Ausgabe 1/2024

1 | 2024 Gute Pflege Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung Eingemischt. — Denn du hast die Wahl

2 | Gute Pflege | 1_2024 | Pflege und Politik 4 | Offen. Für Vielfalt und Demokratie 10 | Wir sind Vielfalt – wir sind eins. Gespräch Kommentar – (E)InSicht 17 | E(H)S ist Zeit aufzustehen. Das sind wir 18 | Der Konvent. Neues 20 | In Bewegung. Arbeitsrecht 22 | Konsens. Dritter Weg, erste Wahl? 28 | Gefragt. Dietmar Prexl Pflege im Fokus 32 | Stark. Leitungsteam im Pflegeheim Personalien 34 | Neue Führungskräfte. 10 22 04 Offen. — Für Vielfalt und Demokratie Impressum Verantwortlich: Bernhard Schneider Redaktion: Ann-Christin Kulick Telefon 0711 63676-125 redaktion@ev-heimstiftung.de Nicht gekennzeichnete Artikel sind von der Redaktion verfasst. Anschrift Redaktion Gute Pflege. Hackstraße 12, 70190 Stuttgart Gestaltung: AmedickSommer GmbH, Stuttgart Fotos: alle Fotos Evangelische Heimstiftung mit Ausnahme von: – Adobe Stock: S.1, 3 Olga Kriger; S. 2 (o.l.) 4 New Africa; S. 2 (o.r.), 22, Jesse B/ peopleimages.com; S.3 (o.l.), 32 top images; S.7 GMZ; S.8 robsonphoto; S.9 Melinda Nagy; S. 20 leszekglasner S. 21 (o.) sudok1 S. 25 Nuthawut S. 26 Rawpixel.com S. 27 Nuthawut – Lutz Härer: S.17 Produktion und Druck: Offizin Scheufele, Druck und Medien GmbH + Co.KG Nachdruck und elektronische Verwendung nur mit schriftlicher Genehmigung. „Gute Pflege. Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung“ erscheint dreimal jährlich. Auflage: 16.000 Herausgeber: Evangelische Heimstiftung GmbH www.ev-heimstiftung.de Der Bezugspreis ist durch den Beitrag abgegolten. Im Magazin werden, soweit möglich, neutrale, alle Geschlechter einschließende Begriffe verwendet – oberstes Gebot bleibt jedoch die Verständlichkeit der Sprache.

| Gute Pflege | 1_2024 | 3 32 Gute Pflege. Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung. Liebe Leserinnen, liebe Leser, wer die Wahl hat, hat die Qual? Ein altbekanntes Sprichwort lautet so. Aber ist nicht die eigentliche Qual, keine Wahl zu haben? Umso wichtiger, dass wir unsere Möglichkeiten nutzen: zum Beispiel bei der Europawahl und den Kommunalwahlen in diesem Jahr. Was Demokratie und Mitbestimmung mit uns als Pflegeunternehmen zu tun haben, darum dreht sich ein Schwerpunkt in dieser neuen Ausgabe unseres Magazins Gute Pflege. „Eingemischt. – Denn du hast die Wahl“ lautet der Titel und diese Wahl bezieht sich nicht nur auf die politische Mitbestimmung. Wir haben auch die Wahl, wie wir in unserer Gesellschaft mit Dimensionen von Vielfalt umgehen, wie offen wir gegenüber Innovation sind und ob wir uns aktiv um Verständ- nis bemühen und nach Hintergründen fragen – etwa, wenn es um die Gestaltung unserer Arbeitsbedingungen geht, weil uns das alles nicht egal ist. Davon handelt der zweite Schwerpunkt. Eine Neuerung versteckt sich außerdem in dieser Ausgabe: Überall dort, wo ein QR-Code erscheint, verbergen sich weiterführende Informationen, die per Scan mit dem Smartphone abgerufen werden können. Viel Freude beim Entdecken! Die Gute-Pflege-Redaktion 1 | 2024 Gute Pflege Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung Eingemischt. — Denn du hast die Wahl

4 | Gute Pflege | 1_2024 | Offen. — Für Vielfalt und Demokratie Pflege und Politik

| Gute Pflege | 1_2024 | 5 „ Die EHS ist international, weltoffen und sie steht für Frieden, Demokratie und Verständigung, Vielfalt und Toleranz. Diskriminierende, menschenverachtende und rassistische Äußerungen und Handlungen werden in unseren Einrichtungen und Diensten nicht geduldet.“ Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer Um diese Werte gesellschaftlich zu stärken, setzt sich die Diakonie für den Schutz unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung ein. Rüdiger Schuch, Präsident der Diakonie Deutschland, rief selbst im Januar dazu auf, sich im ganzen Land an Protestaktionen gegen rechts zu beteiligen. Und auch die Heimstiftung positioniert sich ganz klar nach dem Motto „Wir pflegen Vielfalt und Offenheit“. Das Bekenntnis zu dieser Grundhaltung setzt die EHS in der Zusammenarbeit voraus: bei allen Mitarbeitenden, Kundinnen, Kunden, Angehörigen und Partnern. „Diskriminierende, menschenverachtende und rassistische Äußerungen und Handlungen werden in unseren Einrichtungen und Diensten nicht geduldet“, sagt Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider. Diese Einstellung prägt nicht nur das gute Miteinander in den Einrichtungen und zwischen allen Menschen, die dort leben, arbeiten und zu Besuch sind, sondern diese Verantwortung gilt es auch als Bürger oder Bürgerin wahrzunehmen: denn nur in einem offenen und demokratischen Umfeld können diese Werte gelebt und erhalten werden. Die Demokratie ist eine wichtige Grundvoraussetzung für die Wahrung der Menschen- > > > Diakonie, Vielfalt und Offenheit. Das sind untrennbare Begriffe. Denn das ureigene Selbstverständnis von Wohlfahrtsverbänden ist es, sich für die einzusetzen, die auf Hilfe angewiesen sind – ohne Ansehen persönlicher Merkmale. Basierend auf dem Kern des christlichen Verständnisses, der Nächstenliebe.

6 | Gute Pflege | 1_2024 | rechte und ein respektvolles Zusammenleben in Deutschland. In einer Demokratie bestimmen die Bürgerinnen und Bürger, von wem sie regiert werden wollen und damit, wie sich das Zusammenleben gestaltet – auch in unseren Einrichtungen. Entscheidend ist dabei, dass möglichst viele Menschen ihr Wahlrecht wahrnehmen. Wenn nur wenige Menschen wählen gehen, bestimmt nur dieser kleine Teil darüber, wer die gesamte Bevölkerung auf politischer Ebene vertritt und Entscheidungen für die Zukunft trifft. „Davon profitieren dann meistens extreme und populistische Parteien“, sagt Hanna Kaspar, Referentin für Europäische Sozialpolitik bei der Heimstiftung. Demokratie leben In diesem Jahr gibt es wieder eine Möglichkeit mitzubestimmen, die Demokratie zu stärken und damit auch auf die Zukunft unseres Zusammenlebens einzuwirken. Die Europawahl. „In der öffentlichen Wahrnehmung scheint die EU-Wahl eine kleinere Rolle zu spielen als zum Beispiel die Bundestags- oder Landtagswahl. Die EU-Wahl wird offenbar als nicht so wichtig eingestuft. Dabei fallen viele politische Entscheidungen, die alle Bürger in den EU-Staaten betreffen, nicht mehr in den jeweiligen Hauptstädten, sondern in den europäischen Institutionen in Brüssel oder Straßburg“, erklärt Hanna Kaspar. „Die Europawahl in diesem Jahr ist besonders entscheidend, da rechtspopulistische und antieuropäische Parteien in den letzten Jahren zunehmend Einfluss in den europäischen Mitgliedsstaaten gewonnen haben. Bei der Wahl steht also nicht nur die Werteeinstellung der EU, sondern auch ihre Handlungsfähigkeit auf dem Spiel.“ Auch für die Menschen, die in der Heimstiftung leben und arbeiten ist die EU-Wahl ein wichtiges Instrument der Mitbestimmung, was ihre Arbeitsbedingungen und Lebensumstände im Alter betrifft – Themen, die uns alle ange- hen. Wählen heißt Verantwortung übernehmen – auch für nachfolgende Generationen. Europa wählen Bei den Europawahlen wählen die Bürgerinnen und Bürger aller EU-Länder die Mitglieder des Europäischen Parlaments. Das Europäische Parlament vertritt die Interessen der EU-Bürgerinnen und Bürger bei wichtigen politischen Entscheidungen – etwa bei der Gestaltung und Abstimmung neuer Gesetze, bei der Genehmigung des EU-Haushalts oder der Wahl der neuen EUKommission. Bei der vergangenen Europawahl im Jahr 2019 lag die Wahlbeteiligung bei etwa 51 Prozent. Im Vergleich dazu lag die Wahlbeteiligung bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2021 bei 76,4 Prozent. Jeder Wähler und jede Wählerin hat in der Europawahl eine Stimme. Mit diesem einen Kreuz auf dem Stimmzettel wird eine Partei oder eine politische Vereinigung gewählt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um die direkte Wahl von Kandidatinnen und Kandidaten, sondern eine Wahlliste, die vorab von den Parteien festgelegt wird. Je mehr Stimmen eine Partei erhält, desto mehr Europaabgeordnete schickt sie ins Europäische Parlament. Die Wahllisten sind beim Erscheinen dieser Ausgabe bereits veröffentlicht. > > > Pflege und Politik

