Table of Contents Table of Contents
Previous Page  8 / 32 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 8 / 32 Next Page
Page Background

Titel

Herr Hörrmann, 1952 – im Gründungsjahr der

Evangelischen Heimstiftung – waren Sie 21 Jahre

alt, was waren das für Zeiten?

Auf der Spurensuche ist mir ein Text von Dr.

Antonie Kraut in die Hände gekommen, in dem

sie die damalige Situation nach dem Kriegsende

1945 wie folgt beschreibt:

„Man kann sich kaum vorstellen, wie es damals

aussah. Die größeren Städte waren weitgehend

zerstört, ebenso die Eisenbahn. Der Verkehr von

Ulm nach Stuttgart endete in Göppingen. Die

landwirtschaftliche Produktion war sehr einge-

schränkt. Die Versorgung der allermeisten Städte

mit Lebensmitteln war recht mangelhaft. Die ar-

beitsfähigen Männer waren vielfach in Gefangen-

schaft, soweit sie nicht im Krieg geblieben sind.

Aus den Ostgebieten strömten Millionen von

vertriebenen Deutschen in ihr altes Vaterland und

suchten Aufnahme und eine neue Heimat. Das

evangelische Hilfswerk und der Landesverband der

Inneren Mission bekamen von den Besatzungs-

mächten mit als Erste die Erlaubnis zu helfen. Sie

haben sich den Flüchtlingsfamilien, vor allem aber

den Alten und Gebrechlichen, angenommen. Für

sie suchte man im Land nach Gebäuden, die eini-

germaßen geeignet waren hilfsbedürftige Personen

aufzunehmen. Dazu gehörten beispielsweise alte

Schlösser, Klöster und Gastwirtschaften. Eine Bitte

an die Kirchengemeinden, Sofakissen zur Verbes-

serung der Liegen zu spenden, hatte einen beacht-

lichen Erfolg.“ Soweit Dr. Antonie Kraut.

Dr. Antonie Kraut wurde 1945 zur juristischen

Geschäftsführerin der Inneren Mission berufen.

Was muss man sich darunter vorstellen?

Der Landesverband der Inneren Mission war der

freie Zusammenschluss aller Werke und Dienste

der Inneren Mission im Gebiet der württember-

gischen evangelischen Landeskirche. Seine Auf-

gaben waren die diakonischen Aktivitäten, Dien-

ste und Einrichtungen zu fördern, zu beraten, zu

unterstützen und ihre Interessen gegenüber Staat,

Körperschaften und einzelnen Personen zu ver-

treten. Ab 1950 bildete der Landesverband der

Inneren Mission zusammen mit dem evange-

lischen Hilfswerk die „Arbeitsgemeinschaft der

diakonischenWerke der Evangelischen Landeskir-

che in Württemberg“. Die Geschäftsführung

wurde in Personalunion wahrgenommen und

beideWerke bildeten zusammen eine Bürogemein-

schaft. Es waren und sind bis heute die klassischen

Aufgaben eines Spitzenverbandes, die 1945 von

der Geschäftsführung wahrgenommen und ver-

antwortet werden müssen.

Was hieß dies damals konkret?

Die Not, die sichtbar wurde, und die neue Art von

Hilfsbedürftigkeit bei den Flüchtlingen, diesem

musste begegnet werden und dazu brauchte es eine

Die Evangelische Heimstiftung wird in diesem Jahr 65 Jahre alt, ein

ehrwürdiger Zeitpunkt, um die neue Zentrale einzuweihen - das Anto-

nie-Kraut-Haus, benannt nach der Gründerin und Mutter der Evange-

lischen Heimstiftung. Doch wer war diese bemerkenswerte Frau, deren

Wirken nach all den Jahrzehnten noch immer von Bedeutung ist?

Zeitzeuge Siegfried Hörrmann gewährt uns im Gespräch mit Pfarrer Dr.

Mäule einen Einblick in die Anfänge der Evangelischen Heimstiftung

und berichtet von seinen Begegnungen mit Fräulein Dr. Antonie Kraut.

Dr. Antonie Kraut

Erinnerungen an die Gründerin der Evangelischen Heimstiftung

„Helfen,

wo geholfen

werden muss.“

Dr. Antonie Kraut 1905 – 2002

8

„Aus der Heimstiftung“

1/2017