: David Vogel ist Hausdirektor imWolfgangstift in Crailsheim. Michael Dohrmann, Haus im Schlösslesgarten, Eberdingen-Hochdorf Michael Dohrmann ist bereits seit 15 Jahren Teil der Evangelischen Heimstiftung. Nach Stationen als Pflegefachkraft, war er zuletzt als Pflegedienstleitung im Karl-Wacker-Heim in Stuttgart-Botnang tätig. Aktuell absolviert er das Traineeprogramm und leitet seit Januar 2023 das Haus im Schlösslesgarten in Eberdingen-Hochdorf. Sidika Ergüler-Dippon, Kloster Lorch, Lorch Sidika Ergüler-Dippon ist gelernte Altenpflegerin und arbeitete bereits als Fachkraft bei den Mobilen Diensten und in der stationären Pflege. Die Sozialwirtin war außerdem als Wohnbereichs- und Pflegedienstleitung tätig. Als Teilnehmerin des Traineeprogramms der EHS leitet sie seit Januar 2023 das Pflegeheim Kloster Lorch in Lorch. Regina Lehmann, Leitung Controlling/Personal HDG Regina Lehmann begann nach dem Studium zur Sozialökonomin 2009 als Personalfachkraft bei der ABG. Seit 2011 ist sie außerdem im Controlling bei der HDG tätig. Seit Januar 2023 verantwortet sie die Leitung des Controlling und Personal bei den Tochtergesellschaften ABG und HDG. Unsere neuen Führungskräfte
16 | Gute Pflege | 1_2023 | EHS-Familie Flexible Lebensarbeitszeit bedeutet, dass individuelle Lebensmodelle und -situationen Berücksichtigung finden. Mit dem EHS-Zeitwertsparbuch könnenMitarbeitende sich einen „Zeitwert“ ansparen, also Rücklagen bilden, und diese dann für ein Sabbatical, Altersteilzeit oder auch einen früheren Renteneintritt verwenden. So funktioniert das EHS-Zeitwertsparbuch: Ein Teil des Arbeitsentgelts wird dabei als Guthaben steuer- und sozialversicherungsfrei durch Entgeltumwandlung angespart. Aus diesem Guthaben wird während einer späteren Freistellung das Gehalt entnommen und damit Auszeiten während des Arbeitslebens oder den Vorruhestand finanziert. „Teilnehmen können alle Mitarbeitenden, die in einemmehr als geringfügigen Beschäftigungsverhältnis angestellt sind. Voraussetzung ist außerdem, dass das Arbeitsverhältnis schon mindestens drei Jahre besteht“; erklärt Saskia Graf, Referentin im Personalservice der EHS. Zeitwertsparbuch. — Geld ist Zeit Das EHS-Zeitwertsparbuch ermöglicht bezahlte Auszeiten von der Arbeit, um berufliche und private Interessen besser miteinander zu vereinbaren, um Gesundheit und Arbeitsfähigkeit langfristig zu sichern oder früher in den Ruhestand zu gehen.
