Ausgabe 3/2023

30 | Gute Pflege | 3_2023 | Kommentar – (E)InSicht Die hohen Kosten in der stationären Pflege sind weiterhin in aller Munde. Auch wir überschreiten bereits die 4.000 Euro Eigenanteil. Immer wieder wird der Ruf nach einer Vollversicherung laut. Aber was bedeutet das eigentlich? Mit Pflegevollversicherung wird häufig suggeriert, dass im Pflegeheim alle Kosten übernommen werden – das ist ja nicht der Fall. Es geht nur um die pflegebedingten Kosten, also einen Teil der Gesamtkosten. Diese soll die Pflegeversicherung unbedingt übernehmen, sonst verdient sie ihren Namen nicht. Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investition, die dann noch übrigbleiben, liegen derzeit mit teilweise über 1.500 Euro aber immer noch deutlich über der Durchschnittsrente. Diese Eigenanteile kann sich keiner leisten. Natürlich wäre es für die Pflegebedürftigen eine gute Sache, würden diese Kosten vollständig von der Versicherung übernommen, für die Solidargemeinschaft aber auch eine große Belastung. Und die ist politisch kaum durchsetzbar. Deshalb sind kluge Lösungen zur Finanzierung notwendig. Der zwischen den Ministern Lindner und Lauterbach ausgetragene Streit führt nicht weiter. Wichtig wäre eine Kombination von Finanzierungsbausteinen, wie das Gutachten von Prof. Rothgang für die Initiative Pro Pflegereform aufzeigt. Neben einem regelhaften Steuerzuschuss und einer moderaten Erhöhung des Versicherungsbeitrags gibt es drei weitere Stellschrauben, die einen spürbaren Effekt auf die Einnahmen haben. Da ist zunächst ein Zuschuss, den die für die pflegerische Infrastruktur verantwortlichen Länder leisten müssen, um Heimbewohnerinnen und Heimbewohner bei den hohen Investitionskosten zu entlasten. Eine vierte Stellschraube ist die Weiterentwicklung der Pflege- zu einer Bürgerversicherung. Damit werden alle Bürger und Einkommensarten in die Solidargemeinschaft einbezogen. Und schließlich gibt es den Sockel-Spitze-Tausch, der die Eigenanteile verlässlich begrenzt und die konkrete Möglichkeit eröffnet, über eine Zusatz- versicherung für den Eigenanteil die private Vorsorge zu stärken. Deshalb wäre die Pflegeversicherung mit fixem Eigenanteil die bessere Lösung. Das ist im Prinzip eine Pflegevollversicherung, aber mit den genannten Finanzierungsbausteinen finanzierbar und generationengerecht. Und sie eröffnet je nach politischer Gemengelage das Feld für mögliche Kompromisse. Dazu braucht es mehr als eine plakative Forderung nach „Vollversicherung“, die nicht mehr in die Zeit passt. Gefordert sind politische Gestaltungskraft, die wir der Ampelkoalition oder auch nachfolgenden Regierungsbündnissen von Herzen wünschen. Die Pflege hätte es jedenfalls voll verdient. Pflege voll versichert. — (E)InSicht Bernhard Schneider

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