Ausgabe 3/2023

3 | 2023 Gute Pflege Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung Entscheidend. —Wie wir unsere Geschichte schreiben

2 | Gute Pflege | 3_2023 | Pflege im Fokus 4 | Bestimmt. Die Richtung angeben 10 | Namen. Nicht nur Schall und Rauch Grüne Pflege 14 | Nicht für die Tonne Bauen 16 | Unsere aktuellen Projekte Ehrenamt 18 | Ausgezeichnet. Ehrenamtspreis 2023 24 | Gefragt. 30 Jahre Freundschaft Das sind wir 26 | Unsere Quartierspioniere EHS international 28 | International. Global Ageing Network Kommentar – (E)InSicht 30 | Pflege voll versichert. Personalien 32 | Neue Führungskräfte Service 34 | Gefragt. 30 Jahre ABG 10 18 04 Bestimmt. — Die Richtung angeben Impressum Verantwortlich: Bernhard Schneider Redaktion: Ann-Christin Kulick Telefon 0711 63676-125 redaktion@ev-heimstiftung.de Nicht gekennzeichnete Artikel sind von der Redaktion verfasst. Anschrift Redaktion Gute Pflege. Hackstraße 12, 70190 Stuttgart Gestaltung: AmedickSommer GmbH, Stuttgart Fotos: alle Fotos Evangelische Heimstiftung mit Ausnahme von: – Adobe Stock: S. 1, 3 svitlini; S. 2 (o.l.), 4, 9 Halfpoint; S. 2 (o.M.), 6, 10 Nedrofly; S.2 (o.r.), 18 Svetlana; S.14 Mustafa; S.19 Studio Romantic; S.20 Daxiao Productions; S. 26 Rawpixel.com – Marc Doradzillo: S. 13 – lisa-marie behr fotografie: S. 32 (3. Bild) – Lutz Härer: S.30 – ludmilla parsyak: S. 35 Produktion und Druck: Offizin Scheufele, Druck und Medien GmbH + Co.KG Nachdruck und elektronische Verwendung nur mit schriftlicher Genehmigung. „Gute Pflege. Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung“ erscheint dreimal jährlich. Auflage: 15.500 Herausgeber: Evangelische Heimstiftung GmbH www.ev-heimstiftung.de Der Bezugspreis ist durch den Beitrag abgegolten. Im Magazin werden, soweit möglich, neutrale, alle Geschlechter einschließende Begriffe verwendet – oberstes Gebot bleibt jedoch die Verständlichkeit der Sprache.

| Gute Pflege | 3_2023 | 3 28 Gute Pflege. Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung. Liebe Leserinnen, liebe Leser, in dieser Ausgabe blicken wir zum Jahresende auf zwei Themen mit großer Bedeutung für die Evangelische Heimstiftung: Unter dem Titel „Entscheidend – Wie wir unsere Geschichte schreiben“ schauen wir zum einen auf die Selbstbestimmung von Menschen mit Pflegebedarf, aber auch auf Menschen, die sich ehrenamtlich in unseren Einrichtungen engagieren. Beides hat auf unterschiedliche Weise einen sehr hohen Stellenwert. Teilhabe und Selbstbestimmung sind die Grundpfeiler unseres Anspruchs an Pflege und Betreuung. Wie das in den Einrichtungen umgesetzt wird und was Menschen, die bei uns leben und arbeiten darüber denken, ist Thema im ersten Schwerpunkt. Aber welche Rolle spielt unsere bewusste Sprache eigentlich dabei? Darüber diskutieren Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider und Sozialexperte Prof. Dr. habil. Thomas Klie. Rund 2.000 Menschen engagieren sich ehrenamtlich in unseren Einrichtungen – das hat für uns einen unschätzbaren Wert, deshalb unterstützen wir sie und leben die Freiwilligenarbeit nach einem professionellen Konzept. Wir feiern dieses Engagement aber auch mit dem Ehrenamtspreis, der in diesem Jahr einmal mehr vom Freundeskreis der EHS verliehen wurde. Viel Spaß mit der neuen Ausgabe, eine friedliche Weihnachtszeit und einen guten Start in 2024 wünscht Eure Gute-Pflege-Redaktion Gute Pflege 3 | 2023 Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung Entscheidend. —Wie wir unsere Geschichte schreiben

4 | Gute Pflege | 3_2023 | Bestimmt. — Die Richtung angeben Pflege im Fokus

| Gute Pflege | 3_2023 | 5 „ Selbstbestimmt zu leben, hat in Pflegeheimen nicht immer eine so große Rolle gespielt wie sie das heute tut. Inzwischen ist die Veränderung sehr offen wahrzunehmen.“ Simone Fink, Regionaldirektorin Pflegebedürftig und selbstbestimmt – geht das zusammen? Ja, sagen die Menschen, die in den Einrichtungen der Evangelischen Heimstiftung leben und arbeiten. Selbstbestimmung ist ein Schlüsselwert unserer Zeit. Und spätestens seit dem demografischen Wandel und dem steigenden Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft nicht nur für jüngere Menschen. Eine möglichst hohe und anhaltende Lebensqualität im Alter bleibt nicht länger nur ein persönliches Bedürfnis, sondern wird auch zum politischen Ziel. Im Fokus steht dabei zunächst das selbstständige Leben im Privathaushalt, aber auch die Gestaltung des Lebens im Pflegeheim ist davon nicht ausgenommen. Denn Selbstbestimmung gilt für alle Menschen, unabhängig davon wie sie wohnen und welche Unterstützung sie benötigen. Pflegeeinrichtungen nehmen eine Sonderrolle ein – sie bewegen sich zwischen privater Lebenswelt und Dienstleistungseinrichtung mit Versorgungsauftrag. Daraus entstehen Erwartungen, die sich auf den ersten Blick widersprechen können: zwischen Professionalität und Geborgenheit; zwischen Schutz und Eigenverantwortung. „Selbstbestimmt zu leben, hat in Pflegeheimen nicht immer eine so große Rolle gespielt wie sie das heute tut. Inzwischen ist die Veränderung sehr offen wahrzunehmen. Selbstbestimmung und Teilhabe sind zwei unserer großen Handlungsmaxime in der Pflege und Betreuung“, sagt Regionaldirektorin Simone Fink. Als das höchste Gut seiner Arbeit beschreibt Emanuel Stocker die Selbstbestimmung. Er ist Pflegedienstleiter der Mobilen Dienste in Friedrichshafen. „In der ambulanten Versorgung haben wir vermutlich sogar noch mehr Möglichkeiten. Wenn eine Leistung nicht gewünscht wird, richten wir uns danach. Wir dokumentieren diese Wünsche, das ist wichtig, um unsere Sorgfaltspflicht sicherzustellen, insbesondere wenn Leistungen einmal nicht erwünscht sind. Wenn natürlich häufiger etwas abgelehnt wird, haben wir das auch im Blick und suchen gegebenenfalls das Gespräch mit Angehörigen, Betreuern oder dem Hausarzt.“ > > >