| Gute Pflege | 1_2024 | 7 > > > Wahl ohne deutsche Staatsangehörigkeit Bürgerinnen und Bürger aus anderen EU-Mitgliedsstaaten, die aber in Deutschland wohnen, können entweder in Deutschland oder in ihrem Herkunftsland wählen. Hierbei wichtig: Bürgerinnen und Bürger ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die sich dazu entscheiden (zum ersten Mal) in Deutschland an der Europawahl teilzunehmen, müssen sich spätestens bis zum 19. Mai 2024 im Wählerverzeichnis der Gemeinde am Wohnort eintragen. Wer dagegen die Europaabgeordneten des Herkunftslandes wählen möchten, sollte sich für weitere Informationen an die zuständige Stelle des jeweiligen EU- Mitgliedsstaates wenden. Darf ich wählen? Bei der Europawahl wahlberechtigt ist in Deutschland, wer • mindestens 16 Jahre alt ist, • die deutsche oder eine andere EU-Staatsbürgerschaft besitzt, • in Deutschland wohnt und sich seit mindestens drei Monaten in der EU aufhält. 21 Tage vor der Wahl: Wahlberechtigung der Wohnortgemeinde kommt per Post. Sobald die Wahlbenachrichtigung eingetroffen ist: Beantragung der Briefwahl möglich. 9. Juni 2024: Wahl in Wahllokalen findet statt (Anschrift und Öffnungszeiten des Wahllokals auf der Wahlbe- rechtigung). Vor Ort sind Wahlbenachrichtigung und Personalausweis notwendig. Wie wähle ich? Infos in leichter Sprache:

8 | Gute Pflege | 1_2024 | > > > Gute Gründe zu wählen – das tut die EU für… …die Rechte und Lebensqualität älterer Menschen Grundsätzlich fordert die EU von all ihren Mitgliedsstaaten, die gesellschaftliche und politische Integration älterer Menschen sicherzustellen. Die EU möchte unter anderem den Zugang zu medizinischer Versorgung, gerade für ältere Menschen, verbessern. Sie unterstützt daher mehrere Forschungsprojekte zu elektronischen Gesundheitsinstrumenten und Telemedizin. Sie fördert die Entwicklung von Apps, die es älteren Menschen erleichtern, mit ihrem Mobiltelefon auf Gesundheitsinformationen und -versorgung zuzugreifen. Nicht zuletzt soll der geplante „Europäische Raum für Gesundheitsdaten“ ermöglichen, Gesundheitsdaten besser zu kontrollieren. Auch interessant: Im Rahmen des EUProjekts „GrowMeUp“ wurden Pflegeroboter entwickelt, die älteren Menschen dabei helfen sollen, unabhängig zu Hause zu leben. …Menschen mit Alzheimer Durch die Aktion „Act on Dementia“ will die EU gemeinsame Maßnahmen der Mitgliedsstaaten fördern, die das Leben von Menschen mit Demenz und ihren Betreuern verbessern. Für Betroffene bedeutet das die praktische Unterstützung in Zusammenhang mit Diagnosen, der Koordinierung im Krisenfall und der Betreuung. Die EU finanziert außerdem Forschung zu Alzheimer. Im Mittelpunkt stehen dabei die Ursachen der Krankheit, eine bessere Vorbeugung, Frühdiagnose und Pflege sowie die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. …die Pflegebranche Die EU setzt sich seit zwei Jahren für gute Rahmenbedingungen in der Pflege ein. Zwar kann die EU im Bereich der Pflegepolitik keine Gesetze erlassen, sie definiert in der EU-Pflegestrategie allergings Mindeststandards und fordert die Mitgliedsstaaten zu Reformen ihrer Pflegesysteme auf. Pflege und Politik

| Gute Pflege | 1_2024 | 9 Wen wähle ich? Bei der EU-Wahl einfach die gleichen wählen „wie immer“? Das muss nicht sein. Welche Themen die Parteien auf europäischer Ebene vertreten und wie sie sich zu Forderungen der Diakonie positionieren zeigt der Sozial-O-Mat: Übrigens: Gleichzeitig zur Europawahl finden auch die Kommunalwahlen in Baden-Württemberg statt. In den Wahlunterlagen finden sich daher neben dem Wahlzettel für das Europaparlament auch die Wahlzettel für den Gemeinderat und den Kreistag. Diese sind anders auszufüllen. Mehr Infos, wie gewählt wird, gibt es hier: …pflegende Angehörige Im August 2019 wurde die EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige verabschiedet. Arbeitnehmer, die sich um schwerkranke oder pflegebedürftige Angehörige kümmern, haben nun Anspruch auf fünf Tage Sonderurlaub pro Jahr. Außerdem haben sie das Recht, flexible Arbeitsbedingungen zu verlangen. …Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Die EU hat Einfluss auf die Arbeitsrechte und Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Es gibt gemeinsame Mindeststandards, die in der gesamten EU gelten. Beispielsweise legen die EU-Vorschriften die maximale Wochenarbeitszeit, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub sowie Ruhezeiten und Regeln für Nachtarbeit oder Schichtarbeit fest. Auch zu den Themen Arbeitsschutz und Mindestlohn gibt es europäische Vorgaben. Übrigens: Die Sozialpartner, also Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, sind über den sogenannten „sozialen Dialog“ an der Gestaltung der europäischen Sozial- und Beschäftigungspolitik beteiligt. Auch Ilka Steck, die Vorsitzende der Konzernmitarbeitendenvertretung, nimmt am sozialen Dialog teil. …die Rechte ausländischer Fachkräfte Migrationspolitik und damit auch die Rahmenbedingungen und Rechte für ausländische Fachkräfte werden auf europäischer Ebene festgelegt. Die Europa-Wahl wird also auch entscheidend dafür sein, wie künftig die Aufenthaltserlaubnis, die Anerkennung von Abschlüssen oder die Arbeitserlaubnis ausländischer Fachkräfte in der Pflege geregelt werden. …Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit ist eines der strategischen Themen der EHS. Die EU legt mit dem European Green Deal einen ambitionierten Fahrplan fest, um bis 2050 klimaneutral zu sein. Momentan wird zum Beispiel über das Recht auf Reparatur diskutiert. Dieses würde Garantiezeiten von Geräten verlängern, Reparaturen günstiger und Ersatzteile einfacher verfügbar machen.