| Gute Pflege | 1_2023 | 17 rend einer Freistellung sind Mitarbeitende also weiterhin sozialversicherungsrechtlich anerkannt beschäftigt – also auch gesetzlich kranken-, pf lege-, arbeitslosen- und rentenversichert. Durch die Auszahlung des Gehalts in der Freistel lung, werden auch die entsprechenden Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung vergeben. „Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen einer Auszeit während des Arbeitslebens und dem Vorruhestand“, sagt Saskia Graf. Beim Vorruhestand liegt die Freistellung unmittelbar vor dem Renteneintritt. Aber auch weitere Auszeiten sind so möglich: etwa zur Verlängerung der Elternzeit, für Reisen oder zur Erholung von gesundheitlichen Belastungen. Zur Pflege von Angehörigen oder für private Weiterbildung. Die persönlichen Gründe für eine Freistellung müssen dabei nicht benannt werden. „Eine Freistellung muss jedoch immer mindestens einen vollen Kalendermonat betragen sowie durch volle Kalendermonate teilbar sein. Es ist also zum Beispiel nicht möglich, für einen Kalendermonat und eine Woche eine Freistellung zu nutzen. In diesem Fall müsste die Freistellung mit dem regulären Urlaubsanspruch kombiniert werden.“ EHS-Zeitwertsparbuch • Einstieg ist jährlich möglich. • Antrag für Start im Folgejahr bis 30.09. bei der Führungskraft abgeben. • Umwandlung läuft automatisch bis zu Änderung oder Widerruf (außer bei Einzahlung der Überstunden im Abrechnungsmonat Februar. Diese müssen jährlich neu beantragt werden). Die Umwandlungsbeträge werden in einem Versicherungsprodukt angelegt und verzinsen sich. Das so entstehende Wertguthaben kann nach einer Ansparphase von mindestens drei Jahren für eine Auszeit oder den Vorruhestand genutzt werden – die sogenannte Freistellungsphase. Während dieser Zeit besteht das Beschäftigungsverhältnis unverändert fort. „Es können sowohl monatlich laufendes Entgelt als auch Teile der Jahressonderzahlungen umgewandelt werden. Auch ist es möglich, jeweils im Februar einen Teil seiner Überstunden einzubezahlen“, ergänzt Saskia Graf. Selbst wenn es nicht zu einer Freistellung kommt, weil das Unternehmen beispielsweise vorzeitig verlassen wird, bietet das EHS-Zeitwertsparbuch eine Kapitalanlage mit Beitragsgarantie, niedrigen Kosten, freier Vererbbarkeit und vollständiger Insolvenzsicherung. In einer Freistel lung (Auszeit) ruht die Arbeitspflicht, aber das Beschäftigungsverhältnis besteht ansonsten unverändert fort. Wäh- „ Stell dir vor, du nimmst dir Zeit. Für dich.“
18 | Gute Pflege | 1_2023 | Kommentar – (E)InSicht Immer mehr Leiharbeitsfirmen drängen sich auf dem Markt, sie nutzen die Not und den Druck aufgrund des Fachkräftemangels schamlos aus und locken Mitarbeitende mit unseriösen Angeboten wie deutlich höherer Bezahlung und Wunsch-Arbeitszeiten. Damit verstärken sie die Pflegekrise – und weil die Politik ihnen keinen Einhalt gebietet, breiten sie sich immer weiter aus. Damit muss endlich Schluss sein. Zumindest in der Heimstiftung wird es ab sofort keine Leiharbeit mehr geben. Wenn überhaupt, kam Leiharbeit für die Heimstiftung auch bisher nur bei kurzfristigen, krankheitsbedingten Personalausfällen und wenn es keine andere Möglichkeit gab, die Ausfälle zu kompensieren, in Frage. Die hohen Belastungen durch Corona, die niedrige Gesundheitsquote und der Fachkräftemangel haben aber leider dazu geführt, dass die Leiharbeit zuletzt immer häufiger vorgekommen ist. Das führt natürlich zu Unmut, nicht nur wegen der besseren Bezahlung der Externen. Die Pflegeheime sind diesen Auswüchsen hilflos ausgeliefert. Denn oft bleibt keine