6 | Gute Pflege | 3_2023 | Über mehrere Pflegereformen hinweg hat sich seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 ein neuer Begriff der Pflegebedürftigkeit etabliert, der Teilhabe in den Mittelpunkt stellt. Pflege bedeutet heute Interaktion. Es geht nicht allein um die körperliche Pflege, deshalb haben Betreuung und persönliche Begleitung genauso viel Bedeutung. Als pflegewissenschaftliches Konzept steht dahinter der personenzentrierte Ansatz. Ausgangspunkt sind die Wünsche und Möglichkeiten des Pflegebedürftigen. Selbstbestimmung umfasst dabei alle Lebensbereiche: sozial, räumlich, medizinisch und pflegerisch bis hin zu institutionell. Da sind zum einen die offensichtlichen Entscheidungen wie Essen, Trinken, Körperpflege oder der Tagesablauf. Müssen Menschen im Pflegeheim zu festen Zeiten aufstehen und frühstücken – ist zum Beispiel eine viel diskutierte Frage. Aber auch das Recht auf Beratung und Unterstützung, um weiterhin unabhängig zu bleiben oder das Fördern geistiger und körperlicher Fähigkeiten, die Verschlechterung vorbeugen oder Beeinträchtigungen kompensieren. > > > Selbstbestimmung ermöglichen Wer selbst entscheiden kann, tut das auch. Und wer seine Wünsche nicht mehr selbst äußern kann? „Da braucht es Menschen, die im Sinne des Betroffenen entscheiden – ob Angehörige oder gesetzliche Betreuer. Um diese Wünsche zum gegebenen Zeitpunkt so gut wie möglich zu kennen, führen wir viele Gespräche. Da kann es um ganz kleine Dinge gehen, wie darum, den Lieblingspullover auch weiterhin anzuziehen, bis hin zu Entscheidungen über palliative Versorgung“, sagt Simone Fink. „In einer Situation, in der Menschen, die bei uns leben ihre Selbstbestimmung nicht mehr selbst ausführen können, werden die Kolleginnen und Kollegen in der Pflege und Betreuung noch wichtiger. Sie sind da, um für Wünsche, Bedürfnisse und Entscheidungen einzustehen.“ Bis hin zum selbstbestimmten Sterben – auch das soll eine gleichberechtigte Rolle neben aktivierender und rehabilitierender Pflege einnehmen. Selbstbestimmung rechtlich verankert Das Recht auf Selbstbestimmung und Hilfe zur Selbsthilfe ist auch politisch gewollt und gefordert und deshalb in der Charta der Rechte hilfe- Pflege im Fokus Selbstbestimmung bei Pflegebedarf bedeutet auch bei der Umsetzung von Wünschen zu unterstützen – wie etwa einem Spaziergang.

| Gute Pflege | 3_2023 | 7 > > > und pflegebedürftiger Menschen in Deutschland festgehalten. Artikel 1 beschreibt unter anderem das Recht auf Willens- und Entscheidungsfreiheit bei Lebensort, Tagesablauf, Behandlung und mehr, aber auch auf Fürsprache und Fürsorge sowie Hilfe zur Selbsthilfe und vorbeugende oder gesundheitsfördernde Maßnahmen für Menschen, die in stationären Pflegeeinrichtungen leben. Seit Januar 2023 gilt zudem ein neues Betreuungsrecht. § 43b SGB XI stellt die Wünsche betreuter Menschen in den Mittelpunkt. Der eingesetzte Betreuer oder die Betreuerin hat die sogenannte „Pflicht zur Wunschbefolgung“. Dazu muss sich der Betreuende regelmäßig durch persönliche Kontakte ein Bild davon machen, welche Wünsche die betreute Person hat und was sie nicht will. Auch beim Medizinischen Dienst, der die Qualität von Pflegeeinrichtungen bewertet, fließen seit einiger Zeit Kriterien zu Selbstbestimmung und Wahrung der Würde im Alltag ein. Außerdem hat die Lebensqualität als anerkanntes Ziel für Pflegeeinrichtungen auch Eingang in das Pflegestärkungsgesetz II gefunden. Leitbild sind dabei die individuellen Bedürfnisse der zu Pflegenden, die auch ihre Krankheitsbilder, Geschlechtszugehörigkeit, sexuelle Orientierung und ihren kulturellen Hintergrund berücksichtigen. Bereiche der Selbstbestimmung Ob und in welchem Umfang pflegebedürftige Menschen ihr Leben als selbstbestimmt wahrnehmen, hängt aber nicht in erster Linie von den gesetzlichen Rahmenbedingungen ab, sondern von dem Handeln der beteiligten Personen – abhängig davon, wie wichtig auch der jeweils betroffene Lebensbereich für sie persönlich ist. Eine Befragung des Zentrums für Interdisziplinäre Gesundheitsforschung an der Universität Augsburg aus dem Jahr 2021 hat ergeben, dass nach Wahrnehmung der befragten Pflegeheimbewohner über viele Abläufe frei entschieden oder zumindest mitentschieden werden kann. Laut der Befragung sind Organisationskultur und -kommunikation sowie Grundversorgung im Alltag ausschlaggebend für die wahrgenommene Selbstbestimmung. Es geht also gar nicht immer darum, über wie viele Dinge man wirklich selbst entscheiden kann, sondern über welche. Insbesondere werden Aspekte benannt, die sich auf die Menschen selbst beziehen, wie zum Beispiel Besuche und Auswahl von Kleidung. Drei Möglichkeiten der Selbstbestimmung ergeben sich daraus: zum einen Tätigkeiten in Zusammenhang mit der Alltags-(Pflege-)Routine wie Aufstehen am Morgen, Körperpflege, Auswahl der Speisen und Getränke, Auswahl der Kleidung, Besorgungen und Einkäufe. Der zweite Themenbereich umfasst die Gestaltung von Entscheidungsspielraum von Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern (Auszug) Wie oft oder wann sie Besuch haben Was sie anziehen Wie sie sich selbst beschäftigen Wie sie ihr Zimmer gestalten Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 8217 (2020) Abstufungen in Prozent ganz frei 59 27 7 4 42 39 11 5 42 40 9 5 35 43 14 6 mitentscheiden wenig Mitsprache keine Mitsprache keine Angaben

8 | Gute Pflege | 3_2023 | > > > Raum und Freizeit wie Zimmergestaltung, Radio hören und Fernsehen, das eigene Zim- mer abschließen oder Spaziergänge im Garten. Und zuletzt spielen die Außenbezüge, wie etwa Besuchszeiten, eine Rolle. Das bestätigt auch Martha Schuster, die seit Februar 2023 im Stiftungshof im Haubenwasen in Alfdorf lebt. „Besonders wichtig ist mir, dass ich meinen Tag so gestalten kann, wie ich es mir wünsche und man mich über Angebote und pflegerische Maßnahmen informiert, damit ich dann selbst eine Entscheidung treffen kann. Wert lege ich auch auf eine freie Arzt- und Therapeutenwahl und darauf, dass meine Werte – auch in Bezug auf eine mögliche palliative Versorgung bekannt sind und zu gegebener Zeit berücksichtig werden.“ Einrichtungen, denen ein hohes Maß an Selbstbestimmung bescheinigt wird, sind meist bewohnerorientiert in ihrer Pflege- und Betreuungskonzeption und leben ein integratives Wohnbereichskonzept. Beides trifft auch auf die Einrichtungen der Evangelischen Heimstiftung zu. „Seit einigen Jahren setzen wir in unseren Einrichtungen das Wohngruppenkonzept um“, sagt Regionaldirektorin Simone Fink. In kleinen Wohnbereichen von maximal 15 Bewohnerinnen und Bewohnern wird der Alltag gestaltet, gemeinsam gegessen und ein familiäres Zusammenleben gepflegt. Alltagsbegleitungen sind den ganzen Tag anwesend. Die Menschen, die bei uns leben, können sich entsprechend ihrer Wünsche und Möglichkeiten in den Alltag einbringen und den Tag strukturieren. Im Pflegeheim bekommen Menschen Unterstützung dabei, ihre Bedürfnisse zu erfüllen, wie es zu Hause vielleicht gar nicht mehr möglich wäre. „Wenn ein pflegebedürftiger Mensch zu Hause gar nicht allein aufstehen kann, ist er in seiner Selbstbestimmung deutlich mehr eingeschränkt als im Pflegeheim, wo rund um die Uhr Unterstützung verfügbar ist.“ Zur Selbstbestimmung zählen auch Kleinigkeiten, zum Beispiel, niemals ohne Ankündigung ein Zimmer zu betreten. Eine Frage, die sich bei den Mobilen Diensten auf andere Weise stellt: „Wir als Pflegedienst sind in der ambulanten Versorgung zu Gast im intimsten Umfeld eines Menschen, das sollten wir immer im Blick haben und uns auch dementsprechend verhalten“, sagt Emanuel Stocker. „Keiner muss uns die Tür öffnen, der das nicht möchte. Ich denke aber, wir sind sogar weniger mit dem Gefühl mangelnder Selbstbestimmung konfrontiert als im stationären Umfeld, weil es für unsere Kunden eine freie Entscheidung ist, uns in ihr Zuhause zu lassen und sie weiterhin in ihrem bekannten Umfeld sind, das gibt Sicherheit.“ Pflege im Fokus „ Besonders wichtig ist mir, dass ich meinen Tag so gestalten kann, wie ich es mir wünsche.“ Martha Schuster, Kundin der EHS

