3 | 2024 Gute Pflege Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung Du. — Stolz auf alles, was dich ausmacht
2 | Gute Pflege | 3_2024 | Leben mit Demenz 4 | Walter. Wer bleibt, wenn das Vergessen kommt 10 | Beziehungsweise. Menschen mit Demenz begleiten 14 | Gefragt. Diakonie Tschechien Kommentar – (E)InSicht 17 | Innovation ist eine Frage der Haltung. Neues 18 | In Bewegung. Gutes tun 20 | Gefragt. Freundeskreis Pflege im Fokus 24 | Schwärmen. Mitarbeitende als Fans der Guten Pflege 30 | Gefragt. Bernhard Schneider Personalien 33 | Neue Führungskräfte. Das sind wir 34 | EHS-Studienreise. Impressum Verantwortlich: Bernhard Schneider Redaktion: Ann-Christin Kulick Telefon 0711 63676-125 redaktion@ev-heimstiftung.de Nicht gekennzeichnete Artikel sind von der Redaktion verfasst. Anschrift Redaktion Gute Pflege. Hackstraße 12, 70190 Stuttgart Gestaltung: AmedickSommer GmbH, Stuttgart Fotos: alle Fotos Evangelische Heimstiftung mit Ausnahme von: – Adobe Stock: S.2 (o.M.), 11, 12, 32 Robert Kneschke; S.2 (o.r.), 24 G-Stock; S. 16 Drazen Zigic; S.18 TAW4 – iStock: S.25 SDI Productions; S.29 shapecharge – KI-generiert mit Adobe Firefly: S.1, 3 – Familie Cwerenz: S.7, 8 (historische Bilder) – Lutz Härer: S.17 Produktion und Druck: Offizin Scheufele, Druck und Medien GmbH + Co.KG Nachdruck und elektronische Verwendung nur mit schriftlicher Genehmigung. „Gute Pflege. Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung“ erscheint dreimal jährlich. Auflage: 15.000 Herausgeber: Evangelische Heimstiftung GmbH www.ev-heimstiftung.de Der Bezugspreis ist durch den Beitrag abgegolten. Im Magazin werden, soweit möglich, neutrale, alle Geschlechter einschließende Begriffe verwendet – oberstes Gebot bleibt jedoch die Verständlichkeit der Sprache. 10 24 04 Walter. — Wer bleibt, wenn das Vergessen kommt
| Gute Pflege | 3_2024 | 3 Gute Pflege. Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung. Liebe Leserinnen, liebe Leser, „Du.“ ist der Titel dieser Ausgabe. Sich selbst in den Mittelpunkt stellen? Klingt erstmal gar nicht nach einem diakonischen Unternehmen. Aber ist es nicht genau das, was die Pflegebranche gut gebrauchen kann? Menschen, die sich stolz hinstellen und sagen: „Ja, ich bin Pflegekraft und das ist ein toller Beruf. Ich erkenne selbst wie wertvoll das ist und scheue mich auch nicht, das nach außen zu tragen.“ Tiefer in dieses Thema einsteigen könnt ihr mit dem Schwerpunkt zwei dieser Ausgabe. Das „Du.“ hat noch einen weiteren Aspekt: Täglich stellen wir die Menschen, die wir pflegen und betreuen, in den Mittelpunkt. Wir sehen ihren Wert und ihre Potenziale, ganz unabhängig von ihren Einschränkungen. Geben ihnen Halt und Selbstvertrauen. Einer dieser Menschen ist Egon Sodan, der an Demenz erkrankt ist und dessen Geschichte wir im Schwerpunkt eins dieser Ausgabe erzählen. Auch darüber hinaus gibt es einiges zu entdecken: zum Beispiel unser erstes internationales Interview – zu lesen auch online in Originalsprache. Zudem findet ihr wieder zahlreiche weiterführende Informationen, die über den jeweiligen QR-Code zu lesen sind. Nun viel Freude beim Lesen und Entdecken. Eure Gute-Pflege-Redaktion 3 | 2024 Gute Pflege Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung Du. — Stolz auf alles, was dich ausmacht 30
4 | Gute Pflege | 3_2024 | Walter. — Wer bleibt, wenn das Vergessen kommt Leben mit Demenz
| Gute Pflege | 3_2024 | 5 … ein Leben, dem viele Erinnerungen fehlen und in dem andere umso mehr Bedeutung gewinnen. In dem die Selbstständigkeit verloren geht, das aber kein Unglück bedeutet. Diese Geschichte erzählt von dem was bleibt – einem glücklichen Leben. „Mein Gott Walter, wenn er furzt, dann knallt er. Knallt er nicht* …“ Wie es dann weiter geht, ist Egon Sodan gerade entfallen, das findet er aber nicht weiter schlimm. Der 93-Jährige lebt im Haus im Schlösslesgarten. Auch mit seiner Demenz-Erkrankung hat er bis heute bei jeder Gelegenheit einen lockeren Spruch auf den Lippen und das macht ihm selbst mindestens genauso viel Freude wie allen um ihn herum. Ein verschmitztes Grinsen blitzt zuerst in seinen Augen auf und breitet sich gemächlich über das ganze Gesicht aus, bis es schlussendlich bei den Mundwinkeln angelangt. Er behält sein Gegenüber genau im Blick – und das Grinsen verwandelt sich in den Ausdruck von Zufriedenheit, sobald die Reaktion in Form eines herzlichen Lachens ausfällt. Alle hier im Haus im Schlösslesgarten mögen Egon Sodan: „Er ist so ein lieber Mensch. Manchmal weiß er nicht mehr genau, wie er zum Essen kommt oder wo sein Platz am Tisch ist, aber dabei helfen wir ihm. Stimmts? Du bist ein ganz lieber Mensch“, sagt eine Mitbewohnerin und tätschelt seinen Arm. „Jetzt reichts dann aber auch mal“, findet er und wendet sich ab. Schon hat etwas anderes seine Aufmerksamkeit geweckt. Hat sein Schwiegersohn da gerade ein Taschentuch fallen lassen? Das muss aufgehoben > > > Das ist die Geschichte von Egon Sodan und seiner Familie. Sie erzählt von schwindenden Fähigkeiten und Erinnerungen, aber auch von Freude und Zusammenhalt, von kleinen Neuanfängen und tiefer Verbundenheit. Es ist die Geschichte eines leisen Übergangs in ein anderes Leben… „ Mein Gott Walter, ...“ Auch heute noch hat Egon Sodan bei jeder Gelegenheit einen lockeren Spruch auf den Lippen. * Filmzitat (aus einem der „Kempowski-Sprüche“) des deutschen Schriftstellers Walter Kempowski
6 | Gute Pflege | 3_2024 | werden. Alles hat seine Ordnung, so war es schon immer. „Mein Schwiegervater war immer sehr genau – im Gegensatz zu mir, fast pedantisch“, sagt Andreas Cwerenz. „Dabei konnten wir auch einmal aneinandergeraten.“ Geht es aber um die Liebe zu den alten Autos, sind sie sich sofort wieder einig: „Was war das noch für eine Maschine, die du damals in Bautzen gefahren hast?“. Für einen kurzen Moment scheint es, als hätte Egon Sodan die Frage gar nicht gehört, sein Blick schweift in die Ferne. Doch nach und nach dringen die Worte zu ihm durch. Seine Augen hellen sich auf: ja klar, eine Terrot 500. Daran erinnert er sich gut. Wenn Andreas Cwerenz zurückdenkt, an seine ersten Begegnungen mit dem Schwiegervater, stehen ihm die Tränen in den Augen. Damals 1984 als er seine heutige Frau Karin gerade erst kennengelernt hatte. Über die Jahrzehnte hat sich ein herzliches Verhältnis zwischen den beiden Männern entwickelt, eine enge Verbundenheit. „Mein eigener Vater ist früh verstorben. Die Eltern meiner Frau haben mich in die Familie aufgenommen wie ihr eigenes Kind“. Auch deshalb kommt er so häufig zu Besuch. Der Umzug ins Pflegeheim hat nichts an den gemeinsamen Traditionen geändert. Eine davon ist der Frühschoppen am Sonntag. „Das war schon immer unser Ding und ist es bis heute.