andere Wahl, um den Dienst abzudecken oder um dringende Anfragen von Pflegebedürftigen Menschen nach Aufnahme ins Pflegeheim oder zur Übernahme von Pflegediensten zu Hause nachkommen zu können. Mit dem Ende der Leiharbeit setzt die Heimstiftung nun ein klares Zeichen: Denn es ist auch eine Frage der Fairness gegenüber den Pflegebedürftigen selbst. Sie müssen nicht nur den Gewinn dieser Leiharbeitsfirmen finanzieren, sondern spüren auch die Konsequenzen am eigenen Leib: Eine verlässliche Stammbelegschaft kann sicher eine bessere Pflege und Betreuung gewährleisten als kurzfristig eingesetztes externes Personal. Sicherlich wird es ohne Leiharbeit zunächst an der ein oder anderen Stelle herausfordernd sein, die Entscheidung ist für uns jedoch unumgänglich. Um die Abdeckung aller Dienste, aber auch die notwendige Flexibilität in der Personalplanung weiterhin zu erhalten, entwickeln wir eigene Konzepte, wie etwa einen internen Springerpool. Mitarbeitende, die mindestens 50 Prozent fest in einer Einrichtung arbeiten, könnten sich dann freiwillig bereit erklären in anderen Einrichtungen der EHS einzuspringen – zuzüglich einer Springerpauschale und -zulage. Ja, der richtige Weg ist nicht immer einfach. Aber wir sind nicht bereit, den mangelnden Handlungswillen der Politik auf dem Rücken unserer eigenen Mitarbeitenden, Kundinnen und Kunden auszutragen. Wenn die Politik schon nicht vorangeht, dann zieht sie hoffentlich jetzt nach. Schluss mit der Leiharbeit. — (E)InSicht Bernhard Schneider
| Gute Pflege | 1_2023 | 19 Wir bauen für Sie. In unmittelbarer Nachbarschaft zum RobertBreuning-Stift befindet sich die neue Residenz Besigheim. Sie wird nach dem modernen WohnenPLUS-Konzept geführt und vereint unterschiedliche Wohn- und Betreuungsangebote. Besigheim ist ein Traditionsstandort der Evangelischen Heimstiftung seit 1978. In den letzten zwölf Jahren wurde der Standort umfassend saniert, erweitert und konzeptionell wie baulich für die Zukunft aufgestellt. Zunächst wurde das Robert-Breuning-Stift als stationäres Pflegeheim 2011 generalsaniert. Es bietet seitdem 95 Pflegeplätze und Kurzzeitpflege an. 2018 folgt der Neubau von 30 Pflegeplätzen für die Junge Intensivpflege als Leuchtturmprojekt in der Versorgung junger pflegebedürftiger Menschen. Der Neubau der Residenz schließt den Erneuerungsprozess des Robert-BreuningStifts architektonisch markant und mit dem WohnenPLUS-Konzept auch inhaltlich zukunftsfähig ab. Sie bietet 49 Betreute Wohnungen und Pflegewohnungen sowie eine Tagespflege mit 15 Plätzen. In Besigheim entsteht damit ein umfassendes Wohn- und Betreuungsangebot für über 200 Menschen mit unterschiedlichemHilfebedarf. „Wir freuen uns, das Angebot in Besigheim zu erweitern und neben stationärer Pflege weitere Wohn- und Betreuungsangebote für pflegebedürftigeMenschen zu schaffen“, erklärt Bernhard Schneider. +++ Neubauprojekte 2023: Wolfgang-Wanning-Stift, Winnenden – Thomashaus, Mannheim +++ Weitere laufende Bauprojekte: Albrecht-Teichmann-Stift, Reichenbach – Rehabilitationsklinik, Bad Sebastiansweiler – Martin-Haug-Stift, Freudenstadt – Wohnstift Hansegisreute, Heidenheim – Haus Laurentius, Schönaich – Paul-Collmer-Haus, Stuttgart – Dreifaltigkeitshof, Ulm – Pflegezentrum Gerstetten, Gerstetten Residenz Besigheim 498 Betreute Wohnungen und Pflegewohnungen 158 Plätze Tagespflege 2008 Wohn- und Betreuungs- angebote am Standort 368 Millionen Gesamtinvestition am Standort 18 Arztpraxis Bauen