| Gute Pflege | 3_2023 | 9 Wenn sich jemand zu einem geplanten Moment nicht waschen lassen will – hat er oder sie auf diese Entscheidung nicht ein Recht?“. Nicht in allen Situationen fällt das Abwägen schwer: Kleidung, Essensauswahl, Frühstückszeiten. „Wichtig ist in erster Linie, Wünsche und Entscheidungen der Kundinnen und Kunden gut zu dokumentieren, insbesondere in sensiblen Bereichen, um diese auch Angehörigen gegenüber erläutern zu können. Kommunikation spielt eine große Rolle. Dass wir unser Handeln, die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen, die bei uns leben, klar benennen können. Auch in Situationen, in denen die Angehörigen vielleicht persönlich anders entscheiden würden. „Ein ganz banales Beispiel und einen Satz, den wir häufig hören: Ich möchte aber, dass meine Mutter sich an dieser oder jener Aktivität beteiligt.“ Für Simone Fink ist die Antwort klar: „Den Gedanken dahinter kann ich nachvollziehen. Trotzdem auch hier: Die Entscheidung liegt einzig und allein bei der betroffenen Person selbst. Denn die Menschen, die uns anvertraut sind, leben in den Einrichtungen der Heimstiftung, es ist ihr zu Hause, in das wir kommen – ob im ambulanten oder stationären Bereich – und genau so wohl sollen sie sich auch fühlen.“ Herausforderung Selbstbestimmung „Gleichzeitig gibt es auch Grenzen“, sagt Stocker, und die sind, wo die Fürsorgepflicht beginnt. „Wird zum Beispiel eine abgesprochene und notwendige Medikamenteneinnahme verweigert, müssen wir natürlich sofort reagieren und mit den Ärzten oder gegebenenfalls den Angehörigen ins Gespräch gehen“, sagt Stocker. Aber auch hier gilt an erster Stelle der Wunsch der oder des Betroffenen, findet Simone Fink. „Es stellen sich immer wieder Einzelfallfragen, die uns abwägen lassen und vielleicht auch in einen inneren Konflikt bringen, weil wir für uns selbst anders entscheiden würden – trotzdem steht die freie Entscheidung aller Menschen an oberster Stelle. Selbst wenn das einen gesundheitlichen Nachteil bedeuten kann. Wir dürfen zu keiner Zeit über Menschen bestimmen – auch nicht bei Pflegebedarf“. Die eigene Meinung steht hinten an, Mitarbeitende sind in diesem Moment Dienstleistende, die bei der Umsetzung eigener Wünsche und Bedürfnisse unterstützen. Das ist nicht immer so einfach und selbstverständlich wie es scheint: etwa beim Thema Alkoholkonsum und Sucht. „Begleiten wir jemanden in den Raucherbereich, der diesen nicht mehr selbst erreicht?

10 | Gute Pflege | 3_2023 | Namen. — Nicht nur Schall und Rauch Vom Insassen über den Patienten und Klienten, hin zum Bewohner und vielleicht bald auch dem Kunden? Wie sprechen wir von den Menschen, die wir pflegen und betreuen? Für die unsere Einrichtungen ein Zuhause sind? Ein Streitgespräch zwischen Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider und Sozialexperte Prof. Dr. habil. Thomas Klie. Pflege im Fokus Kunde oder Bewohner? Das ist hier die Frage!

| Gute Pflege | 3_2023 | 11 Bewohnerin und Bewohner war über die letzten Jahre der meistgenutzte Begriff für Menschen mit Pflegebedarf im stationären Umfeld. Mehr und mehr wird er vom Begriff Kunde/Kundin abgelöst, aber das sorgt für Diskussionsstoff, nicht zuletzt zwischen Ihnen beiden. Wieso? Schneider: Ich glaube es kommt darauf an, aus welcher Perspektive man sich diese Frage stellt. Bei mir ist das die unternehmerische. Wir bieten als Pflegeunternehmen ein Produkt, eine Dienstleistung, die wir an den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden ausrichten. Außerdem bieten wir als Konzern verschiedenste Produkte, von einer Rehaklinik, über Mobile Dienste bis hin zu Tagespflege, Residenzen und stationären Pflegeeinrichtungen. Je nach Setting sprechen wir aktuell von Gästen, Mietern, Bewohnern oder eben auch Kunden. Und ich tue mich schwer damit, die Menschen im stationären Setting eben mit dem Begriff des „Bewohners“ auf das Wohnen zu reduzieren. Deshalb neige ich ganz klar dazu, über alle Angebote hinweg, von Kunden zu sprechen. Klie: Aus meiner Sicht ist es gut, wenn man unterschiedliche Rollen spielen kann und sich in verschiedener Weise begegnet. Das Wort „wohnen“ hat ja seinen Ursprung im Mittelhochdeutschen und bedeutet im Wortsinn zufrieden sein mit sich und dem, was einen umgibt, ein Zustand des Friedens und den suchen Menschen, wenn sie eine neue Wohnstadt unter der Bedingung von Abhängigkeit aufsuchen. Im Bereich der vollstationären Pflege ist das Wohnen andererseits mit dem „Heimbegriff“ assoziiert, von dem wir uns ja lösen, da er eine gewisse Asymmetrie in sich trägt. Nichts gegen Freundlichkeit in der Pflege. Aber gerade im Zusammenhang der Ökonomisierung der Pflege sehe ich kritisch, den auf Pflege angewiesenen Menschen vor allem als Kunden zu sehen und anzusprechen. Die Sachziele der Pflege und einer gemeinnützigen Organisation sind beziehungs- und vertrauensorientiert. Deshalb halte ich es für falsch, den Menschen, der im Heim lebt, einerseits – um es überspitzt zu sagen – zum Kunden zu „degradieren“ – er ist weit mehr als Kunde – und anderseits nicht zu übersehen, dass er das nicht hat, was eigentlich den Kunden auszeichnet: die Wahl. Sprache macht Kultur beziehungsweise Meinung sagt man häufig. Ist das so? und wenn ja, welche Kultur fördern die jeweiligen Begriffe Ihrer Ansicht nach? Klie: Ob der Begriff des Bewohners noch passt, darüber kann man streiten. Deshalb verstehe ich auch die Überlegungen, nach einem anderen Oberbegriff zu suchen. In Pflegeheimen bleibt der Begriff „wohnen“ für mich essenziell. Es geht darum – um es mit Schiller zu sagen – „Schutz und Nahrung“ zu finden. Das ist etwas anderes, als Empfänger von Dienstleistungen zu sein. Und: Pflege ist im Kern Interaktionskunst und keine standardisierte, erwartbare Dienstleistung. Schneider: Ich versuche auf zwei Ebenen zu erwidern: Die Herleitung des Wortursprungs des Bewohners ist nachvollziehbar. Auch den Kundenbegriff kann man herleiten. Aus dem Altdeutschen kommt er vom Einheimischen, vom Nachbarn, das sind durchaus auch positive Begriffe. Das Zweite: Der Mensch hat theoretisch schon eine Wahl, in welchem Setting er gepflegt werden möchte. Zwei Drittel wählen immer noch die Pflege zu Hause. Faktisch gibt es die Wahl aufgrund von Verfügbarkeiten aktuell oft nicht, das ist klar. Dennoch gibt es zumindest unterschiedliche Produkte für unterschiedliche Lebenssituationen, auch hier innerhalb der Heimstiftung. An erster Stelle steht immer das Handeln. Trotzdem spielt es eine Rolle wie wir von den Menschen sprechen, die wir pflegen und betreuen. > > >