“ Da plaudern sie. Nicht über die letzten 50 Jahre, an die kann sich Egon Sodan kaum noch erinnern, aber dafür an seine Jugend. An seine Autos und Motorräder. Viele Geschichten, alle bereits so häufig erzählt, dass die Familie sie problemlos auch selbst beschreiben könnte – im gleichen Wortlaut. „Aber das macht ja nichts. Das ist jetzt die Welt, in der er sich auskennt“, sagt Tochter Karin Cwerenz. Und so stehen sie immer wieder gemeinsam vor dem alten Foto des Mehrfamilienhauses, in dem er aufwuchs und das nun eingerahmt in seinem Zimmer im Pflegeheim hängt. Jedes der Fenster ist ihm vertraut. Die Menschen, die dahinter lebten, kennt er bis heute mit Namen und Geschichte. Sechs Parteien waren das. Er selbst lebte in der Wohnung links oben. > > > Leben mit Demenz
| Gute Pflege | 3_2024 | 7 > > > nerung auch gar nicht gezielt aktivieren und ein Gespräch aufbauen“, sagt Andreas Cwerenz. „Es macht mich einerseits traurig, dass mein Vater sich an weite Teile meines Lebens, meine Kindheit und Jugend nicht mehr erinnern kann. Auch kaum an meine Mutter oder daran, dass mein Bruder jung verstorben ist. Viele Dinge, die „ Er ist zufrieden in seiner Welt und das wiederum ist ein Geschenk und macht alles leichter.“ Karin Cwerenz, Tochter von Egon Sodan „Wem hat das Haus denn gehört“, fragt Schwiegersohn Andreas, nicht zum ersten Mal. Egon Sodan gibt bereitwillig Auskunft. Diese frühen Erinnerungen sind nun seine Welt. Da kommt er ins erzählen und fühlt sich sichtlich wohl in seiner Rolle. „Wir haben so viele Jahre miteinander verbracht, dass wir jetzt eben auf dieses Wissen über sein Leben zurückgreifen und mit ihm Gespräche über Dinge führen können, die wir zwar nicht miterlebt, aber schon viele Male aus Erzählungen gehört haben. Würden wir die Geschichten nicht kennen, könnten wir die ErinAuch heute noch ein beliebtes Gesprächsthema zwischen Andreas Cwerenz und seinem Schwiegervater: Egon Sodans Fahrzeuge
8 | Gute Pflege | 3_2024 | > > > Jahrzehnte seines Lebens geprägt haben, sind einfach ausgelöscht“, sagt Karin Cwerenz. Ein wahrer Geschichten-Erzähler war ihr Vater. „Er konnte einen richtig in seinen Bann ziehen.“ Der Erzähler ist geblieben, die Geschichten werden weniger. „Zu sehen wie immer mehr verloren geht, von dem Mann, der mitten im Leben stand, tut manchmal weh“, sagt Karin Cwerenz. „Gleichzeitig ist er aber nicht unglücklich. Im Gegenteil: Er ist zufrieden in seiner Welt und das wiederum ist ein Geschenk und macht alles leichter.“ Denn das ist keine Selbstverständlichkeit. Dessen sind sich Karin und Andreas Cwerenz bewusst. „Die Krankheit kam schleichend in unser Leben“, erzählen sie. 2015 verstarb die Frau von Egon Sodan ganz plötzlich. „Ich glaube sie war die erste, die schon eine Vorahnung hatte. Denn kurz vor ihrem Tod sagte sie zu mir: „Ihr werdet mit dem Opa noch eine große Aufgabe haben“, erzählt Karin Cwerenz. Sie und ihr Mann bemerkten damals noch keine Veränderung. Zwei Jahre sollte alles seinen gewohnten Gang gehen. Der Vater lebte nur wenige hundert Meter entfernt, kam häufig zum Essen vorbei. Nach und nach verbrachte er immer mehr Zeit bei Tochter und Schwiegersohn. Aus dem Besuch zum Mittagessen wurden mehrere Stunden und später ganze Tage. Irgendwann hörte er auf selbst Kaffee zu kochen und Auto zu fahren – er wusste nicht mehr wie es geht. Über Stunden saß er im Wohnzimmer der Familie, um klassischer Musik zu lauschen und in seine eigene Welt abzutauchen. Schon als Jugendlicher war er gerne zu Klavierkonzerten gegangen, spielte auch selbst Klavier. „Zu diesem Zeitpunkt kamen immer mehr Dinge dazu, die nicht mehr selbstständig gingen. Er selbst hat das nur hin und wieder realisiert. Dann saß er schon einmal traurig am Küchentisch. Aber große Verzweiflungsmomente über die Krankheit gab es nie. Es war ein langsamer, stetiger Prozess über mehrere Jahre“, erzählt Karin Cwerenz. „Irgendwann nahm er statt der Fernbedienung das Telefon, um den Fernseher einzuschalten. So hat sich das in vielen Bereichen fortgesetzt. Wir waren im Grunde rund um die Uhr in Sorge, ob alles in Ordnung ist, waren über Jahre nicht im Urlaub. Wir haben alles getan, um ihm so lange wie möglich das Leben zu Hause zu ermöglichen“, sagt Karin Cwerenz. „Mein Vater hat früher immer geäußert, dass er auf keinen Fall in ein Pflegeheim möchte. Natürlich verspürt man da als Kind einen gewissen Druck und auch den Wunsch, das zu ermöglichen“, erinnert sich Leben mit Demenz Egon Sodan und seine Frau Hildegard in früheren Tagen
| Gute Pflege | 3_2024 | 9 „ Mein Vater war ein wahrer Geschichten-Erzähler. Er konnte einen richtig in seinen Bann ziehen.“ Karin Cwerenz, Tochter von Egon Sodan Karin Cwerenz. „Doch irgendwann ging es nicht mehr“. Die Erinnerung an dieses Eingeständnis wiegt bis heute schwer. Während sie erzählen schauen die beiden sich immer wieder an, wie um sich gegenseitig zu bestätigen: Es ging nicht mehr. Der Umzug war die einzige Option. „Wir haben die Auswirkung dieser Pflege zu Hause ab einem gewissen Punkt auch körperlich und psychisch gespürt. Die große Verantwortung, rund um die Uhr auf Abruf bereit zu sein und das über Jahre. Wir leben in einem Reihenhaus – baulich hätte es da keine Möglichkeit gegeben, ihn ganz bei uns aufzunehmen“, erzählt Andreas Cwerenz. Die ersten Wochen nach dem Umzug ins Pflegeheim waren schwer. Nach und nach wird aber klar: Die Entscheidung war gut und richtig. „Wir können gar nicht in Worte fassen, wie froh wir sind uns hier für das Haus im Schlösslesgarten entschieden zu haben. Alles ist sehr persönlich und gleichzeitig professionell. Wir fühlen uns als ganze Familie gut betreut und unterstützt.“ Auch der Vater und Schwiegervater ist in der neuen Umgebung angekommen. Heute weiß Egon Sodan selbst zwar nicht mehr wo er ist, aber er fühlt sich dennoch wohl, wenn er mit seinem Rollator durch die Gänge streift. Seine Familie ist regelmäßig zu Besuch. Karin und Andreas Cwerenz erkennt er bis heute, die Enkeltöchter nur noch an manchen Tagen. Auch wenn er immer weniger Menschen wiedererkennt, alle im Haus kennen ihn. Kein Gang durch das Haus verläuft ohne ein kurzes Gespräch. Wahrscheinlich beginnt es ungefähr so: „Mein Gott Walter...“ Wenn er nach dem Sonntagsspaziergang mit der Familie aus dem Garten zurückkehrt, hat er eine Frage: „Wo sind wir hier?“ „Das ist das Pflegeheim und wir sind in deinem Zimmer“, antwortet Tochter Karin. „Was mache ich in einem Pflegeheim?“ fragt er noch zurück. Doch dann wendet er sich interessiert dem gerahmten Bild eines Mehrfamilienhauses zu, das an seiner Zimmerwand hängt. Und beginnt zu erklären: „Ganz oben links, da haben wir gewohnt. Rechts daneben Familie Schmidt*…“ * Name von der Redaktion geändert