20 | Gute Pflege | 1_2023 | Grüne Pflege Von PV-Anlagen auf Dächern, über regionalen Einkauf, bis hin zur Reduktion von Fleischkonsum – die EHS hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu werden. Das alles funktioniert allerdings nur mit Menschen, die helfen nachhaltige Veränderungen umzusetzen, ihr Verhalten zu hinterfragen und Neues auszuprobieren. Die 10.100 Mitarbeitenden, 790 Auszubildenden, 14.190 Kundinnen, Kunden und deren Angehörige sind dann das größte Potenzial für den Klimaschutz, das die EHS zu bieten hat. Deshalb gibt es im Agendaprojekt Nachhaltigkeit die Teilprojektgruppe „Nachhaltiges Miteinander“, die sich insbesondere drei Aufgaben stellt: 1. Ideen, Ziele und Pläne bekannt machen. UmKolleginnen und Kollegen für gute Vorhaben zu gewinnen, müssen Ideen und Pläne bekannt gemacht und Bewegründe erklärt werden. „Nachhaltigkeit ist weit mehr als Gebäude zu sanieren und Technik auszutauschen. Nachhaltigkeit ist ein gemeinsamer Weg.“ Martin Suchaneck 2. Klimaschutzmaßnahmen auf Machbarkeit und Angemessenheit überprüfen. Um alle ins Boot zu holen, fragt sich die Projektgruppe immer, ob neu geplante Maßnahmen in den Einrichtungen machbar und sinnvoll sind. Es geht eben nicht nur um Engagement für die Nachhaltigkeit, sondern auch um kritische Stimmen und Diskussion. „Wir möchten gemeinsam einen positiven Weg finden, nachhaltiger zu leben und zu arbeiten. In der Projektgruppe möchten wir Methoden und Instrumente finden, um Nachhaltigkeit dauerhaft umzusetzen.“ Elke Giebeler Nachhaltig & Miteinander. — Gemeinsam für eine gute Zukunft Gesellschaftliche Verantwortung in Sachen Klima- und Umweltschutz zu übernehmen, gehört zum Selbstverständnis der Evangelischen Heimstiftung.
| Gute Pflege | 1_2023 | 21 Gemeinsam Ressourcen schonen: Gute Gründe. Luft, Wasser und Boden sind die Grundlage für unser Leben auf der Erde. Gleichzeitig sind diese natürlichen Ressourcen nur begrenzt verfügbar. Trotzdem haben die Menschen schon alleine in Deutschland bereits Anfang Mai mehr Ressourcen verbraucht, als für das ganze Jahr zur Verfügung stehen würden, beziehungsweise von der Erde erneuert werden können. Um weiterhin gut leben zu können, müssen wir also sparsamer mit den vorhandenen Ressourcen umgehen. • Ressourcen, die wir verbrauchen, sind zum Beispiel: Lebensmittel, Papier, Strom, Wasser. • Ressourcen schonen heißt: darauf zu achten, was und wie viel wir konsumieren und vor allem Abfälle zu vermeiden. • Indem wir sparsammit Ressourcen umgehen, tun wir auch etwas für das Klima. Denn Ressourcennutzung ist mit CO2-Emissionen verbunden. 3. Zum nachhaltigen Verhalten anregen. Warum lohnt es sich, sein eigenes Verhalten zu hinterfragen und zu verändern? Die Projektgruppe will zeigen, wie jeder und jede Einzelne einen Beitrag zu mehr Klimaschutz leisten und eigene Ideen einbringen kann. „Wir wollen erzählen, wo und wie Nachhaltigkeit in der EHS bereits gelebt wird und andere begeistern und motivieren, selbst wirksam zu werden.“ Christian Muth Gute Tipps für den Alltag. Jeder Beitrag kann etwas bewegen. So kann man im Alltag Ressourcen schonen: • Auf Kleinstverpackungen aus Plastik verzichten (zum Beispiel Kaffeesahne) • An der Gemüsetheke auf verpacktes Obst und Gemüse verzichten • Einkaufszettel schreiben, um nur das zu kaufen, was ich brauche Gute Pflege ohne Müll. Gute Pflege ganz ohne Abfälle geht nicht, aber die EHS ist bemüht, den Ressourcenverbrauch in ihren Einrichtungen deutlich zu verringern: • Bewusster Einkauf: Absprachen mit Lieferpartnern, um Verpackungsmüll zu reduzieren. • Umgang mit Abfällen: Mülltrennung und umweltgerechte Entsorgung. • Abläufe optimieren: Digitale Pflegedokumentation und Plattform für die Speisenversorgung sparen das Papier.