10 | Gute Pflege | 1_2024 | Wir sind Vielfalt – wir sind eins. — Gespräch Alexandra: Wie startet man ein Gespräch zum Thema Vielfalt? Das fängt ja schon bei der Frage an, wie wählt man die Personen aus, mit denen man spricht. Fühlt man sich wohl, so prominent für Vielfalt zu stehen? Michael, die direkte Frage an dich – wie geht es dir damit? Michael: Ich habe schnell zugesagt, weil ich glaube, wenn man nicht zur Mehrheitsgesellschaft gehört und möchte, dass sich das entwickelt, muss man den Mut haben, an die Öffentlichkeit zu gehen – gerade auch in den aktuellen Zeiten. Nur dann gibt es die Chance auf Veränderung. Alexandra: Ich habe dich ja vorab gefragt, ob du in deiner Rolle als Hausdirektor darauf angesprochen wirst, dass du homosexuell bist. Über die Antwort musste ich schmunzeln... Michael: Ja, die Anekdote war, dass ich immer wieder ganz selbstverständlich Grüße an meine Frau ausgerichtet bekomme, wenn Menschen mitbekommen, dass ich verheiratet bin. Bei einer Feier hatte sich eine Bewohnerin auch einmal mit meinem Mann unterhalten. Nachdem im Gespräch deutlich wurde, dass er es ist, mit dem ich verheiratet bin, kam sie im Anschluss zu mir und meinte „Sie haben gar nicht erwähnt, dass Sie mit einem Mann verheiratet sind.“ Ich habe dann nur geantwortet, dass das ja egal sei und sie hat das bestätigt. Alexandra: Beate, du hast ja eine Besonderheit, die vielleicht mehr auffällt als bei Michael. Wirst du darauf angesprochen? Wie gehst du damit um? Beate: Welche Besonderheiten meinst du denn? Also für die, die mich nicht kennen, ich habe eine Gesichtslähmung. Ich bin auf einem Ohr komplett taub und ich habe manchmal mehr oder weniger Schwierigkeiten beim Sprechen. Ich habe mir vorab überlegt, ob ich in diese Runde passe, aber ich muss sagen, ja, auf jeden Fall. Angesprochen wurde ich darauf in 30 Jahren Beruf tatsächlich nie, außer in meinem Vorstellungsgespräch hier von Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider. Ich fand das damals sehr offen und positiv und habe auch direkt signalisiert, dass ich mir vorstellen kann, die Botschaft der Vielfalt zu vermitteln. Und wie gehe ich damit um? Es sind ja durchaus Besonderheiten, die mein Gegenüber vielleicht einmal peinlich berühren. Es fordert von mir auch ein gewisses Mehr an Offenheit hat viele Gesichter. Mit ihren 10.200 Mitarbeitenden vereint die EHS Menschen unterschiedlichster Dimensionen von Vielfalt. Mit vier von ihnen ist Dr. Alexandra Heizereder ins Gespräch gegangen – ganz offen. Pflege und Politik

| Gute Pflege | 1_2024 | 11 Selbstorganisation im Alltag. Ich habe gelernt, damit umzugehen, indem ich es eben nicht verstecke. Und ich muss auch sagen, das Team, in dem ich arbeite, geht damit sehr souverän um und unterstützt, wenn mir doch einmal das Sprechen schwerfällt. Alexandra: Ein weiteres Thema in unserer Runde ist das Alter. Ich musste ein bisschen überlegen, um jemanden für diese Runde zu finden, der – ich sag einmal nicht mehr gerade 30 ist Die Heimstiftung wird immer jünger, droht uns ein Generationenkonflikt? Silke: Das stimmt, mit meinen 57 bin ich nicht mehr ganz 30. Einen Generationenkonflikt sehe ich aber nicht. Ich sehe eher ein generationenübergreifendes Miteinander. Die Älteren bringen die Routine und die Erfahrung mit. Die Jüngeren haben andere Methoden und Ansätze. Das finde ich super und sehe es als Chance. Alexandra: Hannes, wir reden viel über Vielfalt und da fällst du erst einmal etwas aus dem Rahmen, weil du keine der „gängigen“ Vielfaltsdimensionen erfüllst, sondern hier eher für die Mehrheitsgesellschaft stehst, wenn man das so sagen kann. Aber was viele nicht wissen, ist, dass du das Thema Vielfalt bei der Heimstiftung eingebracht hast und das sehr hartnäckig. Warum? > > > „ Wie startet man ein Gespräch zum Thema Vielfalt? Das fängt ja schon bei der Frage an, wie wählt man die Personen aus (...).“ Dr. Alexandra Heizereder, Leiterin der Stabsstelle Kommunikation und Politik > > >

12 | Gute Pflege | 1_2024 | Hannes: Mir ist es selbst noch einmal bewusst geworden: Ich bin tatsächlich die personifizierte Mehrheitsgesellschaft. Ich habe die durchschnittliche Hautfarbe, die durchschnittliche Kirchenzugehörigkeit, ich bin eine hetero Person und ich habe im Moment sogar ziemlich genau das deutsche Durchschnittsalter. Ich kann selbst zu Vielfalt oder Diskriminierung überhaupt keine eigenen Erfahrungen beitragen. Trotzdem finde ich es gut, dass ihr eine Person wie mich zum Gespräch gebeten habt. Wir können die Frage, wie wir als Gesellschaft oder Unternehmen mit Dimensionen von Vielfalt umgehen, nicht delegieren an unsere Kollegin- nen und Kollegen, die vielleicht aufgrund dieser Vielfaltsdimensionen sowieso schon extra viel leisten. Wir müssen das gemeinsam machen. Diese Überzeugung treibt mich bis heute an. Ich möchte in einem Unternehmen arbeiten, das sich aktiv mit Vielfalt, Rassismuskritik und Chancengerechtigkeit auseinandersetzt. Alexandra: Danke dir dafür. Beate, provokativ gefragt: Haben wir aktuell in der Pflege nichts Besseres zu tun, als uns damit zu beschäftigen? Beate: Also ganz ehrlich? Nein. Wir haben noch andere sehr wichtige Themen, gar keine Frage. Aber ich glaube tatsächlich, erst wenn wir Menschen eben nicht mehr nach Herkunft, nach Hautfarbe, nach Besonderheit, nach sexueller Orientierung, nach Religion beschreiben, sondern nach Fähigkeit, nach Persönlichkeit und Wertekontext – erst dann sind wir in einer modernen und leistungsfähigen Gesellschaft angekommen. Das ist meine tiefe Überzeugung. Alexandra: Warum ist es wichtig, dass die Heimstiftung als Arbeitgeberin dieses Thema setzt? Michael: Gerade in meinem Bezug auf die Homosexualität, glaube ich, haben wir einfach das Evangelische im Namen und müssen hier vielleicht nochmal explizit unsere Offenheit deutlich machen. In meinen fast 16 Jahren bei der EHS habe ich diesbezüglich eigentlich gar keine Diskriminierung von Arbeitgeberseite erfahren. Bei Kundinnen und Kunden gab es da schon andere Situationen, aber auch das verändert sich gerade. Da sollte man sicher kritisch darauf schauen, aber aus meiner Perspektive geht die EHS als Unternehmen gut damit um und darf sich das auch auf die Fahne schreiben. Wir können damit zeigen, dass ich als gläubiger Christ homosexuell sein kann und mich das nicht ausschließt. Alexandra: Wir schauen uns immer wieder an wie vielfältig die EHS ist – unter den Mitarbeitenden definitiv, in der Führungsebene ist da bestimmt noch Luft nach oben. Brauchen wir eine Quote? > > > „ Ich sehe es als meine Aufgabe, das Thema Vielfalt in all seiner Vielschichtigkeit, den Mitarbeitenden nahezu- bringen.“ Michael Dohrmann, Hausdirektor Haus im Schlösslesgarten, Eberdingen-Hochdorf Pflege und Politik

