Ausgabe 1/2025

12 | Gute Pflege | 1_2025 | > > > Des Morgens versammeln sich wieder alle zum Frühstück. Ich bin ganz überrascht, wie viele sich für die abendliche Andacht, Gebete und Auslegung bedanken – alles wird in die Zimmer übertragen. Und es nehmen viele daran teil. Manche entschuldigen sich sogar, dass sie nur im Zimmer teilnehmen: „Ich kann nicht so lange sitzen, und da kann ich das Bein hochlegen…!“ Ich wundere mich und freue mich, wie intensiv die geistlichen Beiträge wahrgenommen werden. Es sind auch auffallend viele Katholiken, die das tun. Tagsüber versuche ich bei den Neuankömmlingen Willkommensbesuche zu machen. Wo ich mein „Grüß Gott“ sage, werde ich nicht selten ohne alle Umschweife in eine Lebensgeschichte hineingenommen, die oftmals eine Leidensgeschichte ist. Aber es wird auch mit Stolz und Freude von den Kindern, den Enkeln erzählt, die glücklich machen. Eine unglaubliche Offenheit – obgleich ich ja durch nichts anderes ausgewiesen bin als durch mein Namensschildchen. Es gibt doch ein riesiges Kapital an Vertrauen, das der Kirche in ihrer seelsorgerlichen Funktion entgegen gebracht wird. Dann wird es richtig andächtig, alle lauschen dem Gebet, nicht wenige sagen danach „Amen“. Das finde ich erstaunlich, in einer so großen zusammengewürfelten Schar. Und so ist es die ganze Woche über, morgens und abends. Und ein paar aufmunternde, lockere Worte dienen auch der Entkrampfung. Wer versammelt sich da als meine „Gemeinde“? Eine ziemlich bunte Schar. Ältere und viele jüngere Menschen. Die meisten mit Gehhilfen unterschiedlichster Art, manche erheblich eingeschränkt. Manche sitzen fröhlich am Tisch und lachen mit den Nachbarn. Andere kommen ächzend, klagen vernehmlich. Manche essen zufrieden ihre Portion. Andere haben eine Dose mit hausgeschlachteter Wurst von daheim mit, die sie mit Appetit verzehren. Alle werden freundlich und liebevoll versorgt von den Mitarbeiterinnen im Saal, die für jeden ein gutes Wort parat haben. Abends ist dann die Andacht, 20 Minuten lang, musikalisch begleitet von einer Bewohnerin im Betreuten Wohnen, die sich sorgfältig vorbereitet. Etwa zehn Personen versammeln sich in dem schönen Andachtsraum und hören sehr aufmerksam und konzentriert zu. Manche bekreuzigen sich: Die Andacht ist offensichtlich ökumenisch. Nach der Andacht ist das Haus sehr ruhig. Die Menschen sind von den Therapien und Anwendungen sichtlich erschöpft und ruhebedürftig. Pflege der Seele Die Rehaklinik der EHS in Bad Sebastiansweiler

RkJQdWJsaXNoZXIy NTQxOTA=