10 | Gute Pflege | 3_2024 | Beziehungsweise. — Menschen mit Demenz begleiten Sofern in den kommenden Jahren kein großer Durchbruch in Prävention oder Therapie erfolgt, steigt diese Zahl bis zum Jahr 2025 auf bis zu 2,8 Millionen. Auch bei den Kundinnen und Kunden der Evangelischen Heimstiftung schlagen sich diese Zahlen nieder. Mit der zunehmenden Zahl an Demenz erkrankter Menschen in Pflegeeinrichtungen gehen besondere Anforderungen an Pflege und Betreuung einher. „Die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz ist für uns kein neues Phänomen. Trotzdem ist es jetzt – auch in Anbetracht der Entwicklungen, die wir in den kommenden Jahren erwarten – an der Zeit, unser Wissen zu bündeln und allen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen“, sagt Steffen Till, Leiter des Projekts Demenzstrategie. „Wir haben ein gemeinsames Ziel und das ist, die Lebenssituation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zu gestalten, entsprechende Strukturen und Angebote zu schaffen, die für weiterhin möglichst viel Selbstbestimmung und Lebensqualität sorgen.“ Bei über 90 stationären Einrichtungen ist eine große Bandbreite an Fachwissen im Unternehmen vorhanden. „Also schauen wir uns zunächst an, welche Konzepte es bereits gibt. Wie arbeiten wir in den Einrichtungen mit Menschen mit Demenz, was hat sich bewährt und kann auf andere Standorte übertragen werden“, berichtet Till. Eine wichtige Säule dabei ist das Wohngruppenkonzept, nach dem bereits alle stationären Einrichtungen der EHS arbeiten. Ein zentraler Ansatzpunkt dafür ist die personenzentrierte Pflege nach Tom Kitwood. Er geht davon aus, dass jeder Person grundsätzlich die Fähigkeit gegeben ist, von ihren Ressourcen und Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Aufgabe der Pflegefachkräfte ist es dabei zu unterstützen und zum Gebrauch dieser Fähigkeiten anzuregen. Ein weiterer Ansatzpunkt, der in den Umgang mit pflegebedürftigen Personen und insbesondere bei dementiellen Veränderungen eine Rolle spielt, ist der Ansatz der Beziehungsorientierung von Mike Nolan. Die Bedürfnisse und Wahrnehmung der betroffenen Personen stehen dabei im Vordergrund. Ziel der Pflege ist es immer, das persönliche Wohlbefinden und damit die Lebensqualität zu erhalten und zu verbessern. Die Anforderungen spiegeln sich auch in ei- nem Expertenstandard „Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“ wider. Expertenstandards werden von dem Deutschen Netzwerk für Qualitätssicherung in der Pflege (DNQP) in Kooperation mit dem Deutschen Pflegerat und mit finanzieller Förderung des Bundesministeriums für Gesundheit entwickelt und dienen zur Sicherung der Qualität in Pflegeeinrichtungen. „Demenzerkrankungen gehören zu den großen pflegerischen Herausforderungen. Die Gesellschaft trägt eine besondere VerantworIn Deutschland leben etwa 1,8 Millionen Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind. Das hat die Deutsche Alzheimer Gesellschaft erhoben. Leben mit Demenz
| Gute Pflege | 3_2024 | 11 Angebote der Interaktion und Kommunikation, die insbesondere an den Bedürfnissen der Menschen orientiert sind, wirken sich positiv auf die Beziehung zu den Menschen in ihrem so- zialen Umfeld aus. „Deshalb ist es wichtig, dass die Pflegefachkräfte über aktuelles Fachwissen zur Beziehungsgestaltung, zum Krankheitsbild Demenz und zur Planung, Durchführung und Evaluation von beziehungsgestaltenden und -fördernden Maßnahmen verfügen. > > > tung für Menschen mit Demenz, da sie den Erhalt ihrer Lebensqualität häufig nicht selbst einfordern oder beeinflussen können“, erklärt Nele Jacobs, die an der Umsetzung des Expertenstandards in der EHS beteiligt war. Beziehungen zählen zu den wesentlichen Faktoren, die aus Sicht von Menschen mit Demenz die Lebensqualität erhöhen. „Denn alle Menschen – ob mit oder ohne Pflegebedarf – brauchen das Gefühl, gehört, verstanden und angenommen zu werden sowie mit anderen Personen verbunden zu sein.“ „ Demenzerkrankungen gehören zu den großen pflegerischen Herausforderungen.“ Nele Jacobs, Referentin Pflege und Alltagsbegleitung
12 | Gute Pflege | 3_2024 | > > > sind – etwa bei der Tischordnung zum Essen spielt das eine Rolle.“ Schon bei Einzug geht Maria Armbruster-König transparent mit ihrem integrativen Konzept um: „Wir sind eine offene Einrichtung und wollen das auch beibehalten. In einzelnen Fällen, in denen dementiell veränderte Menschen einen sehr stark ausgeprägten Drang nach Bewegung haben und nicht davon überzeugt werden können, das Haus nicht zu verlassen oder ähnliches, suchen wir gemeinsam nach Lösungen. In manchen Fällen kann das auch bedeuten, dass eine Einrichtung mit anderem Konzept hier die bessere Wahl ist“, berichtet sie. „Es ist schön zu sehen, wie die Bewohnerinnen und Bewohner bei uns aufeinander eingehen, sich gegenseitig unterstützen und sich auch umeinander kümmern. Wichtig ist an dieser Stelle noch einmal zu betonen, dass es da keine Erwartungshaltung gibt: Alle dürfen sich einbringen, keiner muss.“ Leben mit Demenz Die Einrichtungen der EHS verfolgen unterschiedliche Ansatzpunkte in der Betreuung von Menschen mit dementiellen Veränderungen. Zum einen in der sogenannten segregativen Form. Das kann ein geschlossener, beschützender Wohnbereich sein wie etwa im Haus am See in Heilbronn. Dort können sich die Bewohnerinnen und Bewohner, die noch sehr mobil und aktiv sind, frei bewegen, ohne sich selbst zu gefährden. Die Fachkräfte integrieren die Menschen in Tagesabläufe wie Körperpflege oder Essenszubereitung. So werden die Erinnerungen an frühere Tätigkeiten geweckt und die Menschen mit Demenz spüren Sicherheit und Geborgenheit. Ein höherer Personalschlüssel ermöglicht diese intensive Pflege und Betreuung für Menschen mit besonders herausforderndem Verhalten. Für die Aufnahme in eine solche geschlossene Einrichtung muss ein besonderer Schweregrad der Demenz diagnostiziert sein. Die zweite Variante ist ein Wohnbereich, der ebenfalls an den besonderen Bedürfnissen der Menschen mit Demenz ausgerichtet