| Gute Pflege | 1_2024 | 13 „ Wir sind offen und wir machen uns auf den Weg – das macht die Evangelische Heimstiftung aus.“ Silke Breuninger, Regionaldirektorin Mobile Dienste Nord Silke: Wir brauchen keine Quote, aber absolute Offenheit. Wir sind offen und wir machen uns auf den Weg – das macht die Heimstiftung aus. Und in zehn Jahren wird unser Unternehmen noch wesentlich bunter und vielfältiger sein. Alexandra: Michael, was meinst du? Michael: Ich glaube nicht, dass wir eine Quote benötigen. Der Wunsch, sich als Führungskraft einzubringen, sollte von innen kommen und da sind wir auf einem guten Weg, gerade auch was die Zusammenarbeit zwischen Jung und Alt angeht. Ich glaube, es braucht junge Menschen, die das Gefühl mitbringen, sie können in zwei Tagen die Welt verändern, aber auch Menschen mit Erfahrung, die das Ganze wieder auf den Boden holen. Alexandra: Ja, sehr gut. Hannes, fällt dir ein besserer Weg ein als eine Quote? Hannes: Ich finde, man kann mit guten Argumenten über eine Quote streiten. Wenn ein Unternehmen feststellen würde, dass auf der Führungsebene ganz andere Personen zu finden sind als in den Teams, ist das nicht gut. Es kann dann eine Quote sein, die hilft Barrieren abzubauen oder ein anderes Konzept, das Mitarbeitende gezielt fördert. Wir stehen aber als Heimstiftung nicht so schlecht da: Wir wurden von einer Frau gegründet, wir haben eine paritätisch besetzte Geschäftsführung, unser Vielfaltskonzept ist auf dem Weg Alexandra: Ja, das finde ich auch. Beate, Wie siehst du das? Beate: Ich finde eine Quote per se nicht nur schlecht. Sie führt dazu, dass man neue Führungserlebnisse schafft und damit Vorurteilen begegnet. Als ersten Schritt würde ich mir aber wünschen, dass wir in den Stellenausschreibungen ganz klar benennen, dass wir Vielfalt wünschen, sofern möglich. Da gibt es durchaus ganz praktische Lösungen. Alexandra: Noch eine andere Perspektive: Wir haben ja aktuell eine sehr homogene Bewohnerstruktur in unseren Einrichtungen. Auf die Quartiere um uns herum trifft das nicht unbedingt zu – kommt da ein Problem auf uns zu? Hannes: Auf den ersten Blick würde ich sagen nein. Unsere Wartelisten sind ja voll. Das wäre mir aber als Haltung nicht diakonisch genug. Wir wollen ja unsere Hilfsangebote immer genau dort hinbringen, wo sie auch gebraucht werden und nicht nur in ausgewählte Milieus. Und ich glaube, auf den zweiten Blick könnte tatsächlich doch ein Problem auf uns zukommen. Wir sind als Heimstiftung mit langer Tradition gesellschaftlich verwurzelt. Wenn jetzt aber die Gesellschaft vielfältiger wird, dann muss ja auch unsere Verwurzelung weiterwachsen. > > >

14 | Gute Pflege | 1_2024 | Alexandra: Da haben wir schon noch einiges zu tun. Fallen euch Situationen ein, in denen Vielfalt im Alltag der Einrichtung eine Rolle spielt? Silke: Im ambulanten Bereich ist das schon ein Thema. Wir sind ja im Endeffekt Gast in der Häuslichkeit. Und da sind die Teams mit allen Ansichten und Meinungen konfrontiert, die auch im gesellschaftlichen Durchschnitt vertreten sind – auch Diskriminierung und Rassismus. Unsere Aufgabe als Heimstiftung ist es, unsere Mitarbeitenden in ihrer Vielfalt zu schützen, ganz aktiv. Alexandra: An dieser Stelle vielleicht ein Ereignis aus einer unserer Einrichtungen: Im Café der Einrichtung hatte eine Bewohnerin ihr Mittagessen eingenommen und wurde bedient von einer Mitarbeiterin, die ein Kopftuch trug. Sie hat sich lautstark kritisch dazu geäußert. Die Einrichtungsleitung hat daraufhin ein Gespräch mit der Bewohnerin geführt und ihr dargelegt, dass wir das nicht akzeptieren. Am nächsten Tag kamen alle Mitarbeiterinnen aus der Küche mit Kopftuch zur Arbeit – seitdem gab es keine Diskussion mehr darüber. Beate: Auch mir fällt eine Situation dazu ein, denn erst kürzlich habe ich eine Kündigung eines Bewohners erhalten, der nun in eine andere Einrichtung wechselt „in der auch deutsch gesprochen wird“, wie er es beschrieb. Ich habe ihm alles Gute gewünscht und ihn ziehen lassen. Ansonsten bin ich tatsächlich wirklich begeistert davon, wie viele Nationen bei uns unter einem Dach arbeiten, völlig friedlich. Und das im krassen Gegensatz zu den großen Konflikten überall auf dieser Welt. Ich bin sehr froh und dankbar, dass die Menschen bei uns sind und mit uns arbeiten. Das ist ein Geschenk. Alexandra: Lasst uns noch auf eines schauen: nämlich die Rolle der Führung beim Thema Vielfalt. Hannes: Vielleicht noch ein kurzer Aspekt aus meiner Perspektive: Als sehr junger Hausdirektor, ich war damals 25 Jahre alt, musste ich zuerst einmal Vertrauen und die Anerkennung vor Ort gewinnen. Und das war harte Arbeit. Mir ist aber vollkommen bewusst, wäre ich jetzt eine Leitung mit Kopftuch oder ein Hausdirektor of Colour gewesen, dann hätte ich noch ein paar mehr Steine aus dem Weg räumen müssen. Aber zu deiner ursprünglichen Frage: Führung spielt eine entscheidende Rolle, denn sie kann Themen setzen, Ressourcen geben und Haltung vorleben. > > > „ Wir sind als Heimstiftung mit langer Tradition gesellschaftlich verwurzelt. Wenn jetzt aber die Gesellschaft vielfältiger wird, dann muss ja auch unsere Verwurzelung weiterwachsen.“ Johannes Miller, Regionaldirektor Kurpfalz / Ortenau Pflege und Politik

