Ausgabe 2/2024

| Gute Pflege | 2_2024 | 15 Bereits im Juni 2022 hatte sich unser Bundespräsident für eine soziale Pflichtzeit stark gemacht. Sie sei ein Gewinn für die innere Festigkeit unserer Demokratie und eine Antwort auf die destruktiven Seiten der sozialen Zersplitterung. Recht hat er und ich bin doch ziemlich erstaunt, wie schnell ein Chor von Bedenkenträgern auch aus Diakonie und Kirche diese Idee vom Tisch wischt. Die politische Diskussion dazu wird hoffentlich weiter gehen, auch wenn sie mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht oder einer allgemeinen Dienstpflicht zuletzt neue Überschriften bekommen hat. Übrigens sprechen sich laut einer repräsentativen Umfrage von Berlin Direkt 73 Prozent der Befragten für ein verpflichtendes Jahr bei der Bundeswehr oder im sozialen Bereich aus. Diesen Rückenwind sollte die Politik nutzen. Ich plädiere für ein Gesellschaftsjahr, das alle Männer und Frauen jeden Alters umfassen sollte. Die Bereitschaft, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, muss in Deutschland wieder größer werden, als die Erwartungen an den Staat. Freiwilligendienste allein reichen dafür nicht aus. Auch wenn es paradox klingt: das wäre nicht nur eine Pflicht, denn sie gibt jeder Bürgerin und jedem Bürger auch das Recht, die Perspektive der Mitmenschen einzunehmen und zu erfahren, dass es schöner ist zu geben, als Erwartungen an andere zu richten. Ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr im sozialen, kulturellen, ökologischen Bereich oder auch in der Bundeswehr kann deshalb den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und neue Wege eröffnen. Das gilt für junge Menschen, die nach der Schule oft nach Orientierung im Leben suchen. Aber das gilt auch für die sogenannten „Silver Ager“, die mit Eintritt in den Ruhestand häufig noch fit sind und eine neue Aufgabe suchen. Argumente gegen das Gesellschaftsjahr wie zu hohe Kosten oder fehlende Infrastruktur kann ich nicht gelten lassen, denn der langfristige Mehrwert eines stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhaltes wiegen die Schwierigkeiten bei der Einführung auf. Ich bin überzeugt, dass wir alle uns ein Stück weit von unserem Wohlfühlstaat verabschieden und wieder lernen müssen, dass eine Demokratie, Recht und Freiheit nur funktionieren, wenn wir alle bereit sind, einen persönlichen Beitrag für das große Ganze zu leisten. Plädoyer für ein Gesellschaftsjahr. — (E)InSicht Bernhard Schneider Kommentar – (E)InSicht

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