ist. Es bestehen jedoch weniger strikte Zugangsvoraussetzungen, die Personalausstattung entspricht der einen allgemeinen Pflegeeinrichtung. Sicherheit geben hier unter anderem technische Lösungen wie das Schutzengelsystem. Als Armband oder Anhänger lösen diese kleinen Geräte einen Alarm beim Pflegepersonal aus, sobald sich eine Person von dem Bereich entfernt. Insbesondere bei ausgeprägten Hin- und Weglauftendenzen geben diese Hilfsmittel Sicherheit. Unterschiedlichste Systeme werden in den Einrichtungen mit Unterstützung des Innovationszentrums der EHS getestet und eingesetzt. Ein anderes Konzept verfolgt das Seniorenzentrum Goldscheuer in Kehl. Dort leben sie ein gemeinschaftlich integriertes Modell mit allen Menschen der Einrichtung. „Unsere Wohngruppen sind bunt durchmischt. Menschen mit dementieller Veränderung und solche ohne kognitive Einschränkungen leben zusammen und tatsächlich profitieren davon in unserem Fall alle“, berichtet Hausdirektorin Maria Armbruster-König. Einige Rahmenbedingungen sind hier jedoch Voraussetzung. „Wir achten darauf, dass für Menschen ohne kognitive Einschränkungen auch weiterhin Gespräche untereinander gegeben
| Gute Pflege | 3_2024 | 13 Podcast „Gute Pflege? Gute Frage.“ In vielen Einrichtungen der EHS absolvieren Pflegekräfte eine Weiterbildung zur Gerontopsychiatrischen Fachkraft. Sie sind spezialisiert auf psychische Erkrankungen im Alter, zu denen auch die Demenz gehört. Im Podcast „Gute Pflege? Gute Frage.“ spricht Ann-Christin Kulick mit Svenja Kischkat, die als Gerontopsychiatrische Fachkraft im Stiftungshof im Haubenwasen arbeitet. Es geht um mentale Gesundheit im Alter, warum Depressionen immer noch ein Tabu-Thema sind und wie auch für dementiell veränderte Menschen ein glückliches Leben möglich ist. Jetzt reinhören: Nationale Demenzstrategie Neben der vielfältigen Expertise innerhalb des Unternehmens, hat auch die Bundesregierung die Relevanz des Themas erkannt und im Jahr 2020 die nationale Demenzstrategie verabschiedet. Mehr dazu online:
14 | Gute Pflege | 3_2024 | Diakonie Tschechien. — Gefragt Im Januar habt ihr das Projekt „Dementia Friendly Communities“ gestartet. Worum geht es dabei? Die Grundidee des Projekts Dementia Friendly Communities ist es, zu vermitteln, dass die Diagnose Demenz nicht das Ende bedeutet. Es ist ein neuer Lebensabschnitt. Wir unterstützen mit unserem Projekt Menschen dabei, Wege zu finden, sich in diesem neuen Lebensabschnitt zurechtzufinden. Vor allem wollen wir die Vorurteile loswerden, die mit der Krankheit verknüpft sind. Jeder weiß: Ein Mensch mit Diabetes benötigt sein Insulin. Wenn ihnen schwindelig wird oder sie etwas desorientiert sind, geben wir ihnen etwas mit Glukose. Man hat das Gefühl ungefähr zu wissen, was es mit Diabetes auf sich hat. Jemand, der an Demenz erkrankt ist, wird sich aber kaum so vorstellen: „Hi, ich bin Veronika, ich bin an Demenz erkrankt. Wenn mir schwindelig wird und ich etwas desorientiert bin, sprich bitte ruhig mit mir und mach mir einen Tee“. Wir müssen die grundlegenden Gedanken gegenüber Demenz dahingehend verändern: Was können wir als Gesellschaft tun, als Familie, als Dienstleister, als Unternehmer, um das Leben mit Demenz zu erleichtern, sodass Menschen mit dieser Erkrankung gut leben können und nicht darunter leiden müssen. Innerhalb der drei Jahre Projektlaufzeit implementieren wir das Konzept der „Dementia Friendly Communities“ als Pilotphase in zwei Gebieten: zum einen in einem städtischen Gebiet in Ostrava und zum anderen in einer ländlichen Gegend in der Nähe des Beskydy-Gebirges. Was konkret sind die Schwerpunkte in diesen drei Jahren Projektphase? Das Projekt hat zwei große Zweige. Der erste ist: Wir wollen die Wahrnehmung von Demenz in der Gesellschaft verändern. Wir organisieren öffentliche Veranstaltungen und nehmen an örtlichen Treffen Teil, um unser Wissen zum „ Vor allem wollen wir die Vorurteile loswerden, die mit der Krankheit verknüpft sind.“ Veronika Raszková, Diakonie Tschechien Leben mit Demenz Veronika Raszková von der Diakonie Tschechien ist verantwortlich für das Projekt demenzfreundliches Quartier. Als Vertreterin der Diakonie Tschechien ist sie außerdem – wie die EHS – teil des Netzwerks Eurodiaconia.
| Gute Pflege | 3_2024 | 15 Thema Demenz zu teilen und mehr Offenheit für das Thema zu erreichen. Zum Beispiel haben wir schon ein Kino-Event veranstaltet. Nach dem Film gab es ein Gespräch über Demenz. Für solche Anlässe suchen wir sogenannte „Ambassadors“ also Botschafterinnen und Botschafter. Das sind Menschen, die an Demenz erkrankt sind, die sich gemeinsam mit weiteren Engagierten bei solchen Veranstaltungen, aber auch darüber hinaus, dafür einsetzen, dass der öffentliche Raum demenzfreundlicher wird. Außerdem gründen wir Aktionsgruppen in jeder Region. Sie bestehen aus lokalen Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Sozialarbeit und Pflegeinrichtungen, pflegenden Angehörigen, Ärztinnen und Ärzten sowie unserem Team. Gerne hätten wir auch lokale Unternehmerinnen und Unternehmer dabei und viele mehr. Der zweite große inhaltliche Zweig des Projekts sind individuelle Unterstützungsangebote für Menschen mit Demenz und die Menschen, die sie pflegen und betreuen. Es geht darum, dass sie die Leistungen, die sie benötigen, ganz einfach bekommen, um sich auszutauschen, ins Café zu gehen oder andere Aktivitäten wahrzunehmen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei unser Team. Herz des Teams ist eine Beraterin oder ein Berater für das Thema Demenz. Das ist im Grunde ein Sozialarbeiter oder eine Sozialarbeiterin, der oder die für die betroffenen Menschen da ist, aber auch als Ansprechperson für die Öffentlichkeit fungiert. Darüber hinaus sind Teil des Teams eine Koordinatorin oder ein Koordinator für die Ehrenamtlichen sowie Therapeuten und jemand, der oder die die Kommunikation übernimmt. Das Tolle ist: all das wird kostenlos zur Verfügung gestellt, weil es von der EU finanziert ist. Wie habt ihr von dem Projekt erfahren? Das erste Mal haben wir über unsere Kolleginnen und Kollegen in Italien davon erfahren. Vor zwei Jahren haben wir unser Erasmus+ Projekt mit der Diakonie Valdese in Italien gestartet. Es gab zwei Austauschbesuche. Als erstes ist ein Team der Slezská Diakonie nach Italien gereist. Dort haben wir uns angeschaut, wie im Projekt gearbeitet wird, was sich dadurch verändert hat, wie mit den unterschiedlichen Beteiligten kommuniziert wird und vieles mehr. Dabei haben wir viel gelernt. Wir haben ein Pflegeheim und eine Tagespflege für Menschen die an Demenz erkrankt sind, in einer kleinen Stadt besucht. Dort arbeiten sie seit 13 Jahren nach dem Konzept. Sie haben es geschafft, mit der örtlichen Gemeinde und anderen zu kooperieren. Wir haben aber auch geschaut, wie das Konzept in einer größeren Stadt funktioniert, da gibt es große Unterschiede. Es ist dort nicht möglich, jeden Menschen für das Leben mit Demenz zu sensibilisieren, aber man kann Menschen, die mit der Krankheit leben und ihren Familien Orte schaffen, an denen sie sich sicher und verstanden > > > „ Was können wir als Gesellschaft tun, als Familie, als Dienstleister, als Unternehmer, um das Leben mit Demenz zu erleichtern?“ Veronika Raszková, Diakonie Tschechien