22 | Gute Pflege | 1_2023 | Pflege im Fokus In Gemeinschaft. — Das Wohngruppenkonzept der EHS
| Gute Pflege | 1_2023 | 23 „Die Anforderungen an stationäres Wohnen und Betreuung bei Pflegebedarf haben sich verändert. Es war an der Zeit auch unser internes Verständnis weiterzudenken. Unsere Idee war es, aus der Unternehmensstrategie der EHS heraus, ein Konzept zu entwickeln und in die Umsetzung zu bringen, das die Lebensqualität im Alter verbessern sollte – durch Teilhabe und Selbstbestimmung. Daraus entstand unser Wohngruppenkonzept“, sagt Bernhard Schneider, Haupt- geschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung. Besonders der steigende Anteil von Menschen mit dementiellen Veränderungen und palliativem Versorgungsbedarf in stationären Pflegeeinrichtungen, stellt neue Anforderungen. Auch zukünftig ist davon auszugehen, dass der Versorgungsbedarf weiter zunehmen wird. Eine wohnortnahe Versorgung, in einer Umgebung, die dem bisherigen eigenen Zuhause möglichst nahekommt, hat außerdem an Bedeutung gewonnen. Das Leben orientiert sich dabei mehr an dem gewohnten Alltag der Bewohnerinnen und Bewohner. Bei Pflegebedarf erfordert das besonders gute Zusammenarbeit über die Berufsgruppen hinweg: Pflege, Alltagsbegleitungen und Mitarbeitende der Hauswirtschaft und Küche arbeiten dabei Hand in Hand. Die Umsetzung Diesen Anforderungen trägt das Wohngruppenkonzept Rechnung: In Wohngruppen mit etwa 15 Bewohnerinnen und Bewohnern findet der Großteil des Tages im so genanntenWohnbereich statt. Dieser Aufenthaltsbereich mit angeschlossener Küche bildet den Mittelpunkt des gemeinsamen Lebens. In Früh- und Spätdienst ist eine Alltagsbegleitung präsent und ergänzt damit die medizinisch-pflegerische Versorgung. ImMittelpunkt des Tages stehen die Gemeinschaft und ein Tagesablauf, der dem familiären Leben ähnlich ist. Alltägliche Aufgaben im Haushalt, wie zum Beispiel die Vorbereitung des Frühstücks, finden gemeinsam statt. Alle Bewohnerinnen und Bewohner können sich daran entsprechend ihrer Fähigkeiten und Wünsche beteiligen. Auch Familie, Freunde und Freiwillige können sich aktiv in die Lebensgestaltung einbringen. „Das Zusammenspiel aus aktiver Begleitung und teilhabendem Miterleben gibt Sicherheit, Halt undOrientierung, bei weiterhin professioneller Pflege – und damit eine höhere Lebensqualität“, erklärt Steffen Till, Leiter des Referats Pflege und Alltagsbegleitung. „Wir haben mit dem Wohngruppenkonzept erstmalig ein EHS-weites Verständnis von Pflege und Betreuung entwickelt, das einen gemeinsamen Rahmen bietet, innerhalb dessen jede Einrichtung je nach Vorstellung und Bedarf der Menschen in der Einrichtung agieren kann.“ Ein strategisches Projekt setzte sich 2016 das Ziel, die Pflege und Betreuung in der Heimstiftung für die Zukunft aufzustellen. Das Ergebnis: unser Wohngruppenkonzept. Selbstbestimmung, Teilhabe und das gemeinschaftliche Leben sollten damit zukünftig in den Einrichtungen der EHS noch mehr gestärkt werden. Ein Rückblick – oder das verflixte siebte Jahr: Wo stehen wir heute? Hat sich das Konzept in der Praxis bewährt? > > >