| Gute Pflege | 1_2024 | 15 Alexandra: Ja, das stimmt. Michael, du bist ja auch noch eine sehr junge Führungskraft und das sieht man dir auch an Michael: Ich sehe es als meine Aufgabe das Thema Vielfalt, in all seiner Vielschichtigkeit, den Mitarbeitenden nahezubringen. Und dann glaube ich, macht es ganz viel aus, dass man einfach Vorbild ist. Jeder Mensch macht Fehler, das passiert einfach im Umgang mit anderen Menschen. Wenn die Mitarbeitenden Orientierung bekommen, wie wir als Unternehmen zu diesen Themen stehen, gibt das aber Sicherheit. Alexandra: Super, vielen Dank! Zum Schluss: Wenn ihr einen Wunsch frei hättet für 2024. Was sollten wir in der Heimstiftung noch in diesem Jahr in Sachen Vielfalt umsetzen? Hannes: Wir haben uns für 2024 ja bereits sehr viel vorgenommen. Aber ich würde mir wünschen, dass wir diejenigen von uns, die wegen einer Vielfaltsdimension schwierigere Rahmenbedingungen haben, in dieser ganzen Diskussion noch viel lauter hören. Und ganz konkret: dass wir damit anfangen, nicht nur christliche Feiertage in unserem Kalender zu notieren. Beate: Ich habe einen sehr konkreten Wunsch. Nämlich, dass wir unser Bekenntnis zu Vielfalt intern und extern kommunizieren, im Leitbild aufnehmen und auch ganz speziell unseren Kundinnen und Kunden näherbringen. Silke: Ich würde mir wünschen, dass sich die Evangelische Heimstiftung in diesem Jahr als Vielfalt lebende Arbeitgeberin präsentiert. Um wirklich ein ganz klares Zeichen nach außen zu setzen: „Leute, kommt zu uns!“ Michael: Ich würde mir als Wunsch mitnehmen, dass wir Netzwerke starten zu verschiedenen Themen und Vielfaltsdimensionen, in denen wir uns austauschen können. Für das erste Netzwerk LGBTQ habe ich da auch von der Geschäftsführung bereits den Auftrag und Zuspruch bekommen. Das halte ich für sehr wichtig, denn wir bekommen von den Herausforderungen nur mit, wenn Kolleginnen und Kollegen uns auch davon berichten und wir in den Austausch kommen. Ich wünsche mir, dass wir dann als Unternehmen, ob Mitarbeitende oder Kundinnen und Kunden, in den nächsten Jahren noch vielfältiger werden. Alexandra: Herzlichen Dank euch. Mein Wunsch für dieses Jahr wäre, dass wir mit diesem Beispiel vorangehen und einfach offen über die Dinge sprechen – so wie wir heute. „ Ich bin wirklich begeistert davon, wie viele Nationen bei uns unter einem Dach arbeiten, völlig friedlich. Und das im krassen Gegensatz zu den großen Konflikten überall auf dieser Welt.“ Beate Decker, Hausdirektorin Wohnstift Hansegisreute, Heidenheim

16 | Gute Pflege | 1_2024 | Wir pflegen Vielfalt und Offenheit.* * Menschen pflegen wir natürlich auch Stell dir vor, du erfährst noch mehr über Gute Pflege: im Podcast und WhatsApp- Kanal der EHS Wir pflegen Vielfalt und Offenheit.* * Menschen pflegen wir natürlich auch Wir pflegen Vielfalt und Offenheit.* * Menschen pflegen wir natürlich auch

| Gute Pflege | 1_2024 | 17 Die Evangelische Heimstiftung ist international, weltoffen und sie steht für Frieden, Demokratie und Verständigung, Vielfalt und Toleranz. Wir erwarten diese Grundhaltung von allen Mitarbeitenden, von unseren Bewohnern, Kunden und Angehörigen und von allen Menschen, die mit uns zu tun haben. Diskriminierende, menschenverachtende und rassistische Äußerungen und Handlungen werden in unseren Einrichtungen und Diensten nicht geduldet. Wir sind mit unseren Einrichtungen und Diensten lebendiger Teil einer offenen, pluralistischen Gesellschaft und wir stehen fest auf dem Fundament unseres Grundgesetzes. Wir leben in einem Europa, das diese demokratischen Werte über nationale Grenzen hinweg verteidigt. Aber es ist nicht nur die Bedrohung von außen, wie der Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt. Unsere Freiheit und Demokratie sind auch im eigenen Land in einer Weise bedroht, wie das vor wenigen Jahren noch unvorstellbar erschien. Der wieder aufkeimende Rechtsradikalismus hat mit der Recherche des journalistischen Netzwerkes Correctiv über geheime Zusammenkünfte brauner Netzwerke eine neue Spitze erreicht, die jeden Demokraten erschau- dern lassen. Deshalb wird es Zeit aufzustehen und unsere Demokratie zu verteidigen. Unsere Werte leben sich nicht von selbst – eine Kultur der Achtung, der Würde, der Wertschätzung und des gegenseitigen Respekts entsteht nicht von alleine. Wir müssen sie aktiv mit Leben füllen. Wir müssen Haltung zeigen, wenn unsere demokratischen Werte, die Kultur der Menschlichkeit in Frage gestellt werden. Diese Grundhaltung hat aber auch einen ganz pragmatischen Aspekt: In unserer EHS arbeiten tausende Kolleginnen und Kollegen mit einer Migrationsgeschichte. Sie bringen aus vielen verschiedenen Kulturen ihre Erfahrungen und Sichtweisen in die Pflege ein. Wer würde ihre Pflegearbeit übernehmen, wenn sie nicht da wären? Bereits heute können wir nicht alle Stellen besetzen. Und der Bedarf an Pflege- und Betreuungskräften wird weiter steigen – allein in Baden-Württemberg um zusätzlich 24.000. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir auf dem internationalen Arbeitsmarkt mit vielen Ländern konkurrieren. Deshalb brauchen wir eine gelebte, offene Willkommenskultur in unserem Unternehmen, aber auch darüber hinaus in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Es ist unsere Verantwortung, für diese Werte einzutreten und zwar überall da, wo Menschen zusammenarbeiten. Aber auch zu Hause, in der Familie, im Freundeskreis, im Verein, der Gemeinde, in der U-Bahn und auch auf der Straße. Die EHS ruft deshalb alle Mitarbeitenden dazu auf, sich an friedlichen Protesten gegen rechts zu beteiligen. E(H)S ist Zeit aufzustehen. — (E)InSicht Bernhard Schneider Kommentar – (E)InSicht

18 | Gute Pflege | 1_2024 | Der Konvent ist das Beratungsgremium der Geschäftsführung der Evangelischen Heimstiftung und besteht aus neun Mitgliedern. Er wird aus den Reihen der Regionaldirektionen, Hausdirektionen und Residenzleitungen gewählt und vertritt deren Interessen gegenüber der Geschäftsführung. Die Arbeit des Konvents basiert auf dem Leitbild, den Handlungsgrundsätzen, dem Führungskonzept und Satzungszweck der Evangelischen Heimstiftung. Diese Werte zu unterstützen und mit Leben zu füllen, prägt die Arbeit des ehrenamtlichen Gremiums. Die Anliegen und Anfragen, die der Konvent aufnimmt, werden jederzeit vertraulich behandelt. Die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung ist geprägt von Offenheit und Vertrauen. Die Vorsitzende des Konvents ist im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung vollwertiges Mitglied des Aufsichtsrates der Evangelischen Heimstiftung. Der Konvent hat außerdem einen Sitz in der Regionaldirektorenkonferenz und übernimmt Patenschaften von neuen Hausdirektionen und Residenzleitungen. „Es ist uns ein besonderes Anliegen für neue Kolleginnen und Kolle- gen ansprechbar zu sein und sie insbesondere zu Beginn, wenn sie diese verantwortungsvolle Leitungsfunktion übernehmen, zu unterstützen“, sagt Heike Merz, Vorsitzende des Konvents. Die Mitglieder des Konvents werden in gleicher, freier, geheimer und unmittelbarer Wahl gemeinsam und nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl (Persönlichkeitswahl) gewählt. Die Amtszeit des Konvents beträgt vier Jahre. Die Beschlüsse sind Empfehlungen für die Geschäftsführung. Nach vierjähriger Amtszeit wurde der Konvent im März bei einer Wahlbeteiligung von 81 Prozent neu gewählt. Mitglieder sind Heike Merz, Vorsitzende des Konvents und Hausdirektorin im Luise-Wetzel-Stift Tübingen, Martin Bofinger, stellvertretender Vorsitzender und Hausdirektor im Karl-Gerok-Stift Vaihingen, Ralf Bastian, Hausdirektor im Seniorenzentrum am Rheinauer Tor Mannheim, Patrick Vilmin, Hausdirektor im Martin-Haug-Stift Freudenstadt, Kristina Baumstark, Hausdirektorin im Haus im Schelmenholz Winnenden, Kerstin Wulle, Hausdirektorin im Karl-Ehmer-Stift und Leitung der Residenz Ingersheim, Silke Breuninger, Regionaldirektorin der Mobilen Dienste Nord, Lilli Haldenwanger, Hausdirektorin im Haus Zabergäu Brackenheim und Michaela Sowoidnich, Regionaldirektorin Ludwigsburg. Der Konvent... Das sind wir