16 | Gute Pflege | 3_2024 | > > > Leben mit Demenz Zum Interview Zum Interview in Originalsprache: Weiteres zum Thema Auch in der Region Stuttgart gibt es bereits zahlreiche Projekte zu demenzfreundlichen Kommunen: fühlen. Orte, an denen sie auch mal entspannen oder andere pflegende Angehörige treffen können. Für den zweiten Part unseres Austauschs haben uns zwei Kollegen aus Italien in Tschechien besucht. Hier ging es mehr darum, das italienische Konzept auf unsere Situation vor Ort anzupassen. Auch hier haben wir wieder unterschiedliche Szenarien einbezogen: in Ostrova, einer großen Stadt und auch in einem kleinen Ort in den Bergen. Wie die EHS seid ihr auch Mitglied im Netzwerk Eurodiaconia. Welche weiteren Anknüpfungspunkte der internationalen Zusammenarbeit wünscht ihr euch über das Projekt hinaus? Welches Potenzial bietet das für die Zukunft der Pflege? Auch wenn wir in den verschiedenen Ländern der EU zum Teil ganz unterschiedliche Voraussetzungen und auch Herausforderungen haben: wir können uns dennoch gegenseitig inspirieren und voneinander lernen. Wenn wir vor einigen Jahren in Tschechien über „Dementia Friendly Communities“ gesprochen hätten – wir wären vermutlich ausgelacht worden. Aber jetzt, einige Jahre später, hat unser Gesundheitsministerium einen nationalen Aktionsplan für das Thema Demenz und Alzheimer verabschiedet. Einer der Kernpunkte ist es, genau diese demenzfreundlichen Quartiere zu schaffen. Es gibt bereits konkrete Maßnahmen zur Umsetzung in verschiedenen Regionen. Hätte es unseren interna- tionalen Austausch mit Italien nicht gegeben, hätten wir Kolleginnen und Kollegen und anderen Organisationen in Tschechien nie davon berichtet und in der Folge wäre die Aufmerksamkeit des Gesundheitsministeriums auch nicht auf das Thema gelenkt worden. Der internationale Austausch ist essenziell, um sich über Ideen und Konzepte in der Pflege auszutauschen, Wissen zu teilen und gemeinsam etwas zu bewegen.
| Gute Pflege | 3_2024 | 17 Eine tolle Idee setzt Ressourcen frei, die zuvor gar nicht gesehen wurden. Und die meisten guten Ideen entstehen an der Basis, in der direkten Begegnung zwischen Kunden und Mitarbeitenden. Genau dort entsteht auch Innovation. Diese Haltung hat lange Tradition in unserem Unternehmen. Unsere Gründerin Dr. Antonie Kraut hat das schon 1952 verstanden und Mitarbeitende aktiv eingebunden. Über 70 Jahre später haben wir Innovation und Digitalisierung als zwei von acht Strategiefeldern etabliert. Doch Strategie allein reicht nicht. Wir schaffen ganz konkret Raum für Innovation in unserem Unternehmen: Gestartet 2013 mit dem Innovationszentrum, begleitet heute das EHS-eigene Institut für Innovation, Pflege und Alter die Projekte auch wissenschaftlich und setzt damit neue Impulse. Innovation ist bei der EHS keine Top-Down-Entscheidung. Ich bin überzeugt, dass gemeinsame Ideen, die aus dem Unternehmen heraus entstehen, die Branche bereichern und verändern können. Denn gute Pflege braucht Innovation. Bei unserer diesjährigen Führungskräftetagung haben sich deshalb gleich acht Start-ups auf einem interaktiven Marktplatz präsentiert. Die Einrichtungen und Dienste testen nun die Produkte der jungen Gründer in Pilotphasen und setzen damit weitere Maßstäbe für Innovation in Pflege und Betreuung. Zwar setzen wir schon seit vielen Jahren auf unsere eigenen Innovationsprojekte wie ALADIEN oder WohnenPLUS – trotzdem wollen wir explizit auch neue Impulse bekommen. Und da sind uns junge, dynamische Gründerinnen und Gründer sehr willkommen. Einen Raum für Innovation schaffen wir auch im ganz wörtlichen Sinne. Denn wir konzipieren ein Nukleus für die Innovationsarbeit in unserer Zentrale. Ein Innovation Hub, in dem wir agil auf Entwicklungen reagieren und selbst Trends für Pflege und Betreuung setzen. Im neuen Gebäude entstehen nicht nur 35 neue Arbeitsplätze, die in modernen Workspaces untergebracht und nach den Prinzipien des New Work organisiert werden. Ziel ist es zuallererst fachliche Themen und Innovationen bereichsübergreifend, schneller und kreativer voranzubringen. Das Innovation Hub soll Treffpunkt für Innovationstreiber sein und so die Pflegewirtschaft gemeinsam mit Praxis, Wissenschaft und Wirt- schaft vorantreiben. Denn die Zeit für Inno- vation und Mut in der Pflege ist genau jetzt. Innovation ist eine Frage der Haltung. — (E)InSicht Bernhard Schneider Kommentar – (E)InSicht
18 | Gute Pflege | 3_2024 | Neues In Bewegung. In der sozialen Branche, insbesondere der Altenhilfe, ist die Vielfalt an Muttersprachen, Herkünften, Hautfarben und Religionen überproportional vertreten. Mit den Fragen der Vielfalt setzen wir uns als Evangelische Heimstiftung deshalb aktiv auseinander und begrüßen die Unterschiedlichkeit aller Menschen, mit denen wir zu tun haben: Mitarbeitende, Kundinnen und Kunden, Angehörige, Partnerinnen und Partner und viele mehr. Schon Dr. Antonie Kraut, die Gründerin der EHS, hat alle Menschen, die sich für gute Pflege eingesetzt haben, ausdrücklich und aktiv einbezogen. Das ist in unserer Satzung verankert, im Leitbild und den Handlungsgrundsätzen beschrieben sowie im Verhaltenskompass festgehalten. Sie leiten uns in wichtigen strategischen Entscheidungen und im täglichen Tun. Das Konzept beschreibt die Haltung und den Umgang innerhalb der EHS mit der Vielfalt unter aktuellen und potentiellen Mitarbeitenden sowie Kundinnen und Kunden. So setzen wir gemeinsam Segel, um Diskriminierung zu vermeiden und Chancengleichheit sowie einen offenen Umgang miteinander zu fördern. Vielfalt ist unsere Stärke Digitalisierung, Innovation und Nachhaltigkeit. Wir geben Einblicke in Projekte, mit denen die Heimstiftung immer in Bewegung bleibt.