12 | Gute Pflege | 3_2023 | JPahreslosung flege im Fokus Aber was ich eigentlich wichtiger finde herauszustellen, ist, dass der Kundenbegriff etwas in der Perspektive der Mitarbeitenden verändert. Da stimmt es absolut, dass Pflege Interaktion ist. Ich glaube jedoch, die Mitarbeitenden finden über den Kundenbegriff einen professionellen, aber deshalb nicht weniger liebevollen und empathischen Zugang zu den Menschen, die sie betreuen. Und das ist genau der Punkt, an dem wir unterschiedlicher Meinung sind. Klie: Die Überlegungen verstehe ich – unternehmensstrategisch. Aber Mitarbeitende begegnen den Menschen im Heim auf sehr unterschiedliche Weise: als Teil einer Gemeinschaft, verzweifelt, fordernd, bisweilen desorientiert. Es kommt auf die Situation an. Und die Rollen der Mitarbeitenden sind je verschiedene. Die Fachkräfte steuern den Pflegeprozess und stellen Vertrauensbeziehungen her: sie begegnen Patienten oder Klientinnen. Das Vertrauen in die professionelle Kompetenz steht im Fokus. Von einem Kunden zu sprechen, würde an dieser Stelle nicht stimmen. Die Hauswirtschaft hingegen ist ganz überwiegend eine Dienstleistung. Da können wir durchaus von einer Kundenbeziehung sprechen. Ein Mensch darf aber nie auf eine Rolle begrenzt werden. Wo er wohnt, ist er nicht nur Kunde. Schneider: Ich denke wir sind uns einig, dass der Mensch verschiedene Rollen einnehmen kann. Wieso soll ich aber die Summe der Rollen, die er einnehmen kann, nicht mit dem Kundenbegriff betiteln? Klie: Im unternehmerischen Kontext ist der Kundenbegriff naheliegend. Es gibt Produkte, die wir unseren Kunden anbieten, ihm verkaufen wollen. Analytisch betrachtet ist der Kundenbegriff im Pflegeheim wenn, dann nur teilweise zutreffend. Es fehlt an konstitutiven Merkmalen: unmittelbarer Austausch – Geld gegen Dienstleistung, Wahlfreiheit – existenzielle Verwiesenheit auf die Hilfe, fehlende Alternativen – Auszug fast unmöglich... Strategisch kann man ihn nutzen, aber bitte nicht generell. In der Sterbebegleitung ein Kunde zu sein, ist für mich eine schreckliche Vorstellung. Und: Sind Gottesdienstbesucher auch Kunden? Pflege ist Interaktionskunst. Das wird, wenn es gut geht, täglich gelebt. In einem guten Pflegeheim kann ich mich als Mensch in meinen Wesensmerkmalen entfalten: Bedeutung erlangen, Freude und Trauer (er)leben, eigene Ziele verfolgen, Sicherheit empfinden, Risiken eingehen – das ist nicht alles abzubilden in einer Kundenlogik. „ Ich glaube (...), die Mitarbeitenden finden über den Kundenbegriff einen professionellen, aber deshalb nicht weniger liebevollen und empathischen Zugang zu den Menschen, die sie betreuen.“ Bernhard Schneider > > > Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung

| Gute Pflege | 3_2023 | 13 Schneider: Über das Selbstverständnis sind wir uns einig. Ich sehe nur nicht die Schwierigkeit, diese Anforderungen mit dem Kundenbegriff zu vereinen. Vielleicht noch einmal die andere Perspektive: Ich würde mir manchmal wünschen, dass mein Arzt mich als Kunde ansehen würde und nicht als Patienten, dem er sagt, was er zu tun hat. Für uns als gemeinnütziges Unternehmen ist das Ziel, unseren Kunden eine ihren Wünschen entsprechende gute Dienstleistung zu erbringen und die besteht aus einer pflegefachlich guten Leistung, über Zuneigung und Empathie und ein „ Pflege ist Interaktionskunst. Das wird, wenn es gut geht, täglich gelebt. (...) das ist nicht alles abzubilden in einer Kundenlogik.“ Prof. Dr. habil. Thomas Klie das Gegenüber aufzuzeigen, dann ist das ok. Aber bitte nicht ausschließlich vom Kunden reden. Wir sind ja nicht auf der Aida. Die Kunst besteht am Ende darin, die Mitarbeitenden dazu zu ermutigen, ihre Kompetenzen und Begabungen so zu entfalten, dass sie immer die einzigartigen Menschen in ihrem Gegenüber sehen – und ihn bei seinem Namen nennen. Schneider: Ich glaube, dass Sprache Haltung beeinflusst. Allein der Begriff reicht aber nicht, sondern wir müssen das mit Leben und Verständnis füllen. Und genau auf die genannte Interaktionskunst kommt es an – in der jeweiligen Situation das richtige Gefühl zu geben. Am Ende braucht es im Alltag einen Begriff. Wohlwissend, dass wir den Menschen immer in seiner Unterschiedlichkeit wahrnehmen müssen. gutes Essen, bis hin zu einer guten Sterbebegleitung. Es geht darum, die Bedürfnisse des Menschen zu antizipieren – egal in welchem Bereich. Ich glaube also, dass wir dem Kundenbegriff in unserem Setting die Bedeutung zumessen sollen und können, die all diese gerade genannten Punkte umfasst. Macht es denn am Ende wirklich den Unterschied wie wir etwas benennen? Klie: Sprache ist verräterisch – so oder so. Vielleicht sollte man einmal fragen, ob sich die Menschen als Kunden empfinden, ob sie sich damit angesprochen fühlen. Wenn der Kundenbegriff dazu provoziert, neue Sichtweisen auf Prof. Dr. habil. Thomas Klie, Rechtswissenschaftler und exponierter Sozialexperte

14 | Gute Pflege | 3_2023 | Grüne Pflege Ist es nicht ein Luxus, selbst über das eigene Handeln entscheiden und damit einen Beitrag zum eigenen und gleichzeitig zum Gemeinwohl leisten zu können? Ja, findet die Projektgruppe Nachhaltigkeit der EHS und das fängt schon bei der Lebensmittelverschwendung an. Rund ein Drittel der Lebensmittel weltweit werden nach aktuellen Schätzungen jährlich vernichtet, während gleichzeitig zwei Milliarden Menschen nicht ausreichend Nahrung haben. Von der Erzeugung bis hin zur Entsorgung von Lebensmitteln werden zudem viele natürliche Ressourcen verbraucht und der weltweite Klimawandel durch Ausstoß von Treibhausgasen angeheizt. Lebensmittel zu verschwenden, bedeutet also gleichermaßen, die Zukunft und die Umwelt erheblich zu belasten. Auch in den Einrichtungen der EHS entstehen Lebensmittelabfälle. Ein Teil davon könnte vermieden werden: Es geht um Gewohnheiten und Prozesse – wirkliche Veränderungen im Alltag. Um sich damit auseinanderzusetzen ist die Heimstiftung Mitglied bei United Against Waste. Grüne Pflege. — Nicht für die Tonne Wo endet die Selbstbestimmung und wo beginnt das Gemeinwohl? Oder müsste es nicht im Interesse jedes und jeder Einzelnen sein, den Klimawandel aufzuhalten? 1. Lager Lebensmittelabfälle aus den Lagern (Kühlhaus, Tiefkühl, Trockenlager allgemein). Alle abgelaufenen Lebensmittel, die im Lager anfallen. Wie Lebensmittelabfälle entstehen:

| Gute Pflege | 3_2023 | 15 telabfällen über die gesamte Speisenversorgungskette gesammelt, gewogen und dokumentiert, um damit die Prozesse vom Einkauf bis zum Teller vollumfänglich abzubilden. Erste Ergebnisse „Erste Ergebnisse zeigen uns, wie wir Abläufe in der Speisenversorgung weiter verbessern können“, sagt Martin Suchaneck, Referent Umwelt, Klima, Nachhaltigkeit. Die Ausgangslage ist gut, trotzdem können Abfälle weiter reduziert werden: etwa durch die Anpassung der Portionsgrößen beim Abendessen oder eine angepasste Bestellung nach Bewohnerwünschen. Ziel der Projektgruppe ist eine vollständige Auswertung mit ganz praktischen Handlungsempfehlungen. Aber schon heute gilt: Lasst uns gemeinsam Essen retten – jeden Tag! Anja Moissl Martin Suchaneck United Against Waste United Against Waste e.V. ist eine Initiative für die Lebensmittelbranche. Gemeinsam mit seinen Mitgliedern stellt der Verein praxistaugliche Lösungen zur Verfügung, die aufzeigen, dass es Geld und wertvolle Ressourcen spart, Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Die Evangelische Heimstiftung ist Teil der nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung. Sie hat das Ziel, Lebensmittelabfälle entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette zu reduzieren. Bis 2030 sollen Abfälle bei Einzelhandel, aber auch Verbrauchern halbiert werden. Diese Ziele sind auch Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie der EHS. Agendaprojekt Nachhaltigkeit Innerhalb des strategischen Agendaprojekts Nachhaltigkeit hat die EHS deshalb ein Projekt zur Reduzierung der Lebensmittelabfälle gestartet. Ziel ist es, Lösungen zu finden, die im Alltag einfach umsetzbar sind. Nach und nach sollen die Maßnahmen dann auf alle Einrichtungen des Unternehmens ausgeweitet werden. Das ist die Basis, um in Zukunft so wenig Lebensmittel wie möglich wegzuwerfen. Methodischer Ansatz Die Ursachen für Lebensmittelabfälle sind vielfältig. Nur wenn bekannt ist, wo und weshalb Lebensmittel weggeworfen werden, können gute Maßnahmen zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung ergriffen werden. Innerhalb des Projekts werden alle anfallenden Lebensmit2. Produktionsabfall Alle Abfälle, die beim Produzieren anfallen. Beispiel: Reste, die beim Paprika schneiden anfallen, Zwiebel- schalen, verbrannte Brötchen, etc. 3. Überproduktion Ware, die zu viel für den Tag produziert und entsorgt wird. Ausgabebereich, Kühltheke, Free Flow, Buffet, etc. 4. Teller-Rückläufe Lebensmittelreste, die auf den Tellern zurückkommen.

16 | Gute Pflege | 3_2023 | Bauen Wir bauen für Sie. Der erste Bauabschnitt der umfangreichen baulichen und konzeptionellen Neuausrichtung des Haus Laurentius in Schönaich ist abgeschlossen. Im Oktober konnten 45 Bewohnerinnen und Bewohner in den Neubau und den modern sanierten Teil des Altbaus einziehen. Die drei Wohngruppen bieten jeweils Platz für 15 Menschen in schönen Einzelzimmern mit eigenem Bad. Die neuen Wohnbereiche mit den großzügigen modernen Küchen, Aufenthalts- und Essbereich bieten einen unvergesslichen Ausblick und machen den Alltag zu einem besonderen Erlebnis. Am ersten November startete der zweite Bauabschnitt. Hier werden die Bestandszimmer saniert, modernisiert und dem Standard der Zimmer im Neubau angeglichen. Der Abschluss des zweiten Bauabschnitts wird im Herbst 2024 erwartet. Nach Fertigstellung verfügt das Haus Laurentius über 90 Pflegeplätze, die nach dem EHS-Konzept „Wohnen und Leben in Gemeinschaft“ in sechs 15er Wohngruppen betrieben werden. Jedes Zimmer wird modern ausgestattet und verfügt über ein eigenes Bad. Jede Wohngruppe erhält einen neuen, großzügigen Aufenthalts- und Essbereich mit Ausblick in die Natur. Haus Laurentius, Schönaich 1.8Bauabschnitt 458 Einzelzimmer 38 Wohngruppen 18 Neubau +++ Aktuelle Bauprojekte: Thomashaus, Mannheim – Wolfgang-Wanning-Stift, Winnenden – Eduard-Mörike-Haus, Bad Mergentheim – Rehabilitationsklinik, Bad Sebastiansweiler –

| Gute Pflege | 3_2023 | 17 „Nach vielen Jahren Bauzeit schlagen wir ein neues Kapitel in der Geschichte unserer Traditionseinrichtung im Luginsland auf“, sagt Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider. Die Einrichtung, die bereits 1988 in Betrieb genommen wurde, hat in den letzten Jahren nicht nur zahlreiche bauliche Neuerungen durchlebt, auch das Wohngruppenkonzept der Heimstiftung wurde umgesetzt. Die modernen Einzelzimmer sind jetzt in neun familiären Wohngruppen mit eigenem Aufenthalts- und Essbereich zusammengefasst. Ziel des Konzepts ist es, den Kundinnen und Kunden zu ermöglichen, weiterhin Teil der gewohnten Umgebung und Gemeinschaft zu bleiben. Das Paul-Collmer-Haus bietet Platz für 131 Kundinnen und Kunden im stationären Wohnen. Teil des Angebots sind außerdem eine Tagespflege sowie acht Wohnungen, die Mitarbeitenden zum Wohne zur Verfügung stehen. Rund 13 Millionen Euro hat die Evangelische Heimstiftung in das Gesamtprojekt investiert. Paul-Collmer-Haus, Stuttgart „ Wir haben ein Augenmerk darauf, auch unsere bestehenden Einrichtungen baulich, energetisch und konzeptionell gut für die Zukunft aufzustellen.“ Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsfüher der EHS 1318Pflegeplätze 98 Wohnbereiche 88 Mitarbeitendenwohnungen 138 Millionen Investition Fachpflegeheim, Dornstadt – Martin-Haug-Stift, Freudenstadt – Pflegezentrum Gerstetten – Tagespflege Heidenheim – Dreifaltigkeitshof, Ulm