24 | Gute Pflege | 1_2023 | „ Auch unsere Pflegeteams setzen sich gelegentlich in die Wohngruppe und beschäftigen sich außerhalb der Grundpflege mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Sie bekommen viel von den Menschen mit. Man hat den Eindruck, dass auch diese sich in der Gemeinschaft wohl fühlen, weil sie nie alleine sind.“ Mitarbeitende Alltagsbegleitung > > > Fachliche Basis für das Wohngruppenkonzept bilden der personenzentrierte Ansatz von Tom Kitwood und der Ansatz der Beziehungsorientierung von Mike Nolan. Pflege wird dabei in erster Linie aus der Perspektive der Beziehung betrachtet, die Pflegeperson und Pflegebedürftigen verbindet. Es geht also darum, dass Menschen miteinander in Kontakt treten und ein gemeinsames Ziel haben. „Wichtig ist, dass es sich dabei um eine wechselseitige Beziehung handelt. Der Mensch mit Pflegebedarf steht mit seiner eigenen Lebenswelt imMittelpunkt, denn das zentrale Ziel ist es, die Selbstständigkeit zu erhalten und zu fördern“, sagt Till. Der rein medizinische Aspekt der Versorgung rückt in den Hintergrund, das emotionale Erleben wird wichtiger. Wertschätzung, Respekt, Anerkennung und Vertrauen sind die vorherrschenden Werte. „Dadurch wird klar, dass maßgeblich von dem Verhalten der Mitarbeitenden abhängt, wie die Bewohnerinnen und Bewohner sich fühlen.“ Das Ziel muss also sein, Pflege und Betreuung so zu gestalten, dass sie die Beziehung zwischen Bewohnern und Mitarbeitenden stärken. „Wir verstehen alle Beteiligten als Menschen mit individueller Persönlichkeit – auch und gerade bei Pflegebedarf. Es geht nicht darum, wie Menschen sein sollten, sondern Ausgangspunkt für alle Überlegungen sind ihre Möglichkeiten. Sie dabei zu unterstützen, diese Möglichkeiten auszuschöpfen, ist unser größtes Anliegen.“ Sechs wesentliche Bedürfnisse stehen dabei im Mittelpunkt: Pflege im Fokus Gute Pflege und Betreuung Sicherheitsgefühl Zugehörigkeit Angemessene Berücksichtigung der Biografie zur Bedürfnisorientierung (Kontinuität) Ziele, die man erreichen möchte (Zielgerichtetheit) Aktivitäten für die sich Engagement und Einsatz lohnen (Erfolg) Wertschätzung als Person
| Gute Pflege | 1_2023 | 25 Auf Bedürfnisse eingehen „Das Leben in den Wohngruppen ist so organisiert, dass wir auf möglichst alle Bedürfnisse gleichberechtigt eingehen. Dazu gehört neben Körperpflege und Mahlzeiten die gemeinsame Zeit in der Wohngruppe. „Auch Menschen mit umfassendemUnterstützungsbedarf sollen, wann immer möglich, Teil der Gruppe sein, indem sie beispielsweise mit dem Pflegebett oder -stuhl in die Wohngruppe gebracht werden.“ Hinzu kommen auch Angebote der Einzelbetreuung, zum Beispiel in Form von Erinnerungsarbeit mit Fotoalben, Vorlesen aus der Tageszeitung oder aus Lieblingsbüchern. „Unser Verständnis von Betreuung ist, dass diese am Morgen gegen sieben mit der Schicht der Alltagsbegleitung beginnt und endet, wenn sie wieder geht. Weg von der bekannten Stunde Unterhaltung am Nachmittag und hin zu dem Verständnis, dass die gesamte gemeinsam verbrachte Zeit Teil der Betreuung und des gemeinschaftlichen Lebens ist. Was natürlich nicht > > > bedeutet, dass es die gewohnten und beliebten Angebote am Nachmittag nicht mehr gibt.“ Dem Startschuss zur Umsetzung des Wohngruppenkonzepts im Jahr 2016 schloss sich ein umfangreicher Prozess der Umstrukturierung von Arbeitsorganisation, Kommunikation und dem Miteinander im Alltag an. Es entstand die neue Berufsgruppe der Alltagsbegleitungen, neue Arbeitsabläufe mussten etabliert und Umbauarbeiten vorgenommen werden. Sechs Jahre nach dem Start des Wohngruppenkonzepts wurden in einem Audit der Geschäftsführung die Einrichtungen zum Stand der Umsetzung befragt. „Die Ergebnisse dienen uns als Grundlage für die weiteren Umsetzungsschritte. Dafür ist es wichtig einmal zu erfassen, an welchem Punkt wir stehen, was schon gut funktioniert und auch wo die Schwierigkeiten liegen.“ „ Wir kommen weg von der klassi- schen Stunde „Programm“ im Pflegeheim am Nachmittag, sondern leben mehr einen Alltag, der dem Familienleben ähnlich ist. Beim Vorbereiten der Mahlzeiten zusammensitzen, Brote schmieren, sich unterhalten – einfach zusammen sein und dabei Beziehungen gestalten.“ Steffen Till, Leitung Referat Pflege und Alltagsbegleitung