| Gute Pflege | 3_2024 | 19 Als Evangelische Heimstiftung sind wir Dienstleisterin und Arbeitgeberin zugleich. Wir möchten den Vorstellungen unserer vielen Mitarbeitenden bestmöglich entsprechen. Deshalb ist Mitarbeiterzufriedenheit eine von drei Säulen unseres Leitbilds und die strategische Personalarbeit eine von acht Strategiefeldern des Unternehmens. Mitarbeitende finden, fördern und begeistern – unsere Strategie für Exzellenz in der Personalarbeit. Das strategische Personalkonzept stellt die Grundlage für die gesamte Personalarbeit in der EHS dar. Es zeigt die drei Ebenen und damit auch Zielsetzungen der Personalarbeit: Mitarbeitende für uns zu gewinnen, sie zu fördern und sie langfristig an unser Unternehmen binden. Alles was wir tun, zahlt darauf ein. Strategisches Personalkonzept Seit der Fertigstellung des Antonie-Kraut- Hauses in der Hackstraße 12 im Jahr 2017 bie- tet die Zentrale 210 Arbeitsplätze im Stuttgarter Osten. Nun soll im angrenzenden Grundstück ein weiteres Gebäude entstehen: Im Innovation Hub wird zukünftig das Forschungsinstitut für Innovation Pflege und Alter beheimatet sein, genauso wie weitere moderne Arbeitsplätze und Open Spaces für die Zusammenarbeit interner und externer Akteurinnen und Akteure der Pflegewirtschaft. Außerdem ist Teil des Konzepts ein Living Lab, in dem unter Laborbedingungen Innovationen wie neue Sensorik und Hilfsmittel getestet und bewertet werden können. Die Fertigstellung ist Anfang 2026 geplant. Innovation Hub
20 | Gute Pflege | 3_2024 | Freundeskreis. — Gefragt In diesem Jahr wurde Ralf Oldendorf, der bis zu seinem Renteneintritt bei der EHS als Geschäftsbereichsleiter Regionen und Markt tätig war, gemeinsam mit Martin Walter und Norbert Schick zum Vorstand des Freundeskreises der Evangelischen Heimstiftung e.V. gewählt. Gutes tun
| Gute Pflege | 3_2024 | 21 Herzlichen Glückwunsch zur Wahl in den Vorstand des Freundeskreises. Wie ist es, als ehemaliger Prokurist wieder zurück im Umfeld der EHS zu sein? Ganz anders. Ich bekomme die Dinge aus einer anderen Perspektive mit als in meiner Zeit als Geschäftsbereichsleiter, wenn ich zum Beispiel an einer Sitzung des Hauptgesellschafters der Heimstiftung teilnehme. Aber das Schöne ist, ich kenne ja auch die andere Seite und ich kann weiterverfolgen wie sich das Unternehmen entwickelt. Wieso haben Sie sich für dieses Engagement im Vorsitz des Freundeskreises entschieden? Ich war über die letzten Jahrzehnte Heimstiftung durch und durch. Nach wie vor bin ich mit dem Unternehmen sehr verbunden. Die Aufgabe im Freundeskreis ist eine sehr Schöne – nämlich, den Menschen in unseren Einrichtungen eine Freude zu machen. Wir nehmen außerdem unsere Rolle als Gesellschafter der Evangelischen Heimstiftung wahr und nutzen jetzt die Chance, den Freundeskreis weiterzuentwickeln. Eine neue Satzung wurde verabschiedet, wonach nun alle ehemaligen Mitarbeitenden der EHS einen Antrag auf Beitritt zum Verein stellen können. Den Freundeskreis gibt es jetzt seit 30 Jahren. Warum brauchte es eine Neuausrichtung? Ganz banal gesagt: Wir brauchen Geld. Denn ohne Geld können wir keine Projekte fördern. Ein Verein wie der Freundeskreis lebt davon, dass er Mitglieder hat. Deshalb haben wir die Satzung angepasst und setzen unseren Fokus zukünftig darauf, mehr Menschen für unsere schöne Arbeit zu gewinnen. Viele Ehemalige der EHS haben nach wie vor eine große Verbundenheit zum Unternehmen. Unser Mitgliedsbeitrag beträgt 40 Euro im Jahr. Das sind nur etwa 3,33 Euro im Monat „ Die Aufgabe im Freundeskreis ist eine sehr Schöne – nämlich, den Menschen in unseren Einrichtungen eine Freude zu machen.“ Ralf Oldendorf, Vorstand des Freundeskreises der Evangelischen Heimstiftung e.V. Technische Hilfmittel Dank Freundeskreis-Unterstützung > > >
22 | Gute Pflege | 3_2024 | Inklusionslauf in Isny Mit Unterstützung des Freundeskreises hat das Stephanuswerk Isny im Rahmen der Inklusions- tage im Landkreis Ravensburg einen Inklusi- onslauf veranstaltet. Teilgenommen haben 40 Teams, bestehend aus je einer Person mit Rollstuhl und einem Fußgänger. Es galt, sechs Stationen in Isny zu finden und innerhalb von zwei Stunden wieder mit der Laufkarte zurück zu kommen. „Dabei waren die Stationen so gewählt, dass die Fußgänger den Alltag eines Rollifahrers erleben und sich gedanklich im Team eine entsprechend geeignete Strecke zum Erreichen des Ziels überlegen konnten“, berichtet Anton Drescher vom Stephanuswerk Isny. > > > Und zum Abschluss darf ein kleiner Werbeblock nicht fehlen. Warum sollte man unbedingt in den Verein eintreten? Die Mitgliedschaft im Verein bietet eine Vielzahl an Benefits: zum einen natürlich den originären Sinn des Vereins, Spenden an die Einrichtungen zu vermitteln und schöne Projekte umzusetzen. In unserer Mitgliederversammlung bekommen wir einmal jährlich einen Einblick in alle Spendenaktionen des Jahres und das bedeutet eine halbe Stunde in fröhliche Gesichter zu blicken. Dieser Jahresrückblick zeigt, wie viel Gutes wir gemeinsam bewirken und welche Freude unsere Arbeit bereitet. In der Mitgliederversammlung und dabei soll es auch bleiben. Damit wollen wir möglichst vielen ehemaligen Mitarbeitenden der EHS die Möglichkeit bieten, mitzugestalten, ganz nach unserem Motto: Gutes tun, Gutes bewirken. Natürlich ist es auch weiterhin für Geschäftspartner und Privatpersonen möglich, uns unabhängig von der Mitgliedschaft im Verein eine Spende zukommen zu lassen. Alle Spenden kommen ausschließlich den Kundinnen und Kunden in den Pflegeeinrichtungen der EHS zu Gute. Gutes tun
| Gute Pflege | 3_2024 | 23 Interessiert? Weitere Informationen zum Freundeskreis: Wenn Sie helfen möchten Sie wollen die Projekte in unseren Einrichtungen unterstützen? Der Freundeskreis der Evangelischen Heimstiftung e.V. freut sich über Ihre Spende. >>> Evangelische Bank IBAN DE21 5206 0410 0000 4040 20 BIC GENODEF1EK1 des Freundeskreises erhalten die Mitglieder jedes Jahr Einblick in den Jahresbericht der Geschäftsführung. Darüber hinaus berichten wir regelmäßig hier im Magazin Gute Pflege über unsere Aktivitäten und Projekte in den Einrichtungen. Es ist sicherlich für ehemalige Mitarbeitende, die teils über Jahrzehnte mit dem Unternehmen verbunden waren und auch weiterhin sind, eine spannende Sache die Entwicklung des Unternehmens weiter zu verfolgen. Also: Werden Sie Mitglied bei Freunden! „Aktiv-Tisch“ im Karl-Wagner-Stift Der Aktivierungstisch sorgt Dank des Freundeskreises für frischen Wind in den Wohngruppen des Karl-Wagner-Stifts. Biografiearbeit kann verbessert und Kommunikation mit weiter entfernt lebenden Angehörigen erleichtert werden. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben sehr viel Freude daran und der „Aktiv-Tisch“ ist täglich im Einsatz. „Wir müssen fast einen Einsatzplan machen, damit beide Wohnbereiche damit aktiviert werden können. So beliebt und vielseitig ist er“, berichtet Hausdirektor Peter Rüger. „Es ist so schön zu sehen, wie viel Spaß und Freude die Menschen dabei haben.“ „ Unser Motto: Gutes tun, Gutes bewirken.“ Ralf Oldendorf