| Gute Pflege | 1_2024 | 19 ...und die Standorte seiner Mitglieder. Bad Mergentheim Mannheim Stuttgart Schorndorf Heilbronn Tübingen Ulm Freudenstadt Friedrichshafen Bietigheim-Bissingen Vaihingen/Enz Bad Boll Calw Heidenheim Neuried Isny Tauberbischofsheim Weikersheim Blaufelden Rot am See Kirchberg Ilshofen Satteldorf Crailsheim Fichtenau-Wildenstein Alfdorf-Pfahlbronn Lorch Remseck Reichenbach/Fils Hochdorf Uhingen Albershausen Gerstetten Langenau Giengen Dornstadt Blaubeuren Leutkirch Wangen Rosenfeld Balingen Mössingen Nehren Lenningen Dettingen Kappelrodeck Kehl-Goldscheuer Gäufelden-Nebringen Bad Wildbad Engelsbrand Niefern Sersheim Eberdingen-Hochdorf Hambrücken Neudenau Neuenstadt/Kocher Nußloch Leimen Heddesheim Hirschberg Gemmingen Nordheim Brackenheim Ilsfeld Walheim Besigheim Ingersheim Backnang LB-Poppenweiler LB-Neckarweihingen Winnenden Plochingen Deizisau Waldenbuch Böblingen Schönaich Lauda-Königshofen Standorte der Konventsmitglieder. Weitere Standorte der EHS. Mitglieder des Konvents: • Heike Merz, Vorsitzende des Konvents und Hausdirektorin im Luise-Wetzel-Stift Tübingen • Martin Bofinger, stellvertretender Vorsitzender und Hausdirektor im Karl-Gerok-Stift Vaihingen • Ralf Bastian, Hausdirektor im Seniorenzentrum am Rheinauer Tor Mannheim • Patrick Vilmin, Hausdirektor im Martin-Haug-Stift, Freudenstadt • Kristina Baumstark, Hausdirektorin im Haus im Schelmenholz Winnenden • Kerstin Wulle, Hausdirektorin im Karl-Ehmer-Stift und Leitung der Residenz Ingersheim • Silke Breuninger, Regionaldirektorin der Mobilen Dienste Nord • Lilli Haldenwanger, Hausdirektorin im Haus Zabergäu Brackenheim • Michaela Sowoidnich, Regionaldirektorin Ludwigsburg

20 | Gute Pflege | 1_2024 | Neues In Bewegung. Stell dir vor, du kannst aus über 100 Lernangeboten, egal ob in Präsenz, digital oder live-online wählen. Auf der EHS-weiten digitalen Lernplattform – der EHS-Lernwelt. Mit 172 Standorten in ganz Baden-Württemberg und über 10.000 Mitarbeitenden ist die Organisation von Fortbildungen eine Herausforderung. „Dieser wollen wir mit der EHS-Lernwelt begegnen. An- und Abmeldungen, Fortbildungsunterlagen oder Teilnahmebescheinigungen können von den Lernenden online selbst mit wenigen Klicks abgerufen werden. Zudem können wir durch die Lernwelt digitale Lernformate im Unternehmen etablieren und zukünftig auch zeit- und ortsunabhängiges Lernen ermöglichen“, sagt Sophie Hinderer aus dem Referat Personalmanagement. „So ermöglichen wir eine höhere Flexibilität, da Lernende, wenn sie das möchten, auch von unterwegs oder zu Hause flexibel auf Inhalte zugreifen und lernen können.“ Die EHS-Lernwelt wird über mehrere Phasen eingeführt. In der ersten Phase wurden das zentrale Fortbildungsprogramm sowie die Prozesse zur An- und Abmeldung von Präsenz- und Live-Online-Veranstaltungen in der EHS-Lernwelt umgesetzt. Zudem gab es erste digitale Schulungsangebote. „Der Rollout für alle Mitarbeitenden startet Mitte 2024. Das Ziel ist, dass sich E-Learning nach und nach als fester Bestandteil der EHS-Lernkultur etabliert.“ E(H)S wird gelernt Digitalisierung, Innovation und Nachhaltigkeit. Wir geben Einblicke in Projekte, mit denen die Heimstiftung immer in Bewegung bleibt.

| Gute Pflege | 1_2024 | 21 Seit Oktober 2023 setzt die Evangelische Heimstiftung den sozialen Roboter Navel in zwei ihrer Pflegeheime ein. Navel nutzt künstliche Intelligenz und Chat GPT, um mit Menschen zu interagieren. Er kann sich unterhalten und Dinge merken und: Er lernt dazu. „Wir sind überzeugt, dass wir Social Robotik künftig auch in der Pflege und Betreuung einsetzen werden und wir wollen wissen, was Navel kann und wo es noch Nachholbedarf gibt“, erklärt Bernhard Schneider. Der Einsatz von Navel ist Teil eines Pilotprojekts in Zusammenarbeit mit der Entwicklerfirma Navel Robotics und wird wissenschaftlich vom Institut für Pflege und Alter begleitet. Hallo Navel Im Jahr 2018 eröffnete die Junge Intensivpflege Besigheim als Teilbereich des Robert-BreuningStifts. Nach mehr als fünf Jahren wird sie zur eigenständigen AKIP unter dem Dach der Heimstiftung – mit neuer Leitungsstruktur und eigener Hausdirektion. Die Außerklinische Intensivpflege Besigheim hat einen eigenen Versorgungsvertrag für die Pflege von Menschen mit apallischem Syndrom, im Wachkoma und Menschen, die künstlich beatmet werden. Sie setzt seit Ende 2018 ein bundesweit einmaliges Konzept um: 100 Prozent Fachkraftquote, sehr guter Personalschlüssel, Einzelzimmer mit eigenem Bad und modernem Deckenlifter, Licht- und Wellnessbad, moderne Therapieräume. 30 Menschen leben dort in den zwei Wohnbereichen „Glücksmoment“ und „Augenblick“. Es wird intensiv

22 | Gute Pflege | 1_2024 | Tarifrecht, Erster, Zweiter, Dritter Weg – was bedeutet das eigentlich alles und was hat das ganz praktisch mit den Menschen zu tun, die in unseren Einrichtungen leben? Die Antwort ist einfach: sehr viel. Denn Tarifrecht und wie es entsteht, geht uns alle an. Konsens. — Dritter Weg, erste Wahl? Arbeitsrecht Die Wohlfahrtsverbände wie Diakonie und Caritas haben schon lange Jahre eine wichtige Rolle in Deutschland. Nach dem zweiten Weltkrieg übernahmen sie 1945 die Aufgabe, sich der sozialen Wohlfahrt anzunehmen – also für Menschen dazusein, die in jeglichen Lebenslagen Unterstützung benötigen. Das ist bis heute so. Die kirchlichen Verbände bekämpfen gemeinsam soziale Not, das ist die Grundlage ihrer Arbeit. Es geht nicht allein um die Arbeit, sondern um das Miteinander der Menschen in allen diakonischen Berufen – dem „Dienst am Menschen“. Der Ursprung dieses Dienstes liegt unmittelbar im christlichen Gebot der Nächstenliebe. Im kirchlichen Arbeitsrecht ist deshalb nicht von Arbeitnehmer oder Arbeitgeberin, sondern von Dienstnehmer und Dienstgeberin sowie einer Dienstgemeinschaft die Rede. Eigen ist diesem Verständnis der Zusammenarbeit auch ein besonderes Arbeitsrecht: Alle Beteiligten sollen selbst für die Regelungen sorgen, die ihr Arbeitsverhältnis betreffen. Diakonie und Kirche geben einen Rahmen, in dem Dienstgeber und -nehmer verantwortlich und demokratisch die Arbeitsbedingungen gestalten. Um diese wichtige gemeinschaftliche Aufgabe meistern zu können, basiert ihre Zusammenarbeit auf Zusammenhalt und Einvernehmen – nicht