18 | Gute Pflege | 3_2023 | Ehrenamt Ausgezeichnet. — Ehrenamtspreis 2023

| Gute Pflege | 3_2023 | 19 Freiwilliges Engagement hat in der Heimstiftung eine lange Tradition: Seit der Gründung 1952 ist es ein fester Bestandteil in den Einrichtungen. Aktuell engagieren sich über 2.000 Menschen auf unterschiedliche Weise: Manche lesen vor, andere gehen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern spazieren oder begleiten sie auf ihrem Weg in die digitale Welt – um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Es gibt mehr Möglichkeiten und Formen sich einzubringen, als viele auf den ersten Blick erwarten würden. Sie haben andere Freiheiten als die Hauptamtlichen und können dadurch auch andere Formen der Teilhabe ermöglichen. Und sie profitieren auch selbst davon: Freiweilliges Engagement macht Spaß, schafft neue Handlungsspielräume und bietet die Möglichkeit, Gutes zu tun. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen sogar, dass soziales Engagement zu einer Steigerung der Lebenszufriedenheit beitragen kann. Man könnte auch sagen: Gutes tun, tut gut. Zur Förderung dieses Engagements, vergibt der Freundeskreis der EHS seit zehn Jahren einen Zum sechsten Mal hat der Freundeskreis der Evangelischen Heimstiftung e.V. in diesem Jahr, nach langer Pandemiepause, den Ehrenamtspreis vergeben. Ausgezeichnet wurden Projekte in drei Kategorien. > > > Ehrenamtspreis. Das Ziel: Der Preis soll den Einsatz der mehr als 2.000 freiwillig Engagierten in der Evangelischen Heimstiftung in den Mittelpunkt stellen und besondere Projekte würdigen. Aufgrund seines 30-jährigen Jubiläums hat der Freundeskreis das Preisgeld in diesem Jahr von bisher 3.000 Euro auf insgesamt 5.000 Euro erhöht. „Wir freuen uns sehr, dass wir wieder zu diesem freudigen Anlass zusammenkommen konnten. Die Förderung des freiwilligen Engagements in der Heimstiftung liegt uns als Verein ganz besonders am Herzen. Umso schmerzlicher war es, dass wir aufgrund der Pandemie län- gere Zeit keinen Ehrenamtspreis mehr ausloben konnten – insbesondere, da es ja gerade in diesen Krisenjahren beachtliches Engagement, aller Widrigkeiten zum Trotz, gegeben hat“, sagt Gerhard Gasser, Vorstand des Freundeskreises. „ Wir freuen uns sehr, dass wir wieder zu diesem freudigen Anlass zusammenkommen konnten.“ Gerhard Gasser, Vorstand des Freundeskreises Freiwilliges Engagement ist unbezahlbar

20 | Gute Pflege | 3_2023 | > > > Ehrenamt Aktuell engagieren sich über 2.000 Menschen auf unterschiedliche Weise in der EHS. Drei Kategorien und eine Jury Auch in diesem Jahr gab es wieder drei Wettbewerbskategorien. Eine Jury hat über die Vergabe der Preise entschieden. Sie ist besetzt mit Personen des öffentlichen und kirchlichen Lebens sowie des Freundeskreises. Bewerben konnten sich alle Einzelpersonen oder Gruppen, deren ehrenamtliches Engagement einem der drei folgenden Themenschwerpunkte zugeordnet werden kann: „Buntes Ehrenamt – Vielfalt in der Begegnung“, „Unmögliches möglich machen – Ehrenamt während der Pandemie“ und „Gemeinsam im Quartier“. „19 Bewerbungen sind eingegangen und die Auswahl fiel schwer. Das ist auch daran zu sehen, dass wir zwei Sonderpreise vergeben haben“, sagt Eva Hrabal, in der Zentrale der EHS verantwortlich für das Freiwilligenmanagement. Damit gibt es in jeder Kategorie einen Hauptpreis in Höhe von 1.666 Euro sowie die beiden Sonderpreise für herausragendes Engagement.

| Gute Pflege | 3_2023 | 21 Gemeinsam im Quartier Gewinner in der Kategorie „Gemeinsam im Quartier“ ist die Zusammenarbeit zwischen der Palliative-Care-Beauftragten in der Region Mannheim, Anja Heitkamp, und den lokalen Hospizdiensten des Arbeiter-Samariter-Bundes Mannheim/ Rhein-Neckar sowie der ambulanten ökumenischen Hospizhilfe Caritasverband Mannheim e.V. 20 ehrenamtliche Mitarbeitende der Hospizdienste besuchen regelmäßig die fünf Einrichtungen der Region. Angehörige fühlen sich ernst genommen und wertgeschätzt. Das Engagement entlastet außerdem die hauptamtlichen Mitarbeitenden. „Dieses Projekt erhält den Ehrenamtspreis in der Kategorie „Gemeinsam im Quartier“ für die Vernetzung der Pflegeheime der Region untereinander, aber auch für die Kooperation mit den Hospizdiensten. Sie begleiten die Menschen in der letzten Lebensphase und sorgen für die Verknüpfung von Haupt- und Ehrenamtlichen, zur optimalen palliativen Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner“, begründet die Jury. Unmögliches möglich machen Musik, Freude, Hoffnung und Zuversicht vermittelte die Balkonmusik während der Coronapandemie im Generationenzentrum St. Ilgen. Dafür erhält Andrea Unverfehrt den Ehrenamtspreis in der Kategorie „Unmögliches möglich machen“. Zu Beginn des Corona-Lockdowns gab es landesweit den Aufruf an Musiker, am Sonntag um 18 Uhr vom Balkon „Ode an die Freude“ zu spielen. Am zweiten Sonntag, dem 29.3.2020, beschloss Andrea Unverfehrt gemeinsam mit Christa Musotter (Tenorhorn) nicht VOM (eigenen) Balkon, sondern VORM Balkon des Generationenzentrums St. Ilgen Musik zu machen, um die Bewohnerinnen und Bewohner in der Isolation zu erfreuen. Aus den anfangs ein bis vier Liedern entwickelte sich dies zu einer halbstündigen „Balkonmusik“ auch mit mehreren Musikern, die > > > Musik in Zeiten der Pandemie Gemeinsam im Quartier für die palliative Versorgung

22 | Gute Pflege | 3_2023 | jeden Sonntag stattfand. Aufgrund der großen Zustimmung wurde die Balkonmusik auch nach dem Lockdown (im Jahr 2021 insgesamt noch 25 Mal) – bis heute (ein- bis zweimal im Monat) – fortgeführt. War wetterbedingt ein Aufenthalt für die Bewohnerinnen und Bewohner auf dem Balkon nicht möglich, saßen sie in der Caféteria, die Tür wurde geöffnet und musiziert wurde im Freien „Unterm Balkon“. Hinzu kamen weitere jahreszeitlich passende musikalische Vorträge und 2022 acht „Musikalische Bilderbücher“ für die Winterzeit. Hier wurden per Beamer die Bildseiten auf eine große Leinwand übertragen, eine entsprechende Geschichte und Musik begleiten den Vortrag. „Hier wurde ungewöhnlich schnell eine Aktion mit großer Wirkung begonnen, die bis heute, seit nun über drei Jahren anhält. Wir sind begeistert von diesem Engagement“, findet die Jury. Buntes Ehrenamt Der Ehrenamtskreis des Wohnstifts Hansegisreute in Heidenheim bietet vielfältige ehrenamtliche Aktivitäten. Von regelmäßigen Andachten, über Besuche und Spaziergänge, Bibelkreise und Einkaufsdienste, bis hin zu Gymnastik, Nachtcafé und Männerstammtisch – da ist für alle etwas dabei. Das Engagement sorgt für Vielfalt im Alltag der Bewohnerinnen und Bewohner. Es ermöglicht Gemeinschaft und Aktivitäten, die ohne das ehrenamtliche Engagement nicht stattfinden könnten. „Das Angebot des Ehrenamtskreises in Heidenheim hat eine beeindruckende Bandbreite und passt sich auf kreative Weise den vielfältigen Bedürfnissen der Menschen im Pflegeheim an. Es unterstützt die Individualität und schafft Raum für die Erfüllung von Wünschen nach besonderen Freizeitaktivitäten – auch bei Pflegebedarf“, lautet die Zusammenfassung der Jury. „Insbesondere aufgrund der Lage der Einrichtung, außerhalb des Stadtzentrums, unterstützen Angebote, wie etwa Fahrdienste, auch die Teilhabe der Bewohnerinnen und Bewohner. Dafür erhält der Ehrenamtskreis den Preis in der Kategorie „Buntes Ehrenamt“. Ehrenamt > > > Der Ehrenamtskreis ist seit vielen Jahren in Heidenheim aktiv Die Preisträgerinnen und Preisträger aller Kategorien