24 | Gute Pflege | 3_2024 | Schwärmen. — Mitarbeitende als Fans der Guten Pflege Pflege im Fokus
| Gute Pflege | 3_2024 | 25 Nur zufriedene und damit stolze Mitarbeitende sprechen positiv über ihren Beruf und werden zu Botschaftern für Gute Pflege. Die Ergebnisse zeigen: Ein positives Arbeitsklima ist ein selbstverstärkender Mechanismus für gute Arbeit und Stolz. Schlechte Stimmung und Frustration hingegen wirken sich negativ aus. Aber trotz aller herausfordernder Situationen: Alle Befragten konnten spontan Gründe nennen, warum sie ihren Beruf lieben. In der Befragung gaben etwa 40 Prozent an, dass sie die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit besonders stolz macht, gefolgt vom Arbeitsumfeld, also der Team- arbeit und dem Umgang mit Kundinnen und Kunden und Bewohnerinnen und Bewohnern mit 27 Prozent. Die Pflege wird als wertvolle und bereichernde Arbeit wahrgenommen, die nicht nur die Lebensqualität der Menschen verbessert, sondern auch Glücksmomente schafft und zwischenmenschliche Begegnungen entstehen lässt. „Wie zufrieden unsere Mitarbeitenden sind, zeigt immer wieder die Mitarbeitendenbefragung, die wir alle vier Jahre durchführen. Im Jahr 2022 lag die Gesamtzufriedenheit bei 80 Prozent. Welche Faktoren aber im Detail Einfluss auf dieses Gefühl nehmen, wann geschwärmt und wann eher genörgelt wird, das wollten wir genauer wissen. Denn nur zufriedene und damit stolze Mitarbeitende sprechen positiv über ihren Beruf und werden zu Botschaftern für Gute Pflege“, sagt Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider. Dazu hat die EHS ein Projekt ins Leben gerufen, das sich mit Stolz und Selbstverständnis der Berufe rund um die Pflege beschäftigt. Im Verlaufe des Projekts wurden in einer quantitativen Befragung die Mitarbeitenden von 21 Pflegeheimen und acht Mobilen Diensten befragt. Außerdem fanden ergänzend qualitative Interviews statt. Wer zufrieden mit seiner Arbeit ist, ist auch stolz darauf und spricht gut darüber, oder? Welche Faktoren haben Einfluss auf die Begeisterung der Menschen für ihren Pflegeberuf? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein Projekt der Evangelischen Heimstiftung. > > >
26 | Gute Pflege | 3_2024 | „ Nörgeln ist menschlich und Kritik oft auch notwendig, aber es ist Zeit, dass wir den Menschen zeigen, wie stolz wir auf uns und die Pflege sind.“ Ilka Steck, Mitarbeitendenvertreterin > > > > > > Wo Menschen in solch intensiven und fordernden Situationen zusammenkommen, sind jedoch auch Konflikte nicht vermeidbar. Selbst wenn die gute Stimmung vorherrscht, entstehen diese: Quellen sind vor allem Stresssituationen, ausgelöst von Dokumentationsfrust, herausfordernden Pflegesituationen, erlebter Ungerechtigkeit – insbesondere bei der Dienstplanung – oder auch aufgrund von Sprachbarrieren und fehlendem Austausch. „Natürlich gibt es Situationen, die schwer sind und Frust sowie schlechte Stimmung auslösen können. Aber es gibt eben auch die vielen schönen, erfüllenden Momente. Und deshalb fällt es den Mitarbeitenden auch nicht schwer, all die positiven Seiten ihres Berufs aufzuzählen“, sagt Schneider. Diese gilt es in den Vordergrund zu stellen. Das Ziel der Kampagne, die gemeinsam mit der Kreativagentur „Zum goldenen Hirschen“ entwickelt wurde, ist es nicht Dinge schön zu reden, sondern das Gute wieder zu sehen. Stolz Pflege im Fokus Stolz macht insbesondere die Sinnhaftigkeit und die Arbeit mit Menschen. Sinnhaftigkeit der Arbeit Arbeitsumfeld Professionalität und Kompetenz Anerkennung und Wertschätzung Auszug aus der Studie der Evangelischen Heimstiftung Arbeit in der Pflegebranche – welche Aspekte machen dich daran besonders stolz? 40 % 27 % 18 % 15 %
| Gute Pflege | 3_2024 | 27 Gute Pflege. Mit Mut und Überzeugung. Mit Professionalität und Empathie. Und mit denen, die dafür gemacht sind. Gute Pflege. Mit Mut und Überzeugung. Mit Professionalität und Empathie. Und mit denen, die dafür gemacht sind.
28 | Gute Pflege | 3_2024 | „ Ich brenne für die Pflege und ich weiß, dass es ganz viele andere Menschen auch tun. In meinem Team und weit darüber hinaus.“ Andrea Bader, Regionaldirektorin Mobile Dienste West zu sein und es zu zeigen – Gründe gibt es genug. „Wir müssen die Mitarbeitenden immer wieder daran erinnern, wie wertvoll die Arbeit in der Pflege ist und warum sie sich dafür entschieden haben – weil ihnen die Arbeit am Herzen liegt. Die zahlreichen Gespräche, die wir geführt haben, haben uns geholfen, die Perspektiven der Mitarbeitenden besser zu verstehen“, sagt Jonas Schwan von den Hirschen. Das macht nicht nur gute Laune, sondern wirkt sich ganz greifbar aus: Gute Stimmung mindert Fluktuation, senkt die Krankheitsquote, wirkt sich positiv auf Bewohnerinnen und Bewohner und Angehörige aus. Sie führt zu positiveren Aussagen im öffentlichen und privaten Bereich und Weiterempfehlungen. Stolz auf den Pflegeberuf „Die Ergebnisse der Studie zeigen was es braucht, um das Selbstbewusstsein von Menschen, die in Pflegeeinrichtungen und -diensten arbeiten zu stärken und diese sind auch in die Konzeption > > > Pflege im Fokus Auf ihre professionellen Fähigkeiten sehen 90 Prozent der Befragten mit Stolz. Auszug aus der Studie der Evangelischen Heimstiftung stimme gar nicht zu stimme weniger zu teils / teils stimme eher zu stimme völlig zu Ich bin stolz auf meine professionellen Fähigkeiten. 56 % 34 % 8 % 1 % 1 %
| Gute Pflege | 3_2024 | 29 unserer Kampagne eingeflossen“, erklärt Jonas Schwan. „Zunächst geht es darum, das Berufsethos (wieder) zu wecken und damit die eigene Identifikation mit dem Beruf. Im nächsten Schritt geht es darum, die Kommunikation darüber zu fördern. Also gezielt darauf hinzuarbeiten, das mehr über die positiven Aspekte der Arbeit gesprochen wird. So entstehen stolze Vertreterinnen und Vertreter ihrer Profession, die die Stärken des Pflegeberufs nach außen tragen.“ „Die Kampagne stellt heraus, dass Pflege Professionalität auf zwei Ebenen erfordert, die es in dieser Ausprägung in kaum einem anderen Beruf gibt. Zum einen die Fachkompetenz, also das handwerkliche Können und Wissen bei vielen pflegerischen Tätigkeiten. Und dann die Sozialkompetenz mit der Pflegende Beziehungen gestalten und in häufig existenziellen Lebenssituationen gefordert sind“, erklärt Bernhard Schneider. „Wir erinnern die Pflegekräfte daran, wie wertvoll ihre Arbeit ist: für das eigene Leben, für die Gesellschaft und als Berufung.“ Gute Pflege ist wertvoll Wertvoll für das eigene Leben: Begegnungen haben, Beziehungen entwickeln, Menschen helfen, beistehen, Dankbarkeit auf einem „next Level“ erfahren. Wertvoll für die Gesellschaft: Angehörige entlasten, Würde schützen, Lebensqualität erhalten, Leben retten, Selbstbestimmung erhalten. Wertvoll als Profession: Kompetenzen von der Grundpflege über medizinisches Fachwissen bis zu psychosozialen Fähigkeiten. Wertvoll für die Karriere: Karrieremöglichkeiten, guter Verdienst, identitätsstiftend, abwechslungsreich, sicher.