26 | Gute Pflege | 1_2023 | > > > Die Ergebnisse Die Basis für das Wohngruppenkonzept bleiben Leitbild und Handlungsgrundsätze der EHS. Auch das Pflegeverständnis und die damit verbundene Grundhaltung sind unverändert. Ausgehend von den bisherigen drei Säulen Alltag, Wohnen und Gemeinschaft sind nun die Grundbedürfnisse des Menschen nach den theoretischen Ansätzen Kitwoods und Nolans abgebildet und für die Gestaltung der Pflege ausschlaggebend: Pflege im Fokus Leitbild und Handlungsgrundsätze der EHS Bindung Zugehörigkeit durch Stärkung sozialer Beziehungen Trost Sicherheits- gefühl, auch verbunden mit fachlich guter Pflege Liebe Wertschätzung als Person Einbe- ziehung Ziele, die man erreichen möchte Beschäftigung Aktivitäten, für die sich Engagement und Einsatz lohnen Identität Angemessene Berücksichtigung der Biografie zur Bedürfnisorientierung Pflegeverständnis und Grundhaltung Umfeld/Quartier Angehörige und Bezugspersonen Pflegebedürftiger Mensch Mitarbeitende Pflege und Alltagsbegleitung Zugehörigkeit, Sicherheitsgefühl, Wertschätzung als Person, Ziele, die man erreichen möchte, Aktivitäten, für die sich Engagement und Einsatz lohnen, angemessene Berücksichtigung der Biografie zur Bedürfnisorientierung. Diese Grundbedürfnisse werden nun im Modell in Zusammenhang gestellt mit den sechs Gefühlen, die Kitwood definiert: Bindung, Trost, Liebe, Einbeziehung, Beschäftigung und Identität.
| Gute Pflege | 1_2023 | 27 Interdisziplinäre Zusammenarbeit „Als größte Herausforderung hat sich die berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit herausgestellt“, berichtet Till. Im Mittelpunkt stehen dabei immer die Bewohnerinnen und Bewoh- ner. Den Alltag mit ihnen gemeinsam zu leben, setzt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und Beziehung voraus, denn nur so kann Pflege und Betreuung gut gelingen. Besonders Kommunikation und Arbeitsorganisation im Team spielen dabei eine große Rolle. „Die Mahlzeiten bilden eine Nahtstelle der Berufsgruppen aus Pflege und Alltagsbegleitung. Beide Berufsgruppen arbeiten hier Hand in Hand. Und auch die Gestaltung des Alltags ist zentrale Aufgabe aller Berufsgruppen.“ Die Verantwortungsbereiche wurden dazu nochmals genauer beschrieben: • Alltagsbegleitung: Dreh- und Angelpunkt des Alltagsgeschehens, Gestaltung des Lebens in der Wohngruppe, in Zusammenarbeit mit der Pflege • Pflege: Steuernde des Pflegeprozesses, ganzheitliche Pflege „sich kümmern“, in Zusammenarbeit mit der Alltagsbegleitung Wesentlich ist vor allem die ganzheitliche Ausrichtung der Pflege und Alltagsbegleitung. Das heißt, die Versorgung und Betreuung setzen sich aus vielen kleinen Teilaspekten zusammen und werden erst dadurch zumGanzen. Keine der Berufsgruppen kann alleine stehen oder wirken. Sie benötigt immer die Ergänzung der anderen, die an der Versorgung beteiligt sind, und die gemeinsame Abstimmung. > > > „ Die Bewohner sind jetzt häufiger in ihrer Gruppe anzutreffen und laufen nicht unruhig auf dem Wohnbereich umher.“ Mitarbeitende Pflege
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