| Gute Pflege | 3_2023 | 23 Sonderpreise „In diesem Jahr haben wir zwei Sonderpreise vergeben. Einer geht an das Projekt „Musizieren mit allen Sinnen“ des Seniorenzentrums Goldscheuer in Kehl. Dabei erinnern sich Bewohnerinnen und Bewohner an die Musik aus ihrer Jugendzeit, das bringt Lebensfreude und einen freudigen Austausch“, sagt Gerhard Gasser. Seniorinnen und Senioren, besonders die dementiell veränderten Bewohnerinnen und Bewohner, sehen, hören, fühlen und spielen die Musik, indem sie mit Instrumenten wie Trommel, Rassel, Sandei und Rumbakugel in der Gemeinschaft musizieren. Damit wird die Gedächtnisleistung verbessert, außerdem spricht es die Gefühlswelt an und aktiviert Erinnerungen. Das Leben leichtnehmen, Spaß haben und den Menschen, die anvertraut sind, ein Stück Lebensqualität und Freude zu geben, ist das gemeinsame Ziel. Der zweite Sonderpreis geht an das Digital Café am Standort Nehren. Als 2021 das Betreute Wohnen „Residenz Nehren“ entstand, sollte auch modernste Technik in den Komplex Einzug halten. Damit entstanden neue Möglichkeiten für eine digitale Teilhabe von Bewohnerinnen und Bewohnern. Seit 2021 gibt es nun das wöchentlich stattfindende Digital Café. Ehrenamtlich Engagierte unterstützen beim Umgang mit Handy und dem ALADIEN-Tablet. Sie ermöglichen damit nicht nur digitale Teilhabe, sondern auch Kommunikation mit Familienangehörigen. Das Angebot stärkt das Selbstwertgefühl, erweitert den Horizont und schenkt auch ganz einfach Begegnung unter den Teilnehmenden. Die weiteren Angebote wie Puzzle- und Quiz-Apps sind bereits in der Planung. Das Statement der Jury: „Das Angebot trägt dazu bei, dass die älteren Menschen aktiv bleiben und eine digitale Teilhabe möglich wird. Wir halten das Projekt für zukunftsweisend und vergeben daher einen weiteren Sonderpreis.“ Das Digital Café in Nehren Ehrenamt – ein Gewinn für alle. Wir freuen uns über euer Engagement! >>> Sie haben Interesse sich in der Heimstiftung zu engagieren? Dann freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme unter: ehrenamt@ev-heimstiftung.de

24 | Gute Pflege | 3_2023 | Ehrenamt 30 Jahre Freundschaft. — Gefragt Sie begleiten den Freundeskreis bereits über viele Jahre. Wo kommen wir her, wo stehen wir heute? Der Ausgangspunkt zur Vereinsgründung war das Jahr 1997. Eine neue Regelung bei der Pflegeversicherung hat es damals Angehörigen und Pflegebedürftigen unmöglich gemacht, den Einrichtungen eine monetäre Spende zukommen zu lassen. Durch die Gründung eines eigenständigen Vereins, unseres Freundeskreises, konnten weiterhin anonyme und zweckgebundene Spenden weitergegeben werden. Seitdem „verwaltet“ der Freundeskreis diese Spenden – im ersten Jahr konnten wir bereits 20.000 Euro sammeln – heute, nach nunmehr über 30 Jahren haben wir die Grenze von über einer halben Millionen Euro gesammelter Spendengelder erreicht. Für uns ein erfreulicher Erfolg, auf den wir stolz sein dürfen. Danke an dieser Stelle an jede einzelne Spenderin und jeden einzelnen Spender. Die Spenden kommen zu 100 Prozent den Wünschen der Bewohnerinnen und Bewohner und dem Leben im Pflegeheim zu Gute, alle Vereinsarbeit ist ehrenamtlich und es entstehen keinerlei Verwaltungskosten. Wie hat sich das Selbstverständnis über die letzten 30 Jahre gewandelt? Das bis heute gelebte Selbstverständnis des Vereins hat sich deutlich erweitert. 2012 gab es eine große, gravierende Veränderung denn damals wurden wir, der Freundeskreis, vom reinen „Spendensammler“ zum Mitgesellschafter der Heimstiftung. Seit dieser Zeit gestalten wir das Unternehmen aktiv mit. Wir haben unter anderem den Ehrenamtspreis ins Leben gerufen, mit dem wir zum einen das Ehrenamt würdigen, aber auch Impulse setzen wollen, Projekte herausstellen, die nachahmenswert sind. Wir freuen uns über eine rege Beteiligung – in diesem Jahr wurden 19 Projekte für die Bewerbung zum Ehrenamtspreis eingereicht. Gerhard Gasser hat seit 2014 den Vorstand des Freundeskreises der Evangelischen Heimstiftung e. V. inne. Seit jetzt 30 Jahren setzt sich der Verein unter anderem für die ehrenamtliche Arbeit in den Einrichtungen der EHS ein und hat in diesem Jahr zum sechsten Mal den Ehrenamtspreis vergeben. Ein guter Zeitpunkt für ein Gespräch über Selbstverständnis und Zukunft des Vereins.

| Gute Pflege | 3_2023 | 25 Gerade kürzlich haben Sie den Ehrenamtspreis verliehen. Warum hat das Ehrenamt in der Pflege eine so große Bedeutung für den Freundeskreis? Qualitätvolle Arbeit vor Ort wird immer von der Qualität des ehrenamtlichen Engagements abhängen. 2.000 Ehrenamtliche sind Teil der EHS und leisten unendlich viele Stunden ehrenamtlicher Arbeit. Dieses Engagement wollen wir ja gerade durch die Vergabe des Ehrenamtspreises würdigen. Für die Einrichtungen ist es ganz wichtig, im Austausch mit den Ehrenamtlichen zu bleiben, denn diese bereichern das Leben in den Pflegeeinrichtungen, bringen mit ihren Erfahrungen vielfältige Angebote ein und sind mit dem Gemeinwesen sehr gut vernetzt, oft als „Meinungsbotschafter“. Ich persönlich mag den Begriff „Freundeskreis“ ja sehr gerne. Das ist jemand, der zwar nicht im engsten Sinne zur Familie gehört, ihr aber dennoch sehr eng verbunden sein kann. Wie eine zweite Familie im besten Fall. Passt das zum Freundeskreis der EHS? Absolut. Das beschreibt es genau richtig! Auch im Verein haben wir uns in letzter Zeit nochmals ausführlich mit dem Begriff auseinandergesetzt: Der Freundeskreis ist nicht die Familie, wir sind ja auch rechtlich ein eigenständiger Verein. Wir sind der Heimstiftung aber eng verbunden, schätzen und unterstützen sie, ohne aufdringlich zu sein. Genau das wollen wir für die EHS-Familie sein und so qualitative Arbeit vor Ort unterstützen, zum Wohl der Bewohnerinnen und Bewohner. Manche Vereine denken nach 30 Jahren darüber nach sich aufzulösen. Nicht so der Freundeskreis. Es geht eher um die Frage, was den Verein zukunftsfähig macht. Wohin soll es die nächsten 30 Jahre gehen? Unser Freundeskreis kann seinen satzungsmäßigen Auftrag sicherlich in der Zukunft durch seine dienende Funktion sehr gut erfüllen. Wir müssen und wir wollen aber auch verstärkt unsere Öffentlichkeitsarbeit angehen. Wir wünschen uns außerdem mehr Austausch mit unseren Spenderinnen und Spendern. Dabei möchten wir unsere Zielgruppe erweitern. Wir denken verstärkt an Mitarbeitende im Ruhestand und möchten sie dazu einladen, Freundinnen und Freunde der Heimstiftung zu werden. Arbeiten wir in Zukunft weiterhin gemeinsam daran, als wichtiger Teil der erweiterten EHS-Familie zu unterstützen und zu fördern. >>> Der Freundeskreis der EHS freut sich über jede Spende. Spendenkonto: Evangelische Bank IBAN DE21 5206 0410 0000 4040 20 BIC GENODEF1EK1 Gerhard Gasser „ Qualitätvolle Arbeit vor Ort wird immer von der Qualität des ehrenamtlichen Engagements abhängen.“