30 | Gute Pflege | 3_2024 | Bernhard Schneider. — Gefragt Die EHS hat gemeinsam mit einer Agentur die letzten Monate an der Entwicklung einer besonderen Kampagne gearbeitet. Worum geht es dabei? In einer Zeit mit großen Herausforderungen sind Zusammenhalt, gegenseitige Unterstützung und Loyalität der Kitt, der den Unterschied macht. Mich beschäftigt schon seit vielen Jahren, seit ich Führungsaufgaben habe, die Frage wie man es schafft, dass Menschen zusammenhalten. In der Familie, in Partnerschaften, aber eben auch im Team. Im beruflichen Kontext stoßen wir bei diesen Überlegungen schnell auf Begriffe wie Arbeitsethos und Stolz. Und daraus ist ein Projekt entstanden. Es hat zum Ziel, ein neues Selbstbewusstsein, einen Stolz für die Arbeit in der Pflege zu entwickeln, nach innen und außen zu tragen und damit genau diesen Zusammenhalt in den Teams und dem gesamten Unternehmen zu fördern. Wieso war es dir wichtig als Hauptgeschäftsführer selbst Teil der Projektgruppe zu sein? Zum einen weil ich überzeugt bin, dass intrinsische Aspekte wie Zugehörigkeit und Zusammenhalt, die wiederum von guter Führung gezielt gefördert werden, wichtiger sind als zum Beispiel „noch mehr Geld“. Deshalb wollte ich mich in das Projekt persönlich einbringen. Wie gewinnt eine Branche Selbstvertrauen? Ein Gespräch mit Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider. Zum anderen wird das Jahr 2025 mein letztes Jahr vor dem Ruhestand und damit ein besonderes für mich werden. Wenn ich das mit einer Kampagne zum Stolz im Pflegeberuf beenden kann, ist das natürlich eine tolle Sache. Wieso sind manche Menschen oder auch Berufsgruppen stolzer als andere? Ist Stolz überhaupt das richtige Wort? Ja, ich glaube das Wort passt gut, wenn man es in den richtigen Zusammenhang setzt, nämlich: „Ich bin stolz auf das, was ich kann. Ich bin stolz auf meinen Beruf und das, was er ermöglicht.“ Wie stolz ist ein Schreiner zum Beispiel auf sein fertiges Möbelstück? In der Pflege fällt es etwas schwerer, diese Ergebnisse so deutlich zu sehen. Man muss sich explizit bewusst machen, dass es Pflege im Fokus „ Pflege sorgt dafür, dass es Menschen besser geht.“ Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung
| Gute Pflege | 3_2024 | 31 zum Beispiel Frau Müller jetzt besser geht, nachdem ich sie gepflegt habe. Oder, dass sich nach meinem Gespräch mit den Angehörigen die Probleme lösen lassen. Auch das ist doch etwas, worauf man stolz sein darf, oder? Hat dieser fehlende Stolz etwas mit Selbst- und Fremdbild zu tun? Ich glaube schon. Es gibt Untersuchungen dazu, dass die Arbeit der Pflege anerkannt und bewundert wird. Klassischer Weise hört man dann den Satz: „Ich könnte das nicht, aber ich finde es toll, dass das andere machen.“ Woher das Selbstbild in der Pflege kommt, darüber kann man nur spekulieren. Vielleicht hängt es wirklich damit zusammen, dass man die Erfolge der Arbeit nicht unmittelbar sieht. Wir brauchen dabei das Verständnis für das große Ganze: Pflege sorgt dafür, dass es Menschen besser geht. Hat es auch damit zu tun, dass sich der Pflegeberuf verändert hat? Pflege hat sich in den letzten 30 Jahren mit Sicherheit professionalisiert, durch die Pflegeversicherung und die Weiterentwicklung der Ausbildung, um nur zwei Beispiele zu nennen. Der demografische Wandel hat verdeutlicht, wie wichtig Pflege ist, das hat die Rahmenbedingungen und das Selbstverständnis der Pflege deutlich verbessert. Nicht zuletzt passiert die Veränderung auch durch Unternehmen wie die EHS, die seit Jahrzehnten mit dem Claim „Gute Pflege“ vermitteln, dass man durchaus viel können muss, um diesen Beruf gut zu machen. Wenn ich dann erfolgreich darin bin, kann ich auch stolz darauf sein. „ Ich bin stolz auf das, was ich kann und darauf, was mir mein Beruf ermöglicht.“ Definitionsmöglichkeit für Stolz im Beruf > > >
32 | Gute Pflege | 3_2024 | Ganz losgelöst vom Pflegeberuf – kann man Selbstbewusstsein eigentlich lernen? Das glaube ich eher nicht, denn das ist eine Sache der Persönlichkeit. Wir können aber dafür werben, Lösungen zu finden, statt Probleme zu suchen. Und wir können Unterstützung geben, positiv auf die Dinge zu sehen und zuversichtlich zu sein: also aktiv daran zu arbeiten, dass sich die Dinge in eine gute Richtung entwickeln, auch wenn einmal Hindernisse da sind. Wenn Menschen Stolz, Kompetenz und Anerkennung zugesprochen werden, hat das einen positiven Effekt. Es verändert den Blick auf die Dinge und – ja, das stärkt auch das Selbstbewusstsein. Die Rolle der Führungskräfte, diesen Stolz zu erzeugen oder wahrzunehmen ist also eine ganz entscheidende? Absolut. Die Führungskraft hat es in der Hand auch in schwierigen Situationen noch etwas Positives mitzugeben oder ein freundliches Wort zu finden. Das hilft, eine zuversichtliche Stimmung zu erzeugen, es gemeinsam zu schaffen. Der Kern ist also, bewusst zu machen, dass jeder und jede Einzelne Einfluss nehmen kann auf die Wahrnehmung von Stolz für den Pflegeberuf. Jeder kann den Unterschied machen, jeden Tag aufs Neue! Was macht dich persönlich stolz in deinem Beruf? Mich macht stolz, was die Evangelische Heimstiftung als Unternehmen leistet. Was sie für ihre Mitarbeitenden und Kunden tut und was sie in der Öffentlichkeit bewirkt. Natürlich bin ich auch stolz auf das, was ich dazu beitragen kann. Ja, meine Arbeit macht mich stolz, das kann ich schon sagen. Und natürlich bin ich sehr stolz auf meine Kinder und Enkelkinder. Pflege im Fokus > > > Stolz darauf sein, ein Lächeln auf die Lippen zaubern zu können
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