| Gute Pflege | 1_2024 | 23 auf Konfrontation. Aus diesem Selbstverständnis entstand der Wunsch eigener arbeitsrechtlicher Möglichkeiten und Regelungen, dem in den 1950er Jahren entsprochen wurde: mit dem sogenannten Dritten Weg. Der Dritte Weg regelt über die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) alle Fragen zu Vergütung, Arbeitszeit und Urlaub. Der Dritte Weg hat seinen Namen in Abgrenzung zum sogenannten Ersten und Zweiten Weg: Der Erste Weg beschreibt den Haustarif, der Arbeitgeber legt also einseitig die Arbeitsbedingungen fest. Auf dem Zweiten Weg verhandeln Arbeitgeberverbände mit den Gewerkschaften, stellvertretend für Abeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Traifverträge. Im Dritten Weg wird in Arbeitsrechtlichen Kommissionen die Ausgestaltung der Arbeitsvertragsrichtlinien verhandelt. > > > In ihrer Funktion sind sie mit einem Tarifvertrag vergleichbar und werden deshalb umgangssprachlich häufig als „Diakonie-Tarif“ bezeichnet. Die zentralen Elemente des Dritten Wegs: • Dienstgeber und Dienstnehmer stehen in einem partnerschaftlichen, kooperativen Verhältnis, um ihren gemeinsamen sozialen Auftrag zu erfüllen. • Beide Seiten sind gleichberechtigt und gleichwertig in der Arbeitsrechtlichen Kommission vertreten und verhandeln die AVR, aus denen die Arbeitsbedingungen hervorgehen. • Konflikte werden fair, verantwortungsvoll und ohne Streik gelöst. Der Dritte Weg regelt alle Fragen zu Vergütung, Arbeitszeit und Urlaub rund um das Arbeitsverhältnis.

24 | Gute Pflege | 1_2024 | Arbeitsrecht So entsteht das kirchliche Arbeitsrecht: Erneute Beratung im Fachausschuss Der Antrag wird im jeweiligen Fachausschuss beraten Ein Antrag wird von Dienstgeberoder Dienstnehmerseite bei der Arbeitsrechtlichen Kommission eingebracht Es bildet sich eine qualifizierte Mehrheit: gemeinsames Ergebnis Ohne Mehrheit gibt es kein Ergebnis Dienstgeber und -nehmer sind in der Arbeitsrechtlichen Kommission gleichberechtigt vertreten und stimmen über den Antrag ab Gibt es auch bei einer erneuten Beratung keine Einigung, wird ein Schiedsverfahren eröffnet: die erste Stufe der Schlichtung Erneute Beratung und Abstimmung in der Arbeitsrechtlichen Kommission Es bildet sich eine qualifizierte Mehrheit: gemeinsames Ergebnis Ohne Mehrheit gibt es kein Ergebnis Zweite Stufe der Schlichtung mit verbindlichem Ergebnis der Anträge finden hier eine Einigung 97% der Anträge werden von der Schiedsstelle entschieden 3% 97% Ein Gesetz entsteht 3% Ein Gesetz entsteht

| Gute Pflege | 1_2024 | 25 Gemeinsam Lösungen finden Das kirchliche Arbeitsrecht ist auf Konsens ausgelegt. Beide Seiten können Anträge einbringen. Es folgt eine intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten des Antrags – wenn es sich etwa um die Forderung einer Gehaltserhöhung handelt. Erst nach ausführlichen Diskussionen erfolgt eine paritätische Abstimmung. Das bedeutet, Dienstnehmer und Dienstgeber haben die gleiche Anzahl an Stimmen. Eine Veränderung wird beschlossen, wenn es eine qualifizierte Mehrheit gibt: ein vorab festgelegter Anteil der Stimmen muss sich für (oder gegen) die Sache aussprechen. Eine einfache Mehrheit (mehr als die Hälfte der Stimmen) ist nicht ausreichend. Das soll die Nachhaltigkeit der Entscheidungen stärken. Gelingt in zwei Abstimmungen zum gleichen Thema keine Einigung, kommt es zur ersten Stufe der Schlichtung: Gemeinsam mit dem Vorsitz der Schiedsstelle wird ein intelligenter Kompromiss gesucht, der anschließend in der Kommission beraten und gegebenenfalls vereinbart wird. Für den Fall, dass auch auf diesem Weg des Vermittlungsversuchs keine Lösung gefunden wird, entscheidet die Schiedsstelle in einer zweiten Stufe mit Stimmenmehrheit. Der Vorsitz der Schiedsstelle wird nach festen Regeln von beiden Seiten gemeinsam bestimmt und hat in der zweiten Stufe durch das Stimmrecht die entscheidende Rolle. Die Schlichtung entscheidet nur in diesen Fällen verbindlich und abschließend. „Die Schlichtung ist der letzte Schritt, der aber nur in wenigen Fällen notwendig wird. Kern des Dritten Wegs sind Austausch, Diskussion und Konsens. Es wird wirklich intensiv und gemeinsam an der besten Lösung gearbeitet. Natürlich ist Voraussetzung dafür sowohl eine Kompromissbereitschaft wie auch die Offenheit auf beiden Seiten, die Argumente aller zu hören. Es ist beeindruckend, in welcher Weise so immer wieder beste Ergebnisse erzielt werden – und Streik so überflüssig wird“, sagt Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider. > > > > > > „ Kern des Dritten Wegs sind Austausch, Diskussion und Konsens.“ Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer

26 | Gute Pflege | 1_2024 | Viele Arbeitgebervorteile bei der Diakonie 1. Attraktivere Gehälter und Tarife Neben der ARK Diakonie Deutschland übernehmen zehn weitere Kommissionen Verantwortung für die Diakonie-Tarife – für den kirchlichen Bereich kommen weitere hinzu. 2. Vorbildliche Tarifbindung und hohe Reichweite 97 Prozent der diakonischen Einrichtungen sind an einen Tarifvertrag gebunden – das liegt weit über dem Durchschnitt. Dieser Rahmen bietet den Mitarbeitenden Sicherheit und Verlässlichkeit. Im Bereich der Altenpflege sind nur etwa 20 Prozent der Einrichtungen außerhalb von Diakonie und Caritas tarifgebunden. 3. Gehälter und Tarife erhöhen sich laufend Die Frage, wann sich das Gehalt regulär erhöht, unterliegt nicht der individuellen Verhandlung mit dem Arbeitgeber. Erhöhungen erfolgen verlässlich und fair, ganz ohne Streik. 4. Vorsorge für die Zeit nach dem Erwerbsleben Das Problem der Altersversorgung in Deutschland ist aufgrund der demografischen Veränderungen gravierend. Alle Diakonie-Tarife enthalten eine Zusatzversorgung für alle Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter. Eine betriebliche Altersversorgung erhalten ansonsten lediglich 53,9 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Die Pflicht, eine besonders hochwertige Altersversorgung über eine der Zusatzversorgungskassen abzubilden, ist in den Diakonie-Tarifen enthalten. Die Beitragshöhen betragen im Schnitt über 5 Prozent des Gehalts, sodass > > > Arbeitsrecht Konsens ist wichtig für Zufriedenheit und Vertrauen der Mitarbeitenden und die Basis für eine gute Gemeinschaft