26 | Gute Pflege | 3_2023 | Die Heimstiftung hat eine klare Vision: Quartiersentwicklung als zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie. Bei der EHS sind Pflegeeinrichtungen nicht nur Orte der Fürsorge, sondern aktive Partner im Herzen unserer Quartiere. Unsere Teams öffnen Türen zu neuen Formen der Quartiersarbeit und fördern lokale Unterstützungsnetzwerke, indem sie auf eine einzigartige Mischung aus Familien, Nachbarschaft, ehrenamtlichem Engagement und professionellen Dienstleistern setzen. Die Quartiersentwicklung integriert ältere Menschen in die Gesellschaft und trägt zur Verbesserung der Lebensqualität bei. Es entstehen Kooperationen und Partnerschaften. Das ist unser Schritt in Richtung einer inklusiven und nachhaltigen Gesellschaft. Angesichts Herausforderungen wie dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel wird die Quartiersarbeit noch bedeutungsvoller. Deshalb gibt es nun das Projekt der Quartierspioniere. Das sind Einrichtungen, die über zwei Jahre intensiv begleitet und qualifiziert werden, um noch besser im Quartier zu agieren. Eine Einrichtung pro Region der EHS nimmt Teil, mit dem Ziel diese Erfahrungen anschließend an weitere Einrichtungen weiterzugeben. Neben einer Sozialraumanalyse mit Potenzialerhebung werden Zielvorhaben definiert und im Drei-Monats-Rhythmus bearbeitet und überprüft. Während des Projektzeitraumes setzt jede beteiligte Einrichtung eine besondere Quartiersaktion um, die bestehende Pflege- und Betreuungsangebote sinnvoll ergänzt. Zusätzlich entwickeln die Standorte im Rahmen des Projekts ihre individuellen Strategien zur Vernetzung im Quartier und gewinnen dabei auch freiwillig Engagierte. Bettina Ongerth, die Leiterin des Referats Wohnen und Quartier, betont: „Es ist uns wichtig zu unterstreichen, dass es bereits viele gute Initiativen der Quartiersarbeit in unseren Einrichtungen gibt. Die Quartierspioniere sollen als Katalysator dienen und weitere Quartiersaktivitäten anstoßen, begleitet von einem klaren Projektrahmen. Wir wollen gemeinsam die Quartiersarbeit vorantreiben, unsere Quartiere beleben und eine Gesellschaft schaffen, in der wir alle gut leben können und möchten.“ Unsere Quartierspioniere... Das sind wir

| Gute Pflege | 3_2023 | 27 ...und ihre Standorte. Bad Mergentheim Mannheim Stuttgart Schorndorf Heilbronn Tübingen Ulm Freudenstadt Friedrichshafen Bietigheim-Bissingen Vaihingen/Enz Bad Boll Calw Heidenheim Neuried Isny Tauberbischofsheim Weikersheim Blaufelden Rot am See Kirchberg Ilshofen Satteldorf Crailsheim Fichtenau-Wildenstein Alfdorf-Pfahlbronn Lorch Remseck Reichenbach/Fils Hochdorf Uhingen Albershausen Gerstetten Langenau Giengen Dornstadt Blaubeuren Leutkirch Wangen Rosenfeld Balingen Mössingen Nehren Lenningen Dettingen Kappelrodeck Kehl-Goldscheuer Gäufelden-Nebringen Bad Wildbad Engelsbrand Niefern Sersheim Eberdingen-Hochdorf Hambrücken Neudenau Neuenstadt/Kocher Nußloch Leimen Heddesheim Hirschberg Gemmingen Nordheim Brackenheim Ilsfeld Walheim Besigheim Ingersheim Backnang LB-Poppenweiler LB-Neckarweihingen Winnenden Plochingen Deizisau Waldenbuch Böblingen Schönaich Lauda-Königshofen Standorte der EHS mit Quartierspionieren. Weitere Standorte der EHS.

28 | Gute Pflege | 3_2023 | EHS international International. — Global Ageing Network

| Gute Pflege | 3_2023 | 29 In diesem Jahr hat die EHS zum ersten Mal an der alle zwei Jahre stattfindenden Konferenz des Global Ageing Network (GAN) in Glasgow teilgenommen. In Zusammenarbeit mit Scottish Care und dem National Care Forum – den führenden Verbänden von Pflege- und Unterstützungsanbietern in Schottland und England – bot die Konferenz Gelegenheit zu gemeinsamem Lernen und Vernetzung. 2023 stand die Konferenz unter dem Motto „Care about Our Future“ und war damit ein globales Symposium für nachhaltige Pflege und Unterstützung. Die Konferenz umfasste Zukunftsperspektiven für innovative Ideen, Forschung, Projekte und Programme bezogen auf spezifische Bedürfnisse in den Bereichen stationäre und ambulante Pflege sowie dem Betreuten Wohnen. Aspekte von Menschenrechten, über Vielfalt und Kulturwandel bis hin zu Künstlicher Intelligenz und Kreativität im Alter standen dabei im Mittelpunkt. Eine Keynote sprach Dr. Claudia Mahler, sie ist unabhängige Expertin für die Rechte älterer Menschen der United Nations (UN Independent Expert on the Enjoyment of Human Rights by older persons). Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Deutschen Instituts für Menschenrechte beschäftigt sie sich mit wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten, mit einem Schwerpunkt auf den Rechten Älterer. Altersdiskriminierung und Diversität in der Pflege waren die Themen ihres Vortrags. Die große Angst sei es, etwas falsch zu machen – aus dieser Angst heraus, tue dann niemand irgendetwas. Frauen seien dabei die meist exkludierte Gruppe innerhalb der öffentlichen Debatte, aber gleichzeitig auch die besonders betroffenen Personen, berichtet Mahler. Angefangen mit Altersarmut und ausgeschlossen vom Zugang zu Fortschritt und Technologie, weil sie ihr Leben häufig unbezahlter Care Arbeit innerhalb der Herkunftsfamilie gewidmet haben. Die personenzentrierte Pflege, nimmt Unterschiedlichkeit in den Blick. Dr. Mahler ermutigte dazu, sich mit diesen Themen noch mehr auseinanderzusetzen und sich zu positionieren, gerade auch im öffentlichen Diskurs. Das Netzwerk Das Global Ageing Network (GAN) bietet eine Plattform für politische Entscheidungsträger, Forscher, Unternehmen und Anbieter von Altersdienstleistungen. Ziel ist es, weltweites Wissen zu teilen und damit die Pflege älterer Menschen zu verbessern. Der internationale Zusammenschluss ermöglicht den Austausch von Forschung, Dienstleistungen, Produkten und Schulungen. Die EHS ist mit ihrer Mitgliedschaft im European Ageing Network (EAN) Teil des GAN. Es vereint mehr als 10.000 Pflegeanbieter aus 27 europäischen Ländern. „Care about Our Future“ war das Motto der Konferenz des Global Ageing Network in Glasgow. Auch die Evangelische Heimstiftung war Teil davon. Kolleginnen aus der EHS mit Dr. Claudia Mahler (2.v.r.)

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