| Gute Pflege | 1_2024 | 27 Zusatzrenten in Höhe von mehreren hundert Euro monatlich bei langjährig Beschäftigten üblich sind. 5. Passgenaue Lösungen In allen Arbeitsrechtlichen Kommissionen wirken auf beiden Seiten erfahrene Menschen mit, um passgenaue Lösungen zu verhandeln und zu beschließen. Das konstruktive Streiten aus unterschiedlichen Perspektiven zahlt sich für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diakonischen Unternehmen aus. 6. Sicherheit durch Mitbestimmung Auf die Anwendung der Diakonie-Tarife achten die Mitarbeitervertretungen, die das Pendant zum Betriebs- oder Personalrat darstellen. Die Festlegung des Gehalts über Eingruppierung und Entgeltstufen ist klassische Mitbestimmungsaufgabe. Übrigens haben mehr als 90 Prozent der Einrichtungen und Dienste in der Diakonie eine Mitarbeitervertretung. Die Zahl der Beschäftigten in Unternehmen mit Betriebsräten sinkt dagegen kontinuierlich und liegt bei rund 40 Prozent. 7. Werteorientierung Diakonie ist Nächstenliebe und diese gilt für alle Menschen – unabhängig von Geschlecht, Herkunft, ihrer Art zu leben und zu lieben, ihrer Weltanschauung oder Religion. Die Einrichtungen und Dienste der Diakonie sind allesamt gemeinnützig. Alle Einnahmen werden also entsprechend für den Dienst am Menschen eingesetzt: für Gehälter, Investition und Innovation, für Nachhaltigkeit – und nicht für Renditen oder Dividenden. Ergebnisse für 2024 Erst zuletzt konnte sich die Arbeitsrechtliche Kommission wieder auf einige Verbesserungen für das Jahr 2024 einigen: Von der Inflationsausgleichszahlung (IAZ) von 3.000 Euro, über eine Erhöhung der Tabellenentgelte um 5,2 Prozent und einen zusätzlichen 31. Urlaubstag, der bereits in 2023 für alle Beschäftigten zur Verfügung stand. Bereits zum Januar 2023 gab es eine spürbare Tarifsteigerung. Mit der erneuten Erhöhung ab Juli 2024 gibt es nicht nur über die beiden Jahre gesehen 10,8 Prozent mehr Geld, sondern auch frühzeitig Klarheit. Und es gibt noch viel mehr Vorteile für EHS-Mitarbeitende: • Verlässliche Gehaltszahlung zur Monatsmitte, Zeitwertkonten, Fahrradleasing, vergünstigtes Essen, kostenlose Getränke und vieles mehr. • Zahlreiche Zulagen und Zuschläge, etwa: Kinderzuschlag (90 Euro), Zuschlag für Funk- tionsstellen (120 bis 160 Euro), Stand-by-Dienste und kurzfristiges Einspringen (bis zu 60 Euro je Dienst).

28 | Gute Pflege | 1_2024 | Dietmar Prexl. — Gefragt Sie sind als Vorsitzender der Arbeitsrecht- lichen Kommission der Diakonie Deutschland ein wesentlicher Gestalter und damit auch ein Verfechter des Dritten Wegs. Warum eigentlich? Ganz einfach, weil hier das Miteinander und nicht das Gegeneinander im Vordergrund steht. Der Dritte Weg funktioniert. Hier handeln Vertretende der Mitarbeitenden und der Träger und Einrichtungen ihre Interessen in gemeinsamen, paritätisch besetzten Kommissionen aus. Es gilt zum einen, eine faire Vergütung und gute Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden zu erreichen und zum anderen die Angebote für die Hilfebedürftigen und die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Träger zu sichern. Können sich die Kommissionen gar nicht einigen, kommt es zu einer verbindlichen, unparteiischen Schlichtung. Der große Vorteil des Modells: Beide Seiten befinden sich in einem laufenden, konstruktiven Dialog und es verhandeln diejenigen, die sich am besten mit der Situation vor Ort auskennen. Im Ergebnis bietet die Diakonie sehr gute Arbeitsbedingungen. In einem aktuellen Gehaltsvergleich zwischen den Wohlfahrtsverbänden belegt die Diakonie erneut den ersten Platz. Bis zuletzt ist die Diskussion um das kirchliche Arbeitsrecht in aller Munde. Die Gute-PflegeRedaktion hat mit einem gesprochen, der es wissen muss – Dietmar Prexl, Vorsitzender der Arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie Deutschland. Dietmar Prexl Arbeitsrecht

| Gute Pflege | 1_2024 | 29 Wie viele Entscheidungen fallen anteilig im Konsens, sodass kein Schlichtungsverfahren notwendig wird? Entscheidungen durch den Schlichtungsausschuss sind die große Ausnahme. In den allermeisten Fällen – etwa 97 Prozent der Entscheidungen – finden die Dienstgeber- und Dienstnehmerseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie Deutschland eine Verhandlungslösung. Zwischen 2007 und 2024 musste der Schlichtungsausschuss nur dreimal eine Entscheidung fällen. Ein Grund dafür ist auch, dass für beide Seiten überhaupt nicht absehbar ist, wie in einer Schlichtung entschieden wird. Es ist also erstrebenswert sich zu einigen und nur dann, wenn wirklich gar kein Gespräch zwischen den beiden Parteien mehr möglich ist, die Schlichtung anzurufen. Wenn wir das Ausmaß der Streiks in der aktuellen Zeit sehen – ist der Dritte Weg, der den Streik ausschließt, die Zukunft für alle? Ich nehme jedenfalls wahr, dass etwa die jüngsten Bahnstreiks zunehmend auf Kritik stoßen. Eine Gewerkschaft ist da anders. Denn eine Gewerkschaft wird nicht sichtbar, wenn sie sich im Stillen einigt, sondern im Streik – wenn sie eine große Kampagne startet und in der Öffentlichkeit laut wird. Und diese Sichtbarkeit braucht sie, um viele Mitglieder zu gewinnen, um so möglichst durchsetzungsstark zu werden und um ihre Finanzierung zu sichern. Auch hinterfragen mittlerweile einzelne Stimmen aus der Politik das Streikrecht in der Daseinsvorsorge. Inwieweit der Dritte Weg hier das bessere Modell bietet, müssen andere entscheiden. Das kircheneigene Kommissionsmodell zeigt jedenfalls: Auch ohne Arbeitskämpfe kann ein Druck zur Einigung aufgebaut werden, der am Ende zu ausgewogenen Ergebnissen führt. Das Streikrecht, aber auch der Dritte Weg, als eigenes Arbeitsrecht der Kirchen, haben eine lange Historie – sind die ursprünglich jeweils ausschlaggebenden Gründe dafür überhaupt noch gegeben? Gibt es noch eine Legitimation – für Streiks zum einen, aber auch für ein gesondertes Arbeitsrecht der Kirchen, insbesondere auch für die Wohlfahrtsverbände? Für die Kirchen und die Diakonie gelten die Gründe unverändert weiter. Zum diakonischen Selbstverständnis gehört: Der Dienst am Menschen steht jederzeit und überall an erster Stelle. Junge, Alte, Kranke oder Menschen mit einer Behinderung sollen keine Einschränkungen erleben, nur weil Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich nicht einigen können. Das kirchliche Arbeitsrecht legitimiert sich aber auch durch die vielen Vorteile für die Mitarbeitenden. Während deutschlandweit die allgemeine Tarifbindung der Beschäftigten abnimmt, liegt die Bindung an Flächentarife in diakonischen Einrichtungen bei rund 97 Prozent. Neben der attraktiven Vergütung punkten diakonische Einrichtungen mit umfangreichen Sonderleistungen wie Zulagen, Zuschlägen und einer zusätzlichen betrieblichen Altersvorsorge. „ Zwischen 2007 und 2024 musste der Schlichtungsausschuss nur dreimal eine Entscheidung fällen